Die Juden und der FC Bayern München

Jüdisches Leben in Deutschland wird oft mit besonderen Augen gesehen. So gewöhnlich der Alltag auch sein mag, Normalität im Umgang mit dem Judentum scheint nach wie vor schwierig.

2 Min.

Leeor Engländer

gepostet auf 05.04.21

Jüdisches Leben in Deutschland wird oft mit besonderen Augen gesehen. So gewöhnlich der Alltag auch sein mag, Normalität im Umgang mit dem Judentum scheint nach wie vor schwierig.

Gedenken abseits typischer Veranstaltungen: Fans des FC Bayern München würdigen Kurt Landauer, ehemaliger Präsident des Vereins – und Jude.
 

Eine ganze Woche lang jagte die Berliner "Abendschau" jeden Tag einen anderen Juden durchs Programm. Auch diese Kolumne und ihren Autor hat es erwischt. Nach den antisemitischen Übergriffen in der Stadt war es offenbar Zeit, sich mal wieder mit den lebendigen Juden zu befassen. Chapeau! Den TV-Kollegen war es tatsächlich gelungen, das echte, junge jüdische und zum Teil israelische Leben Berlins, ganz abseits von Holocaust-Gedenksteinen und obligatorischen Kranzniederlegungen, vor die Linse zu bekommen.

Ist jüdisches Leben isoliert?

Nachdem die Serie lief, fragte mich ein Freund, wie es eigentlich zu erklären sei, dass sich Juden immer vom Rest der Welt separieren. Jüdische Studentenverbände, jüdische Sportvereine, jüdische Universitäten, jüdische Radiosender, jüdische Zeitungen. Geht das nicht auch gemeinsam mit den anderen?

In der Tat ist es ein Wesensmerkmal des Judentums, Dinge zu unterscheiden: Juden von Nichtjuden, Milch vom Fleisch, Arbeitstage von Ruhetagen, Männer von Frauen … Mit der Beobachtung meines Bekannten aber hat das nichts zu tun. Man könnte genauso fragen: Warum gibt es muslimische Rummy-Clubs, evangelische Kindergärten und katholische Hospize? Das Judentum unterscheidet sich da im Wesentlichen nicht von anderen Glaubensvereinen. Tatsächlich ist es ein altes antisemitisches Relikt, Juden zu unterstellen, sie würden sich absondern. Oder haben Sie schon mal FC-Bayern-Fans dafür kritisiert, dass sie nach dem Spiel mit anderen Bayern saufen gehen und nicht mit Dortmundern?

Das beliebte Vorurteilsspiel

Manche behaupten auch, der Jude sei grundsätzlich intelligenter als andere, schließlich gingen mittlerweile mehr als ein Fünftel aller Nobelpreise an Juden, während ihr Anteil an der Weltbevölkerung weniger als 0,2 Prozent beträgt. Um sich vom Gegenteil zu überzeugen, genügt ein Synagogenbesuch am Sabbat oder ein Blick in die Vorstandssitzung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

Das einzige Stereotyp, das sich täglich immer wieder aufs Neue bestätigt, ist das der jiddischen Mamme. Abends schrieb mir die TV-Redakteurin, sie hoffe, der Bericht habe meine Ansichten richtig wiedergegeben. Ich versicherte ihr, sie solle sich keine Sorgen machen, ausschlaggebend sei eh nur das Urteil meiner Mutter.

Die hat auch prompt nach der Ausstrahlung angerufen: Ich müsse mal wieder zum Zahnarzt, meine Zähne seien vom Tee ganz gelb geworden.

Quelle: http://www.welt.de/ © Alle Rechte vorbehalten – Axel Springer AG 2012.

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