Spitzengespräch

Worum ging es in dem Gespräch zwischen Elieser und Lawan? Was ist an diesem Gespräch so wichtig?

4 Min.

Rabbiner Menachem Man

gepostet auf 05.04.21

Worum ging es in dem Gespräch zwischen Elieser und Lawan? Was ist an diesem Gespräch so wichtig? 

Die Tora bringt dieses Gespräch in allen seinen Details. Warum gibt sie nicht nur einen Überblick über die Geschehnisse? Die Hauptsache war doch wohl, eine Frau für Jizchak zu finden, und wozu all diese Einzelheiten? Der Midrasch berichtet, dass Rivka auch zum Mitkommen bereit gewesen wäre, wenn Lawan nicht zugestimmt hätte. Damit hing die Ehe also nicht vom Erfolg dieses Gespräches ab, und warum war es dann so wichtig, Lawan zu überzeugen? Die talmudischen Weisen sagen, das Gespräch hatte eine eigenständige Bedeutung: „Sagte Rabbi Acha: Besser ist das Gespräch der Diener der Vorväter als die Lehre der Söhne“ (Bereschit raba §60). Sie beweisen das gerade mit der Ausführlichkeit dieses Gespräches. Was ist daran so wichtig?
 
Das Wesen der Gespächspartner
 
Anscheinend lässt sich vom Wesen der Beteiligten etwas über das Gespräch ableiten. Auf der einen Seite Lawan und Betu’el, zwei der größten Bösewichte auf der Welt. In der Pessach-Hagada sagen wir, Lawan war übler als Pharao. Auf der anderen Seite Elieser. Wer war dieser Elieser? Die Weisen berichten, dass er nicht nur Haus und Hof Awrahams vorstand, sondern auch dessen Jeschiwa leitete:  „…der waltete über alles, was sein war“ (Gen. 24,2) – sagte Rabbi Elasar: der über die Tora seines Herrn waltete … Damessek Elieser, der von der Tora seines Herrn schöpfte und andere tränkte“.
 
Elieser war auch ein großer Gerechter. So geht aus verschiedenen Midraschim hervor: "..der waltete über alles, was sein war – der seinen Trieb wie jener beherrschte" (B.r. §59).
 
Seinen Trieb beherrschen wie unser Vorvater Awraham – das ist keine Kleinigkeit! Nach den talmudischen Weisen war jeder der Vorväter ein "Ältester, der im Kollegium saß" (Joma 28b), und Gleiches sagten sie auch von Elieser, dem Knechte Awrahams. Nicht umsonst heißt es im Traktat Kalah (3,23): „Sieben betraten den Garten Eden zu Lebzeiten, und zwar… Elieser, Knecht Awrahams“. Wir haben hier also ein Gespräch zwischen den Extremen der Menschheit vor uns: zwischen einem der edelsten und einem der bösesten Menschen!
 
Elieser – Höhepunkt Awrahams Lebenswerkes
 
Elieser befand sich nicht immer auf einer so erhabenen Ebene: „Und woher war sein Diener? Als er [Awraham] aus Ur-Kasdim auszog, kamen alle Größen jenes Zeitalters, um ihm Geschenke zu bringen, und Nimrod nahm seinen Diener Elieser und gab ihn ihm als ewigen Diener“ (Pirke deRabbi Elieser §16).
 
Elieser war der Diener desjenigen, der Awraham bis aufs Messer bekämpft hatte. Awraham erhielt ihn, nachdem er die Richtigkeit seines Standpunktes vor aller Welt bewiesen hatte, und lehrte ihn, bis er hohe Stufen erreichte. Sein Vorzug bestand darin, dass er sein Verhältnis zu Awraham auch nach seinem Aufstieg sehr gut verstand: „Indem er jenem Gerechten in Treue diente, verließ er den Kreis des Fluches und trat ein in den Kreis des Segens“ (B.r. §60).
 
Er sieht in Awraham die „Quelle“, wohingegen er selbst nur „schöpft und tränkt“. In diesem Wochenabschnitt heißt er nur „der Diener“. Elieser war Awrahams größter Erfolg unter den Völkern. So wird eher verständlich, wie Awraham denken konnte, "der Angehörige meines Haushalts wird mich beerben" (Gen. 15,3)…
 
Elieser der Botschafter
 
Es war nicht das erste Mal, dass Elieser mit anderen Völkern über Awraham sprach: „..als Awraham Amrafel und die Könige, die mit ihm, besiegt hatte, fragten die Könige der Nationen Elieser, seinen Diener, wie Awraham mit so Wenigen eine solch große Volksmenge besiegte, und er antwortete…“ (Mezudat David zu Psalm 110).
 
Weiter wird erzählt, wie ein Noachide Elieser zu den Erfolgen Awrahams befragte, und wie er öfters Sdom besuchte und mit den Einwohnern über ihre Taten redete (Sanhedrin 108-109). Hier aber geht es um „das Gespräch seines Lebens“.
 
Von Gott war es bestimmt
 
Ein großer Teil des Gespräches betrifft die besondere göttliche Hilfe, die ihm zuteil wurde. Normalerweise finden wir keine Bitten um wundertätige Einmischung, warum also hier ja? Vielleicht deswegen, weil nach unserem Verständnis ja das Gespräch die Hauptsache war, und so gelangte er an vorzüglichen Gesprächsstoff… Er erzählt von der offenbaren göttlichen Vorsehung, und am Ende stimmen sie ihm zu: "vom Ewigen ist die Sache ausgegangen" (Gen. 24,50). Das Ergebnis des Gespräches bezeugt, dass dies sein Ziel war. Awraham lehrt die Menschheit etwas ganz Neues, nämlich dass die Welt einen Herrn hat. Er wandert umher und nennt den Namen Gottes allerorts. Am Ende seiner Tage verpflichtet er Elieser, dafür zu sorgen, dass auch Lawan damit einig wird. Awraham wollte Rivka nicht einfach so holen sondern erreichen, dass sie sie in Zustimmung zu Gottes Wort geben. Zu diesem Zwecke erbat Elieser offensichtliche göttliche Beihilfe, der sich jene nicht entziehen konnten.
 
Und sie beugten sich vor Gott
 
Dieses Gespräch war so wichtig, bis dass die talmudischen Weisen ihm größere Bedeutung zumaßen als der Lehre späterer Generationen (s.o.). Die Vorväter beschäftigten sich mit den Grundsätzen, die Nachkommen mit den Einzelheiten. Bei diesem "Gespräch der Knechte der Vorväter" kommt ein fundamentales Prinzip zum Ausdruck. Hier findet ein Gipfeltreffen der Menschheit statt, bei dem es seiner inneren Bedeutung nach um das Verhältnis zum Volke Israel geht. Das Verhandlungsthema bezieht sich auf die Frage, ob man Awraham bei der Erfüllung seines Lebenswerkes durch die Übergabe von Rivka helfen sollte. Die Eröffnung der Konferenz erfolgt durch die Verkündung Eliesers über das angemessene Verhältnis zu ihm: "Der Knecht Awrahams bin ich" (Gen. 24,34). Das Ergebnis der Konferenz lautet: Weil Awraham recht hat und Gott die Welt lenkt, gibt es eigentlich keine andere realistische Möglichkeit als Awraham zu helfen. Man kann sagen, diese Begegnung verkörpere den Höhepunkt Awrahams Wirken unter den Völkern. In diesem Lichte wird verständlich, warum sie so breiten Raum in den Abschnitten von Awraham einnimmt. So wird auch verständlich, warum sich Elieser ein zweites Mal verbeugt, nachdem er die Antworten gehört hatte. Das erste Mal war zum Dank für das Auffinden von Rivka, und das zweite Mal zum Erfolg des Gespräches.
 
Ein Schüler Awrahams zu sein
 
Diese momentane Erhebung war ein Vorzeichen für das Ende der Tage. Der "Vater vieler Völker" folgt der Bestrebung, die an das Gute in Jedem glaubt und es aufdecken möchte. Awraham wollte Jischma’el, Lot und sogar Sdom. Gott teilte ihm allerdings mit, dass dies zum Ende der Tage gehört, zum jetzigen Zeitpunkt aber müsse er sich auf Israel konzentrieren und Hagar und Jischma’el fort schicken. Jene Größe Awrahams verschwand nicht in der Versenkung, sondern leuchtet in Vollkommenheit weiter in Israel. Wir als Schüler Awrahams müssen dafür sorgen, dass alle sagen: "vom Ewigen ist die Sache ausgegangen". Wenn Awraham für Sdom betete und dafür wirkte, die Bösewichte auf eine höhere spirituelle Stufe zu bringen, so müssen wir uns doch erst recht so gegenüber jedem einzelnen Juden verhalten. Schüler Awrahams zu sein bedeutet, an jeden Juden zu glauben und mit ihm ins "Gespräch der Diener der Vorväter" zu kommen.  
 
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