Der Sabbat für jedermann

Der Schabbat als Feiertag für Juden und Nichtjuden …

5 Min.

Joel Schwarz

gepostet auf 17.03.21

Das Verbot der Schabbatruhe und der Schabbat der Noachiten (Nichtjuden)

Nach Meinung des Maimonides besteht dieses Verbot aufgrund dessen, dass durch die Schabbatruhe eines Nichtjuden eine Art neue Religion eingeführt würde. Aus der Sicht des Maimonides ist es einem Noachiten dann erlaubt, am Schabbat zu ruhen, wenn dies im Bewusstsein geschieht, dass die Ruhe zwar Israel auferlegt ist, er selbst es jedoch nicht aus religiöser Pflicht tut.
 
Schon Philo von Alexandrien erwähnt, dass der Schabbat unter den Völkern starkes Interesse gefunden und das Bedürfnis geweckt habe, ihn einzuhalten.
 
Raschi führt das Verbot auf die Bestimmung der Menschen zurück, die Welt durch ihre Arbeit zu entwickeln, und insofern sie dies unterließen, entzögen sie sich ihres Auftrages. Nach Raschi wäre also dem Noachiten die Schabbatruhe auch dann verboten, wenn er sie nicht aus religiösen Gründen einhielte.
 
Trotzalledem ist es dem Menschen erlaubt zu ruhen, wenn er der Ruhe bedarf und einen Ruhetag einzuhalten – allerdings nicht als eine religiöse Einrichtung.
 
Davon abgesehen ziemt es dem Menschen durchaus, eine Art Schabbat zu fühlen und zu erleben; er kann diesen Tag gestalten als Tag des Studiums oder der Ruhe im Schoße der Natur, um die Kreatur zu betrachten und an den Schöpfer der Welt zu denken; dies alles kann er tun, nachdem er irgendeine Art von „Arbeit“ verrichtet hat, wie das Frühstück zu bereiten oder Licht anzuzünden – er muss einfach klar zum Ausdruck bringen, dass er sich nicht der Arbeiten enthält, die das Religionsgesetz Israels für den Schabbat untersagt.
 
Erich Fromm drang tief ein in das Verständnis des Schabbat. Für ihn symbolisiert der Schabbat einen vollkommenen, harmonischen Zustand zwischen Mensch und Natur und zwischen Mensch und Mensch. Die Nicht-Arbeit bedeute den Verzicht auf jeglichen Eingriff in den natürlichen und sozialen Verlauf der Dinge; wenn auch nur für einen Tag befreie sich der Mensch von den Verkettungen mit der Natur und von den Fesseln der Zeit.
 
Die volle Bedeutung dieses Gedankens wird verständlich im Zusammenhang mit der biblischen Auffassung von Mensch und Natur. Vor dem Fall lebte der erste Mensch in vollendeter Harmonie mit der Natur. Der erste Ungehorsam „öffnete ihm die Augen“, so dass er zwischen gut und böse zu unterscheiden wusste, sich seiner selbst und seines Mitmenschen bewusst wurde, dem er ähnlich ist und von dem er sich doch durch die jedem Menschen aufgeprägte Eigenart unterscheidet; ihm ist er verbunden durch die Bande der Liebe und bleibt doch allein; hier nahm die menschliche Geschichte ihren Anfang – unter dem Fluch Gottes wegen des Ungehorsams seiner Menschen. Und worin bestand der Fluch? Feindschaft und Kampf wurden ausgerufen zwischen Menschen und Tieren: „Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir (Schlange) und dem Weibe und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen“ (1. Mose 3, 15), Feindschaft zwischen Mensch und Erde: „Verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln  soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist“ (1. Mose 3, 17 – 19), Feindschaft zwischen Mann und Frau: „Und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, er aber soll dein Herr sein“ (Vers 16 b), Feindschaft zwischen der Frau und ihren natürlichen Aufgaben: „Unter Mühen sollst du Kinder gebären“ (Vers 16 a). Die ursprüngliche Harmonie verwandelte sich durch diesen einseitigen Vertrauensbruch in Gegnerschaft und Kampf.
 
Was aber ist – in den Augen der Propheten – seitdem das Ziel des Menschen? Umzukehren und in Harmonie zu leben mit dem Nächsten, mit der belebten Welt, mit der Erde und mit der unbelebten Natur. Die neue Harmonie ist anders als die im Garten Eden, der Mensch muss sie erst gewinnen durch die Entwicklung seiner eigenen Persönlichkeit, dadurch dass er recht lebt, die Wahrheit erkennt und Gerechtigkeit übt. Er wird die Harmonie erlangen, wenn er die Kräfte seiner Vernunft auf den Punkt ausrichtet, der ihn befreit von der Knechtschaft durch andere Menschen und von der Unterjochung durch unvernünftige Begierden. Die Ausblicke der Propheten zeichnen immer wieder diesen Gedanken: Die Erde wird wieder voll ihrer Früchte sein ohne Ende, Schwerter werden zu Pflugschafen, Wolf und Lamm werden miteinander in Frieden wohnen, Krieg wird nicht mehr sein, die Frauen werden ohne Schmerzen Kinder gebären, die ganze Menschheit wird sich um Wahrheit und Liebe vereinen.
 
Diese erneuerte Harmonie ist die Vollkommenheit, die das Ziel der menschlichen Geschichte ausmacht und in der Gestalt des Messias ihr Symbol findet.
 
Von dieser Grundlage her können wir erst die volle Bedeutung des Schabbat und seiner Regeln verstehen. Erst so wird verständlich, warum jemand, der den Schabbat hält, das Verbot beachtet, nichts von irgendeiner Pflanze abzureißen oder auch nur ein Taschentuch von einem Grundstück zu einem anderen zu tragen, auch wenn dies von der Schwere der Arbeit her überhaupt nicht ins Gewicht fallen mag.
 
Es ist den Noachiten nicht auferlegt, den Schabbat so zu halten wie die Israeliten; dennoch ist es durchaus erlaubt und angemessen, die Idee des Schabbat in erzieherischer Hinsicht aufzunehmen, wie wir oben ausgeführt haben.
 
Der Schabbat ist ein Vorbot der messianischen Zeit; die Zeit des Messias wird als „Tag“ bezeichnet, der ganz und gar Schabbat ist.
 
Der Schabbat ist eine Besonderheit des Volkes Israel. Wie wir sehen, begannen die Christen mit dem Schabbat und gingen dann zum Sonntag über; ebenso begannen die Moslems mit dem Schabbat und gingen dann zum Freitag über – einzig Israel hielt am Schabbat fest. So formulierten die Weisen bereits vor 2300 Jahren im Morgengebet am Schabbat: „und nicht gabst du ihn (den Schabbat) den Weltvölkern, du unser Gott, und nicht hast du ihn den Götzendienern anvertraut, du unser König, sondern deinem Volk Israel hast du ihn aus Liebe geschenkt.“
 
Nichtsdestoweniger kann sich hier jeder Mensch anschließen, ja es gibt sogar die Meinung, dass jeder Noachit, der als befreundeter Beisasse (hebr.: ger toschav – der Noachit, der die sieben Gebote hält, gilt als ger toschav; der Proselyt gilt als ger zedek und wird als Jude im Vollsinn anerkannt) betrachtet wird, insoweit auf die Schabbatruhe verpflichtet sei, dass er keine unnötige Feldarbeit verrichte (Raschi zu Bab.Tal. Jevamoth 48). Es gibt auch Lehrauffassungen, die dem Noachiten jegliche Arbeit am Schabbat untersagen, ausgenommen diejenigen, die den Israeliten an Feiertagen erlaubt sind (Bab.Tal. Kerethoth 9 a), wie etwa zu kochen oder Licht anzuzünden.
 
Der Schabbat spielt eine zentrale Rolle in dem Glauben, dass Gott die Welt geschaffen und am siebten Tag geruht hat; zu diesem Glauben gehört das Halten des Schabbat. Und wie ein Noachite an Gott glauben soll, so sollte er auch den Schabbat bewahren, der eine Grundlage des Glaubens bildet.
 
In der Auslegung durch Rabbiner Samson Raphael Hirsch gibt die Schabbatruhe Zeugnis ab vom Werk des Schöpfers:
 
„So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer“ (1. Mose 2, 1). Sie wurden vollendet. Sie sind nicht nur entstanden in der Zeit, – das Kleinste und das Größte, das Einzelne wie das Ganze ist der Ausdruck, die Verwirklichung eines Gedankens Dessen, der nicht geruht, bis er seinen Gedanken ausgeführt, bis er seinen Gedanken vollendet. Die Vollendung seines Gedankens steht vor dir, und Ihn, den Denkenden, der den Gedanken dieser Welt so voll von Gegensätzen und Harmonie, so voller Zwietracht und voller Frieden, voller Hass und voller Liebe, Ihn, der den Gedanken dieser so kämpfenden und doch so einheitlichen Welt gedacht und vollbracht, Ihn weist dir der Schabbat.“ (Samson Raphael Hirsch, Gesammelte Schriften, Bd. 1, Frankfurt 1902, S. 175)

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