Mitgefühl 2

Die Fortsetzung von letzter Woche: einige Beispiele, wo uns im Alltag Mitgefühl fehlt.

3 Min.

Rivka Levy

gepostet auf 03.12.19

Letzte Woche habe ich über gesundes Mitgefühl geschrieben – den anderen fühlen, für ihn da sein, ohne sich selbst zu vernachlässigen. Hier nun einige praktische Beispiele:

 

 

Die nörgelnde Frau

 

Herr Müller hat einen anstrengende Job, und daneben noch den Stau auf dem Arbeitsweg. Er kommt erschöpft nach Hause und will ein bisschen seine Ruhe. Aber Frau Müller weiß das nicht, weil sie sich nicht angewöhnt hat, sich vorzustellen, wie es ihr an Stelle ihres Mannes gehen würde. Sobald er durch die Tür kommt, fängt sie an, zu jammern, was für einen anstrengenden Tag sie gehabt hat, und dass er mehr im Haushalt helfen muss, und dass die Glühbirne in der Vorratskammer durchgebrannt ist, und er sie sofort auswechseln muss… Das Ergebnis für den Hausfrieden ist grauenvoll.

 

Wenn Frau Müller mit ihrem Mann fühlen würde, würde sie sich anders verhalten. Ihn ankommen lassen, sich in Ruhe setzen lassen. Ihn fragen, wie sein Tag war. Und erst danach bitten, die Glühbirne zu wechseln und den Müll raus zu bringen, was er dann auch gerne täte…

 

 

Die fordernden Eltern

 

Als die acht-jährige Leah vergessen hat, ihre Hausaufgaben in Mathe zu machen, bekommt sie einen Elternzettel von der Lehrerin. Ihre Mutter Rachel ist entsetzt und macht ihrer Tocher schwere Vorwürfe. Sie verpasst es komplett, sich in die Situation ihrer Tochter zu versetzen und sich zu erinnern, dass auch sie als Erwachsene manchmal Dinge vergisst… Besonders Dinge, die sie nicht machen will… Wenn Rachel einübt, Mitgefühl zu haben, wird sie sich erinnern, dass sie auch manchmal Fehler macht und kann ihrer Tochter viel freundlicher begegnen. Und die Erziehung wird ehrlicher. Denn natürlich weiß Leah, dass ihre Mutter Fehler macht…

 

 

Der mitleidslose Freund

 

Josi ist ein Gewinner-Typ. Er hat einen wunderbaren Job, ein schönes Haus, eine glückliche Familie es mangelt nie an irgendetwas. Wenn einer seiner Freunde Probleme hat, finanzielle Probleme, dann kann Josi sich nicht in diese Situation versetzen. Es ist ihm unangenehm, von solchen Problemen zu hören. Wenn ein Freund anfängt, über solche Probleme zu sprechen, lenkt Josi das Gespräch abrupt in eine andere Richtung.

 

Gesundes Mitgefühl heißt für Josi, zu lernen, dass es ihm nicht unangenehm sein muss, von den Problemen anderer zu hören. Er muss die Probleme nicht lösen, das erwarten seine Freunde wahrscheinlich gar nicht. Er soll ihnen nur aufmerksam zuhören und ihnen keine Vorwürfe machen.

 

 

Die Auswirkungen von Mitgefühl auf unser Befinden

 

Findest du dich in einem dieser Beispiele? Fallen dir andere Situation ein, in denen du kein Mitgefühl zeigst? Keine Sorge, jeder hat solche Momente und bringt kein Mitgefühl auf. Und wie ich im letzten Artikel geschrieben habe, Mitgefühl zu haben, ist nicht die Defaul-Reaktion in unserer Gesellschaft. Darum fühlen wir uns oft so unruhig und aus dem Tritt.

 

Wenn Menschen Mitgefühl mit dir haben, fühlst du dich geliebt, wertgeschätzt, unterstützt, umsorgt und sicher. Aber wenn deine Mitmenschen dir Vorwürfe für deine Probleme machen, gehst du in Verteidigungshaltung, wirst wütend, fühlst dich schlecht, wertlos und einsam. Wenn du beobachtest, wie du dich verschiedenen Menschen gegenüber fühlst, wirst du sehen, wer mitfühlt und wer nicht.

 

 

Verbale Grausamkeit

 

Es ist anerkannt, dass es falsch ist, Leute zu schlagen, oder Tiere zu foltern. Aber es ist noch nicht so anerkannt, dass Worte wirklich grausam sein können. Dabei ist es ein Fakt, dass wir uns an einen unangenehmen verbalen Zusammenstoß länger erinnern, länger unter ihm leiden, als unter einer kleinen körperlichen Verletzung.

 

Sich beim Kochen zu schneiden ist sehr schmerzhaft und macht Umstände, aber sobald die Wunde verheilt ist, vergisst man den Vorfall. Aber jedes Mal wenn ich mich daran erinnere, wie der Lehrer mich aufstehen ließ und die ganze Klasse mich dafür auslachte, dass ich zu spät war, zucke ich innerlich zusammen. Die Verletzungen, die dieser Lehrer mir mit solchen und ähnlichen Dingen zugefügt hat, begleiten mich seit Jahren, und sind viel schwerwiegender, als eine körperliche Verletzung.

 

Verbale Grausamkeit kann unsere Seele und Psyche ernsthaft schaden. Leider passieren solche verbalen Grausamkeiten so häufig, dass wir oft gar nicht bemerken, was wir da tun, oder was uns getan wird. Wir verstehen nicht, dass unsere negativen Gefühle eine Reaktion auf Spott, Kritik oder Vorwürfe sind. Die Aussagen der anderen sind ja nicht so schlimm, das ist normal, das muss man weg stecken können. Aber wir können es eben nicht weg stecken. Und so werden wir zu einer Gesellschaft voller unruhiger, gestresster, unsicherer Menschen.

 

Beispiele verbaler Grausamkeit sind schlechtes Licht auf jemanden zu werfen, respektloser Umgang, destruktive, demoralisierende Kritik, jemanden parodieren, unterschwellig-agressive Kommentare, und auch Kommunikation ohne Worte, Mimik und Gestik.

 

 

Dieser Artikel will uns aufmerksam machen, wo uns ein Magel an Mitgefühl begegnet, damit wir unsere emotionale Reaktion ernst nehmen und gegensteuern können. Und damit wir lernen können, selbst anders zu sein. Mitfühlende Reaktionen führen dazu, dass Menschen sich gut fühlen, geliebt und umsorgt. Grausame Raktionen führen zu einer Verteidigungshaltung, Einsamkeit, Unruhe und Wut.

 

 

Fortsetzung nächste Woche

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