Ijar

Der Monat Ijar ist der einzige Monat ohne ein Fest, das von G’tt befohlen wurde. Andererseits gibt es ein Fest, das auf der Eigeninitiative des jüdischen Volkes basiert.

2 Min.

Rabbiner Yaacov Zinvirt

gepostet auf 04.04.21

Der Monat Ijar ist der einzige Monat ohne ein Fest, das von G’tt befohlen wurde. Andererseits gibt es in diesem Monat ein Fest, das auf der Eigeninitiative des jüdischen Volkes basiert: Pessach Scheni, das zweite Pessach. Es beginnt am 14. Ijar und war ein Ersatz für diejenigen, die das eigentliche Pessach nicht feiern konnten.

 

Dazu lesen wir im 4. Buch Mose 9, 6–7: »Es waren aber Männer da, die durch eine Leiche unrein geworden waren und an jenem Tag das Pessachopfer nicht darbringen konnten. Sie traten an jenem Tag vor Mosche und Aharon und sprachen: Wir sind durch eine Leiche unrein geworden, warum sollen wir zu kurz kommen und das Opfer des Ewigen nicht mit den übrigen Kindern Israels zur Zeit darbringen?«

 

STERNZEICHEN

 

Im Sohar lernen wir, dass Nissan, der erste Monat im jüdischen Kalenderjahr, für Reuven und das Sternzeichen Widder steht. Der zweite Monat, Ijar, steht im Zeichen des Stiers und symbolisiert Schimon. Das Wort Reuven ist von dem hebräischen Wort Re’ija abgeleitet und bedeutet »sehen«. Schimon kommt von dem Wort Schmi’a – auf Deutsch: »hören«.

 

Das Sehen steht in Verbindung mit der Wirklichkeit. Was man sieht, nimmt man wahr, es existiert und wird oft leichter akzeptiert. Es folgen kaum tiefgründige Fragen, man bleibt oberflächlich. Beim Hören ist es umgekehrt. Es ist mit Zweifeln verbunden. Wenn man etwas gehört hat, ist man sich nicht sicher, ob es stimmt, man fühlt sich gezwungen, es zu hinterfragen.

 

Genau hier liegt der Unterschied zwischen Nissan und Ijar. Im Nissan offenbarte sich G’tt in seiner wahrhaftigen Art und Weise. Das Erfassen G’ttes war deshalb nicht besonders tiefgründig. Im Ijar ging das Niveau des Glaubens der Kinder Israels in ein anderes über. Es war von der Eigeninitiative der Menschen bestimmt.

 

Wie im 4. Buch Mose 9, 6–7 betrachtet, mussten sich Unreine entfernen und konnten nicht an Pessach teilnehmen. Doch dann wurden sie aktiv, gingen zu Mosche und wollten von ihm den Rat, wie sie sich G’tt nähern könnten. Dies fand im Ijar statt. Der Widder (Nissan) braucht einen Hirten, er muss geleitet werden. Der Stier (Ijar) aber kann aus eigenen Kräften heraus agieren, so wie die unreinen Männer.

 

ENTWICKLUNG

 

Nach dem Monat Nissan, der für Passivität und die Leitung des Volkes unter G’ttes Hand steht, sehen wir einen Fortschritt, eine Entwicklung zur eigenen Entschluss- und Tatkraft. Genau dafür steht Pessach Scheni.

 

Im 2. Buch Mose 17,8 lesen wir: »Da sprach Mosche zu Joschua: Nimm eine erlesene Mannschaft und ziehe aus, kämpfe gegen Amalek!« Aus diesem Zitat entnehmen wir den Aufruf zum Krieg mit Amalek im Monat Ijar. Wir unterstreichen hier nochmals die Einstellung des Volkes Israel. Selbstverständlich soll gebetet werden, aber das Volk muss sich auch aktiv in einem Krieg zur Wehr setzen und selbst die Initiative ergreifen.

 

Auch in jüngerer Zeit kam diese Idee zum Ausdruck, zum Beispiel mit der Gründung des Staates Israel im Monat Ijar. Sie musste erkämpft werden. Von jedem wurden Initiative und Tatkraft gefordert, natürlich unter G’ttes Schutz. Der Ijar lehrt uns, dass wir mit dem Gebet, aber auch durch aktives Agieren zur Vollkommenheit gelangen.

 

Der Autor ist Der Autor ist Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Duisburg – Mülheim – Oberhausen  und Mitglied der ORD. Dieser Artikel erschien auch in: Jüdische Allgemeine Wochenzeitung.  

 

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