Der freie Wille von Pharao

Wie konnte Pharao diese alle Plagen durchhalten? Schon nach 5. Plage war das Chaos im Land perfekt. Gleichzeitig war es nicht zu übersehen, dass es den Juden bestens geht.

3 Min.

Rabbiner Elischa M. Portnoy

gepostet auf 04.04.21

In Wochenabschnitt "Vajera" und im Wochenabschnitt "Bo" lesen wir über die zehn Plagen, die G'tt über Ägypten gebracht hat.

 

Und je mehr wir davon lesen, desto mehr stauen wir: wie kann das sein? Wie konnte Pharao diese alle Plagen durchhalten? Schon nach 5.Plage war das Chaos im Land perfekt. Gleichzeitig war es nicht zu übersehen, dass es den Juden im Land Goschen bestens geht. 

Hätte nicht jeder Herrscher sich Gedanken gemacht, ob es wohl klüger wäre, doch nachzugeben? Sogar die ägyptische Zauber haben eingestanden, dass es die höhere Macht gegen sie kämpft! Sogar die Diener von Pharao hatten ihren Mut gefasst und ihn darauf hingewiesen, dass Ägypten untergeht (10:7)!

Wie hat es also Pharao geschafft?

 

Die Antwort darauf finden wir im Vers 7:3 "Aber ich will das Herz des Pharao verhärten, dass ich viele meiner Zeichen und Wunder tue im Ägypten".

Heißt das, dass Pharao nicht anders konnte? Dass er gezwungen war, alle diese Plagen durch zu machen?

 

Das bringt wiederum neue wichtige Fragen: was ist mit Freiem Wille? Wir glauben doch, dass alle Menschen freien Wille haben. Und wenn Pharao keinen Freien Wille hatte, warum nennen wir ihn Bösewicht und aus welchem Grund sollte er bestraft werden?

Und was ist mit "einfachen" Ägypten? Warum sollten sie wegen seines glücklosen Herrschers leiden?

 

Unsere Weisen haben sich mit diesen Fragen auseinander gesetzt.

 

Hier ist kleine Liste von verschiedenen Meinungen:

 

Raschi (zu 7:3): "weil er (Pharao) gegen mich gefrevelt und gegen mich rebelliert hat"… dennoch aber heißt es bei den ersten fünf Plagen nicht, der Ewige machte das Herz von Pharao fest, sondern, dass Herz von Pharao blieb fest.

(Also, Raschi meint, dass bei den ersten fünf Plagen Pharao blieb von selbst hartnäckig und erst ab der 6.Plage wurde ihm "nachgeholfen". Und das geschah werden seinen vorigen Sünden).

 

Gur Arie (Maharal aus Prag): Pharao wurde "Mida keneg Mida" (Maß für Maß) bestraft: die Verhärtung seines Herzens vom G'tt bei den letzten fünf Plagen war die Strafe für die eigene Widerspenstigkeit von Pharao bei den ersten fünf.

 

Nachalas Jakob (Rabbi Jakob Yekl Solnik, Krakow): G'tt hat das Herz von Pharao alle zehn mal verhärtet. Nur, dass die ersten fünf Mal war das indirekt: Pharao konnte für die ersten fünf Plagen noch "logische" Erklärungen für die Plagen finden und das hat seine Entscheidungen beeinflusst. Bei den fünf letzten Plagen war der G'tt schon direkt im Spiel.

(So versteht Nachalas Jakob o.g. Raschi).

 

Ramban (Nachmanides): G'tt hat das Herz vom Pharao für seine Sünden verhärtet. Allerdings es ist unklar zu welchem Zeitpunkt:

a) wenn von Anfang an (vor der 1.Plage), dann war das die Strafe für das Versklaven von Juden
b) wenn ab der 5.Plage, dann war das die Strafe für die Weigerung das jüdische Volk ziehen zu lassen.

 

Rambam (Maimonides): Pharao wurde mit dem Entziehen von freiem Wille für die Unterdrückung des jüd. Volkes bestraft.

Aber wenn G'tt selber das Versklaven vorbestimmt hat (Berejschit 15:13), warum wurde die Ägypter dafür bestraft, sie haben doch nur die Verfügung vom G'tt ausgeführt! Jedoch war das Versklaven auf die ganze Nation auferlegt. Aber jeder einzelne Ägypter hatte freie Wahl daran teilzunehmen oder nicht.

 

Ljubawitscher Rebbe macht folgendes Fazit:

Auch wenn es vorbestimmt war, dass die Juden versklavt werden müssen, war es jedem einzelnen Ägypter überlassen, ob sie bei der Unterdrückung mitmachen oder nicht. Und jeder Ägypter wurde für seinen "Teil" der Unterdrückung bestraft, deshalb war ihr Leiden wegen der Sturheit von Pharao nicht "umsonst".

 

Und wenn wir glauben, dass so was nur dem Pharao passieren konnte, irren wir uns.

Es passiert oft, dass ein Mensch einen Fehler macht oder eine falsche Entscheidung trifft. Und dann, aus auch immer welchen Gründen, statt den Fehler zuzugeben und zurück zu rudern, beharrt der Mensch darauf und macht alles nur noch schlimmer. Und sogar wenn alle Menschen um ihm auf seinen Fehler hinweisen und sogar wenn er selbst schon versteht, dass es falsch läuft und immer mehr Schaden angerichtet werden, kann er sich nicht mehr bremsen und er läuft wie "verzaubert" in Abgrund. 

Wir müssen uns diese Falle bewusst sein, und immer wieder unsere Taten auf die Richtigkeit prüfen. Und auch bei unseren Nächsten müssen wir aufmerksam sein und wenn wir sehen, dass sie in falscher Bahn sind, dürfen wir ihre Talfahrt nicht gleichgültig von der Seite verfolgen, sondern Mut haben einzuschreiten und den Menschen oder Gesellschaft noch zu retten.

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