Keine Anklage

Wenn wir über Rosch Haschana lernen, stoßen wir auf mehrere Vorschriften mit demselben, seltsamen Grund: „um den Teufel zu verwirren“.

2 Min.

Rabbiner Benjamin Sufiev

gepostet auf 05.04.21

Wenn wir über Rosch Haschana lernen, stoßen wir auf mehrere Vorschriften mit demselben, seltsamen Grund: „um den Teufel zu verwirren“.

Zum Beispiel: Wir erwähnen im Gebet nicht, dass Rosch Haschana auch Rosch Chodesch (Monatsbeginn) ist; wir segnen nicht den Monat der Hohen Feiertage – Tischrej – am davor liegenden Schabbat; wie blasen nicht ins Schofar am Vorabend von Rosch Haschana. Auch das Schofarblasen im ganzen Monat Elul dient demselben Zweck: „damit der Teufel nicht wisse an welchem Tag genau Rosch Haschana fällt“.
 
Tiefer betrachtet klingt aber diese Begründung sehr eigenartig. Wir nen- nen ihn zwar „Teufel“, aber immerhin ist er ein Engel, vor dem wir Menschen nichts verbergen können.

Ob Taten, wie diese einen Engel ver- wirren könnten, wo doch ihre Hinterlist allen bekannt ist und sie jährlich wiederholt werden? Selbstverständlich nicht!
 
Den Schlüssel zur Antwort auf diese kuriose Begründung – „um den Teufel zu verwirren“ – finden wir im Talmud bezüglich dem Schofarblasen zu Rosch Haschana selbst. Dort heißt es: „Rabbi Itzchak sprach: „Aus welchem Grund bläst man in das Schofar, wenn man sitzt? Aus welchem Grund, wenn man steht? (Laut der Halacha darf man bei der ersten Staffel der Schofartöne sitzen, während man bei der zweiten Staffel während dem Mussafgebet stehen muss.) Um den Teufel irre zu führen!“ Raschi erklärt dazu: „Der Teufel erkennt, wie sehr die Juden an die Gebote G´ttes hängen, dass sie sie sowohl im Sitzen als auch im Stehen erfüllen, bis er die Juden einfach nicht mehr anklagen kann.“
 
 

Verstummt
 
„Um den Teufel zu verwirren“ also bedeutet nicht, dass dieser etwa so naiv sei, unserer Hinterlist wegen, nicht mehr zu wissen, auf welchen Tag genau Rosch Haschana fällt; sondern unser Wohlwollen an den Geboten lassen ihn einfach verstummen, bis er nichts mehr gegen uns in der Hand hat.                        
 
Dieser Erklärung zufolge können wir nun auch die anderen Vorschriften verstehen, durch die „der Teufel ver- wirrt werden soll“. Durch das Schofar- blasen im ganzen Monat Elul erkennt der Teufel, wie sehr die Juden an ihren Bräuchen hängen und die Tschuwatöne die Juden aufrütteln, sodass sie sich noch vor dem großen Tag des Gerichts ihres Sieges sicher sind. Er kann sie für nichts mehr beschuldigen, da sie Tschuwa tun, und verstummt.
 
Deshalb blasen wir auch am Vorabend von Rosch Haschana nicht in das Schofar, um auszudrücken und aller Welt zu verkünden, dass die Juden tatsächlich noch vor dem Gerichtstag Tschuwa getan und an der erweckenden Wirkung des Schofars keinen Bedarf mehr haben. Der Teufel, diese stählerne Sicherheit der Juden an ihren Sieg erblickend, kann wiederum nur eines tun: verstummen!
 

 

Lass dich aufrütteln
 
Anderseits aber verzichten wir beim Nichtblasen des Schofars am Vorabend des Rosch Haschana, wie auch bei der Nichtsegnung des Monats Tischrej am Schabbat davor, auf wichtige Privilegien, die uns beim Tag des Gerichts doch gutgeschrieben würden! Ist es denn wirklich wert so wichtige Privilegien aufzugeben; nur um den Teufel zu verwirren?
 
Tatsächlich lässt uns gerade dieses Paradox erkennen, wie viel Kraft der Teufel gegen uns hat, bis wir sogar auf so wichtige Privilegien verzichten müssen, um dessen Anklage von uns abzuwenden. Und diese beängstigende Erkenntnis reicht bereits aus uns zur Tschuwa aufzurütteln!
 
Und bereits unser Erwachen in Tschuwa, erweckt Erbarmen in den himmlischen Höhen über das jüdische Volk, und bringt uns allen ein gutes und gesegnetes Jahr!

 

כתיבה וחתימה טובה!
 
„Wie kann man den Teufel verwirren – nicht durch Tücke und Hinterlist sondern durch das Sammeln von Privilegien!“
 
(Aus den Lehren des Lubawitscher Rebben;
Likutej Sichot, T. 4, S. 222)

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