SCHWEIGEN ist Gold

SCHWEIGEN ist manchmal tatsächlich Gold wert. Lernen tun wir das im Wochenabschnitt „Bo“, den dort steht ein sehr merkwürdiger Vers ...

3 Min.

Rabbiner Elischa M. Portnoy

gepostet auf 17.03.21

SCHWEIGEN ist manchmal tatsächlich Gold wert

 

Im Wochenabschnitt „Bo“ steht ein merkwürdiger Vers (11:7): "Aber bei allen Kindern Israel soll kein Hund die Zunge regen, weder gegen Menschen noch gegen das Vieh, auf dass ihr erfahret, was der G'tt für einen Unterschied macht zwischen Ägypten und Israel."

 

Mosche Rabejnu erklärt Pharao die letzte Plage "Tod von Erstgeborenen" und erwähnt am Ende, dass beim Auszug der Juden aus Ägypten sogar die Hunde schweigen werden (was beim damaligen Riesenchaos ein großer Wunder war).

Unsere Weisen haben viel zum Sinn dieses Unterschiedes geschrieben, jedoch ist hier ein anderer Aspekt interessant: die Hunde sollten für ihr Schweigen noch belohnt werden! So befehlt die Tora den tref gewordenen Fleisch nicht wegschmeißen, sondern Hunden zu geben.

 

Unsere Weisen haben auch mehrmals in Talmud das Schweigen gelobt, jedoch gibt es dazu noch eine sehr spannende Geschichte:

 

Mitte des 18. Jahrhunderts war der Rabbiner der Frankfurter Gemeinde geschätzter Talmid Chacham Rabbi Abraham Abusch ben Zvi Hirsch aus Lissau, der auch Frankfurter Rov genannt wurde. 

 

Im Jahre 1766 kam es im Westdeutschland zum großen Machlokes (Meinungsverschiedenheit, große Diskussion) bzgl. so genanntem Cleves Get. 

In diesen Machlokes waren alle große europäische Rabbonim dieser Zeit involviert: R. Saul b. Aryeh Leib Loewenstamm von Amsterdam, R. Jacob Emden, R. Ezekiel Landau aus Prag, R. Isaac Horowitz aus Hamburg, R. David Fränkel aus Dessau, R. Aryeh aus Metz, R. Elhanan aus Danzig, R. Solomon b. Moses von Helm und viele andere.

 

Und es ist so gekommen, dass fast alle Rabbonim gegen die Entscheidung des Frankfurter Beis Din unter der Leiter von Frankfurter Rov ausgesprochen haben. Die Diskussion war sehr heftig und Frankfurter Rov hat deswegen sehr gelitten. Zwei Jahre später wurde er am 11.Tischrei 1768 Niftar.

Die Frankfurter Gemeinde begann mit der Suche nach einem passenden Nachfolger. Doch es war sehr problematisch: 

die Frankfurter Gemeinde war groß und bedeutend und konnte keinen "namenlosen" Rabbiner einstellen. Anderseits konnte die Gemeinde keinen namhaften Rabbiner verpflichten, denn haben alle große Rabbonim beim Machlokes gegen den Frankfurter Rov ausgesprochen. Und es wäre nicht angebracht einen seinen Gegner als Nachfolger zu bringen.

 

Die Suche dauerte fast drei Jahre bis einen geschätzten Rabbiner gefunden wurde: das war Rabbi Pinchas Ben Zwi Hirsch haLevi Horowitz. Er war bis damaligen Zeitpunkt der Gemeinderabbiner in einem polnischen Kleinstadt Lachowicze. 

Und wenn er auch einen Nachteil hatte (er war Befürworter der chassidischen Bewegung von Baal Schem Tov (u.a. befreundet mit dem Gründer der Chabad Rabbi Schneur Zalman)), hatte er einen großen Vorteil: er war ein großer und geschätzter Rabbiner, und der EINZIGER, der NICHTS zum berühmten Machlokes geschrieben hat! 

Dieser Vorteil war so wesentlich, dass ihm sogar erlaubt wurde in privatem Minjan nach sefardischem Nusach zu beten, obwohl die Frankfurter Gemeinde bekanntlich aschkenasischem Ritus folgte!

Also, im Jahre 1771 wurde er zum Gemeinderabbiner in Frankfurt ernannt, wo er bis seinem Ableben im Jahre 1805 amtierte.

 

Als Rabbi Horowitz (der Verfasser von berühmten "Sefer haFla'ah") einmal gefragt wurde, wie kam es, dass er bzgl. bekanntes Machlokes keine seine Meinung dazu veröffentliche, erzählte er folgende Geschichte:

er wollte eigentlich auch dazu seine Meinung schreiben, und er hielt auch nicht wie der Frankwurter Rov. 

Er nahm sich Zeit und hat einen langen Brief mit vielen Argumenten diesbezüglich geschrieben. Er ließ die Tinte abzutrocknen und ging in ein anderes Zimmer. Als er zurückkam, sah er, dass wegen des Windes der Tintenbehälter umkippte und sein Brief durch die Tinte zerstört wurde. 

Und hat sich ein wenig überlegt und kam zum Schluss, dass es von Himmel so gewollt ist, dass er diesen Brief nicht schreibt und seine Meinung für sich behält. 

Und, wie es herausstellte, dank diesem Vorfall hatte er eine bedeutende Stelle bekommen und wurde dadurch als Baal haFla'ah berühmt.

 

Daraus können wir auch für uns was lernen: manchmal treffen wir in sozialen Netzwerken Menschen, die falsch liegen. Und wir fühlen uns verpflichtet diesen Menschen zu helfen, ihre fehlerbehaftete Weltanschauung zu korrigieren. 

Und wenn man einen wichtigen, stimmungsvollen und feurigen Kommentar verfasst hat und dieser Kommentar zufällig und unabsichtlich gelöst wurde, dann lohnt es sich zu überlegen, ob dieser Kommentar tatsächlich noch nötig ist… 

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