Baruch ata Adonai

Diese ersten Worte des Schmone-Esre-Gebetes sind auf den ersten Blick nur sehr schwer zu verstehen.

3 Min.

Rabbiner Uri Scherki

gepostet auf 15.03.21

"Gesegnet seist du, Ewiger, unser G~tt und G~tt unserer Väter, G~tt Awrahams, G~tt Jizchaks und G~tt Jakovs…". Diese ersten Worte des Schmone-Esre-Gebetes sind auf den ersten Blick nur sehr schwer zu verstehen. Wir sagen: "Gesegnet seist du, Ewiger". Wenn wir diese Worte nach ihrer von den meisten Menschen verstandenen Bedeutung nehmen, so kommen sie der Ketzerei nahe, g~ttbehüte. Jemanden "segnen" bedeutet nämlich, ihm etwas zu verschaffen, was ihm fehlt [Kindersegen, 'Sich regen bringt Segen' usw.]. Demnach will die Formel "Gesegnet seist du, Ewiger" dem Anschein nach ausdrücken, daß wir dem Herrn der Welt etwas geben, was ihm fehlt.

 

Vor diesem Irrtum rettet uns Rabbiner Chajim aus Woloschin mit seinem Buch "Nefesch Hachajim" (2. Abschnitt). Dort erklärt er den Unterschied zwischen dem Wort baruch (gesegnet; Attribut) und meworach (gesegnet; Passiv). Nehmen wir zum besseren Verständnis das Wort rachum (barmherzig; Attribut) und merachem (barmherzig sein, sich Jemandes erbarmen). Ein Mensch merachem, d.h. es wird Barmherzigkeit in ihm erweckt, wenn er z.B. Leiden sieht, sein Innenleben ändert sich also aufgrund eines äußeren Anstoßes. Diese Reaktion weist auf eine gewisse Weichheit seiner Seele, was auch Schwäche bedeuten kann, eine gewisse Unterworfenheit unter äußere Einflüsse. Ganz anders rachum, das ist jemand, der auch ganz ohne äußeren Anstoß Barmherzigkeit ausstrahlt. Ebenso ist das Wort baruch zu verstehen, etwa wie "gesegnete Quelle". Nicht daß die Quelle selber Segen erhält, vielmehr spendet sie Segen. Demnach bedeutet "Gesegnet seist du, Ewiger": "du Quelle des Segens". Das Aussprechen des Wortes baruch soll in uns die Erkenntnis entwickeln, daß der Herr der Welt die Quelle alles Segens ist. Wir erwähnen das, um in unserer Seele die Leitungen göttlichen Einflusses zu öffnen.

 

Das zweite Wort, ata, du, ist auch etwas problematisch. Wie kann man sich an den Schöpfer mit einem so einschränkenden Ausdruck wenden?! Wenn wir ata sagen, konzentrieren wir uns auf einen bestimmten Punkt unserer Erkenntnis, derjenige, an den wir uns wenden. Der Herr der Welt aber ist doch unendlich? Wie kann man sich an ihn als etwas Spezifisches wenden, als eine bestimmte Persönlichkeit? Vielmehr müssen wir uns wiederum an den grammatikalischen Ursprung des Wortes ata im Hebräischen wenden. Das Wort ata als Tätigkeitswort, le'atot, bedeutet 'kommen'.

 

Wie der Vers am Ende des Chumasch, im Abschnitt "Wesott habracha": "Der Ewige kam von Sinai… und fuhr einher (ve'ata) aus Myriaden des Heiligtums" (Dt. 33,2). Auch im Aramäischen [der dem Hebräischen sehr verwandten Sprache des babylonischen Talmuds] bedeutet das Verb ata kommen. Wenn wir also zum Herrn der Welt 'ata' sagen, wenden wir uns gar nicht zu ihm hin, sondern bestätigen die Tatsache, daß er zu uns kommt. Demnach bedeutet 'Baruch ata': Die Quelle des Segens, die zu uns kommt. Auch das dritte Wort, adonai, (jud-heh-waw-heh, Wortstamm Hawaja, Sein; dieser Name wurde nur im Tempel und nur an Jom Kippur exakt ausgesprochen), bedarf der Erläuterung. Hat doch G~tt noch viele andere Namen, z.B. Elohim, Schadai, Zewa'ot, Rachum und Chanun.

 

Warum wählten die Weisen der "Großen Versammlung", die Autoren des Schmone-Esre Gebetes, für alle Gebete den Hawaja- Namen, und keinen der vielen anderen? Weil der Hawaja-Name für die Eigenschaft des Erbarmens steht, d.h., der den Gang der Natur ändern kann. Wenn wir vor dem Herrn der Welt zum Gebet erscheinen, möchten wir von ihm, daß er den Lauf der Welt ändert. Wenn wir von ihm erbitten wollten, den Gang der Welt festzuschreiben, würden wir den Namen 'Elohim' benutzen, seine Eigenschaft als Schöpfer der Natur. Wir aber wünschen, daß er unsere Bitten erhört, unsere Kranken heilt, die Gefangenen befreit und die Toten auferstehen läßt. Wir wenden uns also an jemanden, der die normalen Abläufe in der Natur umgehen kann und sich durch die Eigenschaft des Erbarmens über sie erhebt. Damit können wir zusammenfassend sagen: 'Baruch ata a-donai' – die Quelle des Segens kommt zu uns in der Eigenschaft des Erbarmens, er – unser G~tt und der G~tt unserer Väter, G~tt Awrahams, G~tt Jizchaks und G~tt Jakovs.

 

 

Dieser Artikel erschien auf der Seite Kimizion.org. Aus dem Hebräischen übersetzt von Rafael Plaut.

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