Die Weide
An Hoshana Raba wird die Weide zum Hauptdarsteller!
Die Weide muss einem doch Leid tun. Sie gehört zu den vier Arten, mit denen wir die Mitzva an Succot erfüllen. Aber sie hat weder Geruch wie Etrog und Myrthe, noch bringt sie Früchte wie die Palme Datteln. Die Weide steht für die kleinen, einfachen Leute, die weder viel Torah lernen, noch viele gute Taten tun.
Es gibt eine alte Tradition, die noch vom Berg Sinai zu uns gekommen ist. Am letzten Tag von Succot wird die Weide zum Hauptdarsteller. Als der Tempel stand, nahmen die Priester die Weide und gingen mit ihr um den Altar. Und wir machen heute in den Synagogen das Gleiche. Nachdem wir die Bima mit allen vier Arten umlaufen haben, nehmen wir die Weide allein und umrunden die Bima. Und am Ende der Hoshana schlagen wir mit der Weide auf den Boden. Warum erhält die Weide so viel Aufmerksamkeit? Warum schlagen wir mit der Weide auf den Boden?
Das Shabat-Brechen in Jafo
Am Vorabend von Succot erzählte Rav Kook seinen Schülern folgende Geschichte: In den Jahren 1904-1914 war Rav Kook der Rabbiner von Jafo. Eines Shabats kam ein Fotograf, der von Torah und Mitzvot weit weg war. Ohne Rücksicht auf die Gefühle der religiösen Einwohner stellte er seine große Kamera mitten auf der Straße auf und fing an, zu fotografieren. Die Einwohner waren entsetzt und wütend. Einer nahm einen Eimer Wasser und schüttete ihn über den Fotografen. Nun war dieser wütend und beschwerte sich beim Rabbiner der Stadt.
"Ich sehe, dass du nicht die Geringste Ahnung davon hast, was es heißt, Shabat zu brechen, und noch in der Öffentlichkeit", sagte ihm Rav Kook. "Aber du musst verstehen, dass du die Einwohner sehr verletzt hast. Du bist in ein Viertel gegangen, in dem Menschen leben, die Shabat halten, und hast mitten auf der Straße den Shabat gebrochen. Das hat die Einwohner sehr verletzt, das bricht ihnen das Herz. Du hast Recht, man hätte mit dir Reden müssen. Vielleicht hättest du deinen Fehler eingesehen und aufgehört. Wenn der Wasser-Schütter mich vorher gefragt hätte, hätte ich ihm nicht gestattet, dich zu übergießen. Aber er hat nicht gefragt, sondern aus einem Instikt heraus gehandelt.
"Aber du musst wissen, dass so spontanes Handeln, auch wenn es von den üblichen Normen der Höflichkeit abweicht, manchmal berechtigt ist. So einen Fall haben wir auch gesehen, als Am Israel mit den Midianiterinnen sündigte. (BeMidbar 25) Pinchas Reaktion, Simri und die Midianiterin einfach zu töten, war nicht korrekt nach der Halacha oder nach dem üblichen gesellschaftlichen Verhalten. Aber nachdem er getan hat, was er getan hat, und so schlimmere Folgen verhindert hat, war diese Tat für ihn ein Verdienst."
Die Weide und die Boethusianer
Und was hat das mit der Weide zu tun? Rav Kook fährt fort: "Die Weide steht für schlichte Menschen, die nicht Torah lernen und auch nicht voller guter Taten sind. Aber sie haben eine schlichte Logik, die in der Geschichte des Volkes Israel einen wichtigen Platz einnimmt.
In der Zeit des Talmud gab es eine Sekte namens Beitosim. Sie akzptierten viele halachische Entscheidungen nicht, zum Beispiel, an einem Shabat die Weide um den Altar zu tragen. Eines Jahres, als der letzte Tag von Succot auf Shabat fiel, legten sie die Weiden unter Steine, weil man am Shabat Steine nicht würde weg schieben können, weil sie Mukze waren. Am Shabat Morgen kamen einige schlichte Juden zum Tempel, die sich in den genauen Vorschriften zum Shabat und Mukze am Shabat nicht auskannten. Als sie die Weiden unter den Steinen sahen, holten sie sie einfach heraus, ohne darüber nachzudenken. Und so konnten die Weiden um den Altar getragen werden wie jedes Jahr.
Der Talmud preist diese einfachen Juden. Die Rabbiner und Priester waren von den Beitosim in eine schwierige Situation gebracht wurden. Wenn sie die Weiden liesen, wo sie waren, hätte die Sekte gewonnen, und am Shabat wären die Weiden nicht um den Altar getragen worden. Wenn sie die Weiden herausholten, brachen sie das Mukze-Verbot von Shabat. Aber zu diesem Dilemma kam es nie, weil ein paar einfache Juden einfach taten, was ihnen richtig erschien.
Wir schlagen den Boden nicht mit der Weide, um sie zu bestrafen. Sondern um zu zeigen, dass die Weide, die schlichten Juden, ein grundlegender, wichtiger Teil des Volkes sind. Wir schlagen nicht die Weide, wir schlagen unsere Gegner mit der Weide.
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