Kreative Einladungskarten

Viele bekommen schon als Baby in die Wiege gelegt, dass es nicht schlecht ist, wenn man im Rampenlicht des Geschehnisses steht.

5 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 17.03.21

Rosch Hashana ist heute schon Vergangenheit, aber Jom Kippur steht nun bereits vor der Tür und somit immer noch auch die vielen guten Ansätze fürs neue Jahr!
 
Viele bekommen schon als Baby in die Wiege gelegt, dass es nicht schlecht ist, wenn man im Rampenlicht des Geschehnisses steht. Der Alltag und Werdegang eines Menschen trägt vielleicht auch indirekt dazu bei. Jeder von uns hat schon einmal eine kreative Einladungskarte in seiner Hand gehalten. Doch nur wenigen Personen fiel dabei eine sehr erstaunliche und interessante Fügung auf.

Beginnen wir beispielsweise mit der Einladungskarte zu einer Bar- oder Bat Mitzwa-Feier. Der Star ist dort natürlich das Kind, weil es ja nun als ein vollwertiges Mitglied in den Bund Gottes rückt. Deshalb steht es auch im Rampenlicht dieser Feier. Der Name des Kindes ist also Fett markiert und in ganz großer Schrift in der Mitte der Karte positioniert. Jedem, der die Karte in der Hand hält, fällt sofort der Name des Kindes auf, weil alles andere – im Vergleich zum Kindesnamen – winzig klein erscheint.

Jetzt wollen wir einmal in die Zukunft springen, indem wir uns die Hochzeitskarte eines jungen Mannes ansehen. Auch hier ist er zweifellos der Star des Abends, allerdings nicht mehr alleine für sich, sondern nur einer von zweien. Das ist auch auf der Einladungskarte zur Hochzeit deutlich erkennbar. Sein Name steht nun nicht mehr „unübersehbar“ ganz groß in der Mitte der Karte, vielmehr muss er sich jetzt mit einem Platz auf der Seite der Karte begnügen. Sein Name blieb zwar immer noch Fett markiert, in ganz großer Schrift, allerdings wurde ihm dazu parallel gegenüber, der Name seiner Braut platziert. Wir sehen hier also schon eine Herabstufung, des ach so ersehnten Rampenlichtes.

Lasst uns jetzt noch weiter in die Zukunft springen. Nach vielen Jahren konnte sich dieser Bräutigam dann darüber freuen, seine eigene Tochter zu vermählen! Ein Blick in die Einladungskarte für die Hochzeit seiner Tochter macht klar, dass sein Name nun als Vater der Braut ganz klein, also wie „nebenbei“ erwähnt, aufgeführt ist. Folglich handelt es sich erneut um eine Herabstufung. Ja und bei den Einladungskarten seiner Enkel, wird sein Name ja nicht einmal mehr erwähnt werden!
 
An dem Beispiel der „Einladungskarten“ ersehen wir also eine für mich niederschmetternde These. Je älter man wird, desto unwichtiger ist man.

In den jungen Jahren ist man wie ein Star, man sprüht regelrecht auf, hat unbegrenzte Freizeitmöglichkeiten, beruflich ergeben sich einer jungen Person auch unendlich viele Chancen. Allgemein hat ein junger Mensch eigentlich überall etwas zu tun. Mit den Jahren wird alles irgendwie „langweilig“, und wenn man nicht aufpasst, kann sich das Leben in eine Ecke verrennen, aus der man nicht mehr hinausfindet. Wer im Alter z.B. arbeitslos wurde kann ein Lied davon singen. Die These besagt also, dass man mit zunehmenden Alter immer unwichtiger bis sogar für andere unerträglich wird, insbesonders wenn ein Mensch nicht nur alt sondern auch noch krank wird. Dann äußert sich nämlich im tiefsten Inneren seiner Angehörigen der egoistische Wunsch, dass der vormals so geliebte Mensch nun doch endlich ablebe. Diesen absurden Wunsch schmücken die meisten mit der Leier: „Der Tod ist (s)eine Erlösung“.
 
Zugegeben, das alles hört sich nicht wirklich motivierend an! Aber leider heißt es, ebenso deprimierend, in der Thora: „ Halte fest im Sinn woher du kommst [und] wohin du gehstWoher du kommst: von einem stinkenden [Sperma]-Tropfen. Wohin du gehst: An einem Ort von Staub, Ungeziefer und Würmern.“ (Sprüche der Väter, Kapitel 3, Lektion 1)
 
Daraus kann man die ernüchternde Wahrheit erkennen: Mit jeder Sekunde nähert sich ein Mensch im Grunde genommen seinem Grab. Klar wird das vor allem durch die Einbeziehung der „Gravitation“ als  eines der vier Grundkräfte der Physik. Auf der Erde bewirkt die Gravitation, dass alle Körper nach unten fallen.
 
ABER all die oben aufgeführten Überlegungen gelten nur für den körperlich materiellen Aspekt im Menschen. Wie wir alle wissen, hat ein Mensch aber auch einen spirituellen Teil in sich, also einen seelisch-geistigen Organismus.
 
Die Seele im Menschen ist frei wie ein Wind, der überall hin weht! Aus diesem Aspekt entsteht für uns eine ganz andere Perspektive. Die eben erwähnte, und so deprimierende Aussage der Thora erhält durch diese Sicht eine ganz andere Dynamik der Freude, Kraft und Motivation!
 
So hieß es: „Halte fest im Sinn woher du kommst [und] wohin du gehst …“ (Sprüche der Väter, Kapitel 3, Lektion 1)
 
Woher du kommst: Von Gott höchstpersönlich!
 
So wie es heißt: „Und Gott schuf den Menschen in seinem Ebenbilde“ (1. Buch Moses, Kapitel 1, Satz 27) Rabbi Nachman aus Breslev erklärt, dass das Ebenbild Gottes die Seele eines Menschen ist. So heißt es weiter, „Und Gott der Ewige, bildete den Menschen vom Staub der Erde und blies in seine Nase den Odem des Lebens [also unsere Seele]“ (1. Buch Moses, Kapitel 2, Satz 7)
 
Wer einen Ballon aufbläst, weiß, dass sich in dem Ballon deshalb mein Atem darin befindet, somit ist mein Atem – im übertragenen Sinne – ein Teil von mir, der sich im Ballon befindet … So wie Gott auf der Erde nicht sichtbar ist, so ist auch die Seele für unsere Augen nicht zu sehen. (Siehe Likutey Moharan, Band 1, Lektion, 35 a, 49 d und 137 und Im Garten des Glaubens, Seite 459)
 
Die Antwort auf die Frage: Wohin du gehst, ist demnach ebenso: Zu Gott höchstpersönlich! Rabbi Nachman aus Breslev erklärt dazu, dass die Seele eines Menschen ein Teil Gottes ist, den jeder Mensch in sich trägt. Und da es nach einem körperlichen Tod ein Weiterleben der Seele gibt, geht diese natürlich zum Ursprung ihres Seins – also zu Gott – zurück. (Siehe Im Garten des Glaubens, Seite 28).
 
Wir erkennen hier also etwas unbeschreiblich Erstaunliches! Aus körperlich-materialistischer Sicht würde ein Dialog mit folgenden Fragen sehr deprimierend ausgehen:
 
Woher kommst du? > Von einem stinkenden [Sperma]-Tropfen. Und Wohin gehst du? An einem Ort von Staub, Ungeziefer und Würmern!
 
Aus spiritueller Sicht ist die Antwort auf diese Fragen: Von Gott und zu Gott! Wenn du also in deinem Leben ein Gefühl der Depression wahrnimmst, dann doch nur, weil du dich auf den Körper fixierst, der durch die Gravitation keine andere Chance hat, außer eben irgendwann unter der Erde zu landen. Löse dich von deiner körperbezogenen Einstellungen und verbinde dich mit der unsichtbaren Kraft, die sich in dir befindet, mit deiner Seele, deiner Spiritualität. Auf die Weise wirst du dich frei, gelassen und sehr agil fühlen und somit auch mit zunehmenden Alter für deine Umwelt immer wichtiger werden, so wie unsere Weisen im Talmud sagten: „Das Wissen unsere Ältesten ist der Weg zum Glück“. Was bedeutet, das bei einem immer älter werdender Menschen sein Ansehen wächst. Man muss sich ja nur mal die weisen Rabbiner der heutigen Zeit ansehen. All diese Giganten der Weisheit, wie der ehemalige Oberrabbiner Israels, Rabbi Ovadja Josef (92 Jahre) oder Rabbi Joseph Schalom Elyashiv (102 Jahre, gestorben am 18. Juli 2012) sind zwar an Jahren gemessen „alte Männer“, aber diese „alten Männer“ haben uns alle eine gewaltige Intelligenz und unermüdlichen Fleiß voraus. Sie werden geachtet und verehrt nur aus einem einzigen Grund, sie haben sich bei der Wahl: „Körper oder Seele“, für den spirituellen Teil entschieden – und somit wachsen sie auch heute noch jeden Tag aufs Neue über sich selbst hinaus.

 

 

Rabbiner David Kraus (M.A in Psychologie und Integrativer Psychotherapie | Dipl. Paar- und Familientherapeut | Dipl. Pädagogischer Elternberater) finden Sie bei Facebook.

Sagen Sie uns Ihre Meinung!

Danke fuer Ihre Antwort!

Ihr Kommentar wird nach der Genehmigung veroeffentlicht.

Fuegen Sie einen Kommentar hinzu.