Auf ewig jung

Blicke ausschließlich nach vorne! Da dir nur dies in deinem Leben den richtigen Weg aufzeigt ...

8 Min.

Rabbiner Shalom Arush

gepostet auf 15.03.21

„Willst du auf ewig deine Jugendlichkeit bewahren? Wenn ja, weshalb blickst du dann andauernd auf deine Vergangenheit? Weshalb blickst du andauernd nach hinten? Blicke ausschließlich nach vorne! Da dir nur dies in deinem Leben den richtigen Weg aufzeigt.“

 

Die ständige mentale und spirituelle Erneuerung, d.h. der andauernde Wille sich wieder hochzurappeln, sich wieder hochzustemmen und schlichtweg wieder aufstehen zu wollen, ist ein äußerst starker und positiv einflussnehmender Punkt im Leben eines Menschen. Darüber hinaus verkörpert die richtige Wahl eines Menschen, d.h. den niemals endenden Kreislauf des Neuanfangs zu wählen, zugleich den Willen Gottes! Da Gott von jedem von uns möchte, dass wir uns in unserem Leben nach jeder negativen Erfahrung sowohl gedanklich als auch physisch sofort davon abwenden und unmittelbar danach von vorn beginnen, also einen Neuanfang wagen!

 

Doch was genau ist der gedankliche Krieg eines Menschen, den es für ihn zwingend zu bewältigen gilt!? Da man letzten Endes das sagt, was man denkt, und dann auch noch tut, was man sagt. Und wenn man den gedanklichen Krieg verloren hat …

 

Daher stellen wir nun noch einmal die Frage: „Was genau ist der gedankliche Krieg eines Menschen, den es für ihn zwingend zu bewältigen gilt!?“

 

Der Gedankenkonflikt eines Menschen bekommt durch lediglich vier Wörter seine reelle Gestalt: Wem soll ich glauben??? Dies ist die meist gestellte Frage aller Menschen rund um den Globus! „Wem soll ich glauben???“

 

Entweder glaubt man den Worten und hört auf die Stimme des Zaddiks (dem weisen und gerechten Mann), der einem tatsächlich aufzeigt, was Gott von dir erwartet und möchte! Oder man glaubt und hört auf die Stimme des bösen Triebs, dem Satan in einem selbst, der einem ein ums andere Mal nur betrügt und hinters Licht führt! D.h. im Klartext: Wenn ein Mensch nicht daran glaubt, dass er in seinem Leben wieder von vorne beginnen kann, sich im positiven Sinne wieder umdrehen kann usw., dass er also auf die Stimme seines bösen Triebes hört!

 

Was ist der Grund für die häufige Verzweiflung, Trübsal und Traurigkeit vieler Menschen mit der Folge, dass sie wie arme und alte Personen ihr Leben durchschreiten, d.h. also mit einem Minimalwert an Aktivitäten in den Tag hinein leben und dabei auch diese nur lustlos ausführen? Es ist die Tatsache, dass es ihrem bösen Trieb bisweilen gelingt sie davon zu überzeugen, dass es sich bei ihnen bereits seit langem – d.h. seit richtig langem – um einen hoffnungslosen Fall handelt und es ihnen deshalb auch niemals gelingen wird, irgendetwas zu erreichen, zu verändern oder dergleichen usw.

 

Doch der Zaddik spricht wohltuend und immer die Wahrheit sagend auf einen Menschen ein: „Egal, was auch war oder was immer dir auch geschah, lasse deinen Kopf nicht hängen! Wage einen Neuanfang! Und glaube daran, dass Gott von dir erwartet und möchte, dass du diesen Schritt wagst!“

 

Mit anderen Worten ist Gott keineswegs daran interessiert, dass ein Mensch in seinem Geiste alt wird! Im Gegenteil: Er möchte, dass ein Mensch ausschließlich nach vorne blickt, ohne dabei auch nur einen einzigen Moment seines Lebens damit zu vergeuden, der Vergangenheit oder dem Geschehenen hinterher zu jammern oder gar hinterherzulaufen! Denn auf diese Weise bleibt ein Mensch mental, spirituell und sogar körperlich auf ewig jung!!! Jede Person, die diesen Ratschlag beherzigt und in ihr Leben übernimmt, wird äußerst schnell bemerken, wie sich ihr Leben von der jugendlichen Dynamik und der grenzenlosen Freiheit bestimmen lassen wird. Ich lernte in meinem Leben beispielsweise einige Breslever Chassiden kennen, die bei unserer Erstbegegnung das unglaubliche Alter von 80 oder sogar 90 Jahren erreichten. Doch alt fühlen hatte bei ihnen keine Chance!!! Da sie schlichtweg wie junge Menschen aussahen. Ihr Gesichtsausdruck war von der Wachheit geprägt. In ihren Augen ließ sich die kindliche Freude und Verspieltheit erkennen usw. Im Klartext: Sie ließen sich vom Alt- und Trägegefühlen nicht überwältigen, da sie in ihrem gesamten Leben den Willen Gottes ausführten, indem sie immer nur nach vorne blickten und stets einen Neuanfang wagten.

 

Aus dem bisher Gesagten lässt sich eindeutig erkennen, dass sich ein Mensch in einem wahrhaftigen Gedankenkrieg zwischen Gut und Böse befindet. Jeder von uns darf dabei allerdings nicht außer Acht lassen, dass die Hauptwaffe des bösen Triebs rein “psychologischer“ Art ist. D.h., dass er mit seiner psychologischen Kriegsstrategie einem Menschen bei allem, was er tut, bei allem, was ihm widerfährt oder bei allem, was um ihm herum geschieht, das exakte Gegenteil der Wahrheit versucht einzureden.

 

Das Hauptgift, mit dem der böse Trieb den Verstand eines Menschen vergiften möchte, ist die Verzweiflung, Trübsal und Traurigkeit, die allesamt dem Altfühlen gleichen. Weshalb? Da eine traurige oder verzweifelte Person völlig schwach und kraftlos ihren Alltag beschreitet, und dies ist wohl mit Abstand der größte Beweis dafür, dass sie das Altfühlen gepackt hat! Demnach zeichnet der böse Trieb einem Menschen stets ein Bild von einem unlösbaren Problem oder einem nie mehr wieder gutzumachenden Ereignis. Er mahlt dabei alles so sehr schwarz, dass ein Mensch schlichtweg vergisst, was er bis heute alles weiß, kann, erreichte und gelernt hat. D.h. er vergisst, dass er jede Sekunde aufs Neue von vorne beginnen kann und es – solange man lebt – für nichts und niemals zu spät ist. Und dabei vergisst er den wichtigsten Punkt, nämlich dass dieser Anfang von sehr viel Wissen und Erfahrung geprägt sein wird. Deshalb erscheint vieles schlimmer als es in Wirklichkeit ist.

 

An dieser Stelle sollte sich jeder einen kühlen, klaren Kopf verschaffen, indem man sich entscheidet, was man tun will, was man an sich oder an seinem Leben verändern möchte usw. Doch das Wichtigste bei allem ist, nicht zu vergessen, dass man einen Neuanfang nicht nur einmal im Leben wagen kann! Denn ein Neuanfang lässt sich jeden Augenblick bis zur letzten Sekunde des Lebens immer wieder verwirklichen! Wer das Gesagte klar macht und verinnerlicht, wird sich bis zum Ende seines Lebens jung fühlen.

 

Rabbi Nachman aus Breslev erzählte einst, dass er alles in seinem Leben nur erreichen konnte, weil er sich wie blind nach dem Muster dieses Ratschlags verhalten hatte. Sein treuer und ergebener Schüler Rabbi Nathan verewigte dies in seinem Buch Sichot Ha´ran (Seite 6): „Seine Gewohnheit war es, dass er schlichtweg jeden Augenblick aufs Neue begann! D.h., wenn er z.B. von seinem Lebensstandpunkt stürzte, dann verfiel er deswegen nicht der Verzweiflung oder der Traurigkeit. Im Gegenteil, er sagte einfach und aufmunternd zu sich selbst, dass er nun wieder einen Anfang wagen werde und zwar so einen, so als ob er noch niemals einen Schritt auf Gott zuging. Nach diesem Verhaltensmuster verhielt er sich immer wieder. Es kam dabei sogar einige Male vor, dass er an ein und demselben Tag mehrmals von neuem anfing …!“

 

Wenn Rabbi Nachman von sich versicherte, dass er alles in seinem Leben nur aufgrund dieses Ratschlags erreicht hat, und seine Sorgen durch mehrere Neuanfänge an ein und demselben Tag bewältigte, dann müssen wir uns erst recht an dieser Lebensführung orientieren, die zugleich den Willen Gottes widerspiegelt!

 

Und eben dies steht ausdrücklich im fünften Buch Moses (Kapitel 27, Satz 9): „… am heutigen Tage bist du zu dem Volke deines Ewigen Gottes geworden.“ Raschi fügte ergänzend hinzu, dass der Satzteil „am heutigen Tage“ nichts anderes bedeutet, als dass Gott jeden Tag für sich mit jedem Einzelnen seinen Bund schließt – einen Bund, den Rabbi Nachman bezeichnete: „Nein zur Verzweiflung!!!“ Demnach muss ein Mensch – egal was ihm auch zustieß – zu sich sagen: „Ich beginne von dem Moment an von vorne, so als ob ich gerade erst auf die Welt kam, von dem Augenblick an werde ich mich Gott annähern …!“

 

So muss ein Mensch sein Leben leben, so und nicht anders! Denn man stelle sich bitte einmal vor, was geschehen würde, wenn ein Pkw-Fahrer anstatt nach vorne zu blicken, andauernd nur nach hinten blickt! Und sich darüber hinaus noch darauf konzentriert, was früher einmal geschah, anstatt mit seinem Kopf bei der Sache zu sein! Das Ergebnis wäre ein fataler Verkehrsunfall oder sogar ein folgenschweres Verkehrschaos, bei dem die Polizei und die Krankenwagensanitäter einiges an Arbeit hätten. Wenn Sie solch einen Fahrer sehen würden, wäre ihnen mit Sicherheit heiß und bange zumute …

 

Dieses Beispiel eines PKW-Fahrers verkörpert den klassischen Menschen, der in seinem Leben nur nach hinten blickt, sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzt oder ständig einer früher verschütteten Milch hinterher jammert. Auf solch einen Menschen muss man zugehen und ihn fragen: „Weshalb blickst du andauernd nach hinten!? – Blicke nach vorne, denn da spielt die Musik deines Lebens! Wenn du wirklich in deinem Leben etwas bedauerst und wiedergutmachen oder verändern möchtest, dann musst damit aufhören, in deiner Vergangenheit zu graben. Denn es kann dir nur mit einem Gesicht nach vorne gelingen, etwas zu erreichen, zu verbessern oder zu verändern!“ Auch wenn es einem Menschen völlig düster und schwarz erscheint, jede Tat, die er in seinem Leben mit dem Gesicht und der Seele nach vorne geht, bringt etwas Licht in das bisherige Dunkle seines Lebens. Und jedes auch noch so winzige Licht verdrängt eine Menge Dunkelheit!! Darüber hinaus bedeutet dies, dass ein Mensch all das Dunkle, also all sein Böses in sich, durch gute Taten völlig ausmerzen kann. Und auch hierauf wies uns bereits Rabbi Nachman hin: „Blickt nicht auf eure schlechten Seiten. Bemüht euch ausschließlich, Gutes zu tun, denn dadurch fällt das Schlechte und Böse von alleine weg!“

 

Doch dies stellt nun die Frage in den Raum, wann es doch erlaubt ist ,auf seine schlechte Seite zu blicken! Die Antwort darauf ist, die Hitbodedut (Einsamkeitssuche eines Menschen mit Gott), in der man den gesamten gestrigen Tag ab der gestrigen Stunde der Einsamkeitssuche in einem Gespräch mit Gott Revue passieren lässt. Es ist sehr wichtig für die Leser oder Leserinnen, die bisher noch nicht Bekanntschaft mit dem Begriff der täglichen Hitbodedut zwischen sich selbst und Gott machten, diesen Begriff zu erläutern. Man kann diese Stunde an jedem Ort, zu jeder Zeit, in jeder Sprache die man selber beherrscht, mit jeder persönlichen Ausdrucksweise und Formulierung ausführen, und sei diese noch so einfach oder anspruchslos. Wenn ein Mensch Hunger hat, darf er zuvor essen. Wenn man müde ist, kann man sich zuvor Schlafen legen. Wenn ihm warm ist, darf er die Klimaanlage einschalten. Wenn ihm friert, kann er die Heizung aufdrehen. Er kann dabei herumgehen, herumstehen, herumsitzen oder herumliegen. Mit anderen Worten, jeder Mensch kann sich seine Traumbedingungen schaffen, um die Hitbodedut zwischen ihm und Gott mit einen klaren Kopf und in der notwendigen Besinnung zu absolvieren. Hauptsache er schüttet sein Herz vor dem Schöpfer der Welt aus. Ein geeigneter Ort für die Ausführung der Hitbodedut ist ein Ort, wo man alleine ist, wie z.B. ein Wald, in dem man Spazieren gehen kann, oder ein Feld oder schlichtweg ein Zimmer. Aufgrund dieser stillen und besinnlichen Atmosphäre kann ein Mensch sich nun über alle Gegebenheiten und Probleme mit Gott unterhalten, sich mit Ihm über alles beraten, sich bei Ihm entschuldigen usw. Ohne der tagtäglichen Hitbodedut, der Rechenschaftsabgabe vor Gott, an der ein Mensch aufarbeitet, was er von seiner gestrigen Hitbodedut bis zur heutigen alles getan hat, wird es ihm wohl nicht gelingen, das mit Abstand größte und schönste Geschenk, das es auf dieser Welt gibt, in Empfang zu nehmen: Das Wissen, dass alles, was geschieht, immer nur zum Guten ist – so wie es heißt: „Das Wissen eines Menschen, dass alles, was ihm widerfährt, zu seinem Guten ist, dem Zugang zum Paradies gleicht, also dem Garten Eden!“

 

Des Weiteren sagte Rabbi Nachman: „Die Hitbodedut ist das Höchste und Größte, das es auf dieser Welt gibt!“ Demnach muss sich ein Mensch dessen bewusst sein, dass man unmittelbar nach der Beendigung der einstündigen Einsamkeitssuche, also der Hitbodedut, die Gedanken und die Erkennung der eigenen schlechten und bösen Seite wieder vergessen muss. Ich sage den Personen, die mich aufsuchen, immer wieder aufs Neue, dass sie alles Schlechte an sich oder alle ihre begangenen Sünden völlig aus ihrem Gedächtnis streichen müssen, nachdem sie sich bei Gott dafür reuig entschuldigt haben.

 

Zu meinem Bedauern suchen mich ständig Menschen auf, die sich sowohl moralisch als auch mental in einem miserablen Zustand befinden. Sie kommen völlig verzweifelt und traurig, sich also absolut alt fühlend zu mir. Ich mache ihnen deswegen natürlich keine Vorwürfe, allerdings kann ich ihren Gedankengängen nicht wirklich folgen, da es sich bei jedem Menschen in Wirklichkeit um einen jungen Menschen handelt. Das gilt auch für jene, die bereits von den gelebten Jahren her als alt einzustufen sind, da ihre Seele immer frisch und jung ist. Daher frage ich jeden Einzelnen, der mich aufsucht: „Was ist denn passiert? … Glaube mir, es ist alles nur halb so wild, daher wage einen Neuanfang und mach dir keine Sorgen mehr, schließlich hast du ja noch ein langes Leben vor dir … !“ Allerdings hat der böse Trieb manche unter ihnen schon völlig unter seine Kontrolle, und daher sind einige nicht einmal mehr bereit, einen meiner Ratschläge zu folgen. Rabbi Nathan aus Breslev schreibt zu diesem Problem: „Der Großteil der Menschheit fühlt sich alt!“ In der Tat, die meisten von uns bilden sich regelrecht hysterisch ein, dass sie den Höhepunkt ihres Lebens bereits überschritten haben und es nun nicht mehr in ihrer Macht liegt, etwas in ihrem Leben zu verändern oder dergleichen. Doch dies ist völlig falsch und deshalb darf ein Mensch durch diese Denkweisen sein Leben nicht wegwerfen! Du kannst immer jung bleiben, wenn du nur stets nach vorne blickst …

 

 

Auszug aus dem Buch Began Hachochma (Im Garten der Weisheit) von Rabbi Shalom Arush. Der Autor ist Gründer und Leiter des Lehrinstituts „Chut Schel Chesed“ in Jerusalem. Mehr über Rabbiner Shalom Arush erfahren Sie hier.

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