Rosh Hashana
Am 25. Elul feierten wir den Jahrestag der Welterschaffung, wohingegen Rosh HaShana, der erste Tishrei, die Erschaffung von Adam und Chava (Eva) repräsentiert.
Rosh HaShana, das jüdische Neujahrsfest, beinhaltet soviel mehr als nur den weiteren Beginn eines neuen Jahres im jüdischen Kalender.
Am 25. Elul feierten wir den Jahrestag der Welterschaffung, wohingegen Rosh HaShana, der erste Tishrei, die Erschaffung von Adam und Chava (Eva) repräsentiert. Beide wurden am sechsten Tag (folglich an Rosh HaShana) erschaffen (siehe Talmud Rosh HaShana 8a, RIF, Tosafot, Maharsha, Sefat Emet).
Nun stellt sich automatisch die berechtigte Frage, warum wir das Neujahrsfest nicht am Tage der Welterschaffung, sondern am Tage der Erschaffung von Adam und Chava begehen ?
Weil die Welt erst mit der Erschaffung der Menschheit ihren eigentlichen Sinn und ihre Perfektion erreichte. Der Mensch ist die Krönung des Erschaffungsprozesses, denn nur er ist in der Lage, Gott zum König zu krönen und Seine Mitzwot (Gesetze) auszuführen (Talmud Rosh HaShana 8a, Shaarei HaMoadim von Chabad). Gleich zu Beginn des Talmud Traktates Rosh HaShana gibt es eine Diskussion darüber, ob die Welt am 1. des Monats Nissan (ca. April) oder am 1. Tishrei erschaffen wurde. Der Thorakommentator Ohr Chaim schrieb, wie ich finde, den besten Kommentar zu diesem Streitpunkt. Er kommentiert, dass Gott am 1. Nissan an die Erschaffung der Welt dachte und die tatsächliche Aktion, sprich die Erschaffung selbst, erst am 1. Tischrei vornahm. Die Mishna im Talmud Rosh HaShana 16a lehrt uns, dass Gott an Rosh HaShana die Menschheit richtet. Zu Beginn des Morgengebetes Shacharit am ersten und zweiten Feiertag beten wir das Gebet "HaMelech – Der König". Gott sitzt auf Seinem Thron und richtet uns und gleichzeitig krönen wir Ihn zum König, denn Er allein hat die Welt und uns erschaffen.
Wie sitzt Gott und richtet?
Das Sitzen ist an dieser Stelle metaphorisch gemeint und heißt, "er beugt sich zu uns hinab". Er ist uns näher als sonst. Außerdem lässt uns der Talmud Rosh HaShana wissen, dass Gott, wieder metaphorisch betrachtet, drei Bücher vor Sich liegen hat (Rosh HaShana 16b). In das Erste trägt Er jene Menschen ein, welche kaum Vergehen begangen haben und deshalb sofort in das Buch des Lebens für das kommende Jahr eingeschrieben werden können. Das zweite Buch ist für jene Sünder, die im Buch des Lebens aufgrund ihrer Vergehen keinen Platz mehr haben und das dritte Buch ist für all jene, die irgendwo dazwischen liegen. Allgemein wird angenommen, dass Letzteres auf uns zutrifft.
Laut jüdischer Tradition richtet Gott an Rosh HaShana die gesamte Welt sowie die ganze Menschheit. Egal, ob Jude oder Nichtjude. Bei Juden allerdings zieht sich der Urteilsprozeß bis zum Yom Kippur, zehn Tage nach Rosh HaShana, hin. Erst dann gibt es ein endgültiges Urteil (Talmud Rosh HaShana 16a). Einigen chassidischen Kommentatoren zufolge wird das endgültige Gottesurteil erst zu Chanukkah gesprochen.
Rosh HaShana wird ausserdem Yom HaDin (Judgment Day), Yom HaZikaron (Day of Remembrance) sowie Yom Teruah (Day of Sounding) genannt. Die Bezeichnung Rosh HaShana finden wir nicht in der Thora, denn dort heißt es vielmehr, dass wir am ersten Tag im siebten Monat einen "Day of Sounding" haben sollen. Der Talmud Traktat Rosh HaShana gibt schriftliche Beispiele, woran wir erkennen, dass jener Tag "Judgment Day" ist.
Nun könnte man meinen, dass das Neujahrsfest ein extrem ernster Feiertag ist und wir unser Büssergewand anziehen müssen. Teilweise stimmt dies, doch ist Rosh HaShana auch vor allem ein fröhlicher Festtag, was viele Leute vergessen. Unter anderem sollen wir festliches Essen servieren und uns freuen.
Aber der 1. Tischrei (Mittwoch abend, donnerstag) repräsentiert nicht nur die Erschaffung der Menschheit, sondern auch unsere Vorväter Avraham und Yaakov wurden an dem Tag geboren. Da ein Zaddik (Gerechter) immer an seinem Geburtstag stirbt (siehe das berühmte Beispiel des König David an Shavuot einschließlich den Talmud Rosh HaShana 11a), starben Avraham und Yaakov auch an diesem Tag. Und es war an Rosh HaShana, dass Gott sich an unsere Vormütter Rachel und Sarah sowie an die Mutter des Propheten Samuel (Schmuel) erinnerte. An dem Tag beschloß Gott, dass diese drei Frauen Kinder haben werden.
Wir sitzen also in den Synagogen und Gott soll entscheiden, ob wir für das Neue Jahr ins "Buch des Lebens" eingetragen werden. Buch des Lebens heißt nicht nur Leben, sondern auch alle unsere Lebensverhältnisse werden bestimmt. Sei es nun unser Arbeitsleben, Freundeskreis, werden wir genügend Geld verdienen, ein Dach über dem Kopf haben und und und. All das gehört dazu.
Es ist anzunehmen, dass jeder von uns mit den allerbesten Vorsätzen in die Synagoge geht. Wir kommen an, beten und versprechen alles Mögliche im kommenden Jahr besser zu machen. Andererseits weiß jeder irgendwie, dass der Wille zwar stark ist, aber das Fleisch schwach. Ich will damit sagen: Was passiert, wenn ich am Rosh HaShana alles Mögliche verspreche, es aber nicht einhalte und schon zwei Tage später in den alten Trott verfalle.
Hierauf gibt uns die Thora Antwort. Als Avraham seine zweite Frau Hagar und den gemeinsamen Sohn Ishmael fortsandte, ritten die beiden durch die Wüste und liessen sich später erschöpft nieder. Gott hörte das Weinen des Kindes Ishmael und beschloß in dem Moment, ihn nicht verdursten zu lassen, obwohl Rr wußte, dass spätere Generationen Ishmaels das jüdische Volk vernichten wollen. Hieraus lernen wir, dass Gott einen Menschen in einem Augenblick richtet, obwohl Er natürlich weiß, dass derjenige wieder sündigen wird (siehe Talmud Rosh HaShana 16b) .
Wie begehen wir also Rosh HaShana?
Normalerweise gehen die Männer einige Stunden vor dem Beginn des Neujahrsfestes in die Mikwe (Ritualbad). Allgemein gibt es zusätzlich noch den Brauch, Friedhöfe zu besuchen oder Zedakah (Spenden) zu geben (siehe Shulchan Aruch – Orach Chaim – Hilchot Rosh HaShana 581).
Die Super – und Wochenmärkte werden alle hoffnungslos überfüllt sein, denn es gilt die sogenannten Simanim zu besorgen (Karotten, Granatäpfel, Fisch – bzw. Schafskopf, Honig und dergleichen).
Kurz vor Beginn des Festes beten wir in bestimmtes Gebet (siehe Machzor fuer Rosh HaShana), anhanddessen wir Schwüre, welche wir während des ausklingenden Jahres ausgesprochen haben, für Null und Nichtig erklären (Bitul Nedarim). Häufig im Leben kommt es vor, dass wir Gott gegenüber etwas versprechen, dies kurz darauf wieder vergessen und es nie und nimmer einhalten. Allerdings vergißt Gott unsere Schwüre nicht und könnte sie theoretisch bei der "Urteilfällung" gegen uns verwenden. Aus dem Grunde sagen wir das spezielle Gebet.
Am Feiertag (nicht jedoch am Schabbat) dürfen wir von einem brennenden Feuer kochen. In der Praxis schaut das so aus, dass wir vor dem Feiertag eine 48 – Stunden Kerze anzünden und von jener dann mit einem Streichholz jederzeit eine Flamme entnehmen können. Auf diese Art und Weise dürfen wir einen Herd anzünden (in Israel gibt es überwiegend Gasherde) und kochen. Da wir jedoch am Feiertag Essen für den Schabbat vorbereiten und das Kochen somit nicht unter die Kategorie "Essen für den Feiertag, sondern für einen anderen Tag" fällt, muss ein Eruv Tavschilin ausgesprochen werden. Die Prozedur hierfür kann jeder seinem Machzor (Gebetbuch für den Feiertag) entnehmen.
Üblicherweise geht es nach dem Kernzenanzünden in die Synagogen zum Abendgebet Maariv. Beim Kerzenanzünden nicht den zweiten Segen "She Hechiyanu" vergessen.
Zum Beginn des Rosh HaShana wird während des Maariv kein Schofar-Geblasen. Dies findet erst zum Morgengebet Schacharit and beiden Tagen statt. Auch sagen wir kein HALLEL (Psalmen 113 – 118) an Rosh HaShana. Einer der Gründe dafür, dass wir kein Hallel sagen ist, dass wir uns daran erinnern, dass Gott über uns richtet und wir keine übermäßige Freude zeigen sollen.
Nach dem Abendgebet wird zur festlichen Tafel geschritten. Normalerweise findet nach dem Kiddusch (Segnung des Weines) die Zeremonie der Simanim statt. "Simanim" heißt übersetzt "Zeichen" und es handelt sich hierbei um bestimmte Essenszubereitungen, welche wir in einer vorgeschriebenen Reihenfolge essen. Mit dabei sind natürlich der Apfel, welches in Honig getaucht wird und ein süsses gutes Neues Jahr repräsentiert. Jedes einzelne kleine Menu hat seinen speziellen Segen und eine eigene Bedeutung. Die Simanim sind u.a. ein Symbol dafür, dass jeder Jude sein eigenes Schicksal ändern kann.
Eines der Simanim – Menus fällt jedes Jahr auf allgemeine "Begeisterung", denn es soll etwas Fleisch aus einem Fisch oder Schafskopf gegessen werden. Der Kopf liegt auf einem Teller und als ich vor Jahren bei Chabad den Schafskopf sah, fiel ich fast vom Stuhl. Vor allem weibliche Teenies kriegen da ihren Kreischanfall. Man kann sich auch weigern, was viele tun. Aber das Fleisch aus dem Fischkopf symbolisiert, dass wir am Beginnn von etwas stehen wollen und nicht nur am Ende.
Eine äußerst wichtige Rolle spielt der Honig. Das ganze Jahr über verteilen wir auf die Challot (Schabbatbrote) etwas Salz, aber an Rosh HaShana tauchen wir alles in Honig. Vor allem Chassidim essen ihr Brot mit Honig bis mindestens Hoshana Rabbah (Ende von Sukkot). Nach dem Essen bzw. des nachts gibt es den Minhag (Brauch), Auszüge aus dem Talmud Traktat Rosh HaShana zu lernen. Bei mir befinden sich jene Auszüge (Pesukkim) im Machzor, aber ich weiß nicht, wie es damit bei anderen Leuten in der Diaspora ausschaut.
Am darauffolgenden Donnerstag geht es zurück in die Synagoge, wo ein langer Gottesdienst auf uns wartet. Bei den Chassidim noch länger als anderswo üblich. Der MorgenGottesdienst Shacharit beginnt mit dem "HaMelech – Gebet", indem wir, wie zuvor beschrieben, Gott zum König krönen. Nur Er allein ist der Herrscher der Welt.
Bei Ashkenazim folgt das "HaDin" – Gebet und danach Avinu Malkeinu. Die Thoralesung am ersten Tag erzählt uns, wie Avraham seine zweite Frau Hagar fortsandte und Gott ihr später eine Wasserquelle zeigte. Was wir außer dem Richten in dem speziellen Moment lernen ist, dass Hagar die Quelle erst sah als Gott sie ihr zeigte. Wahrscheinlich aber war die Quelle schon die ganze Zeit dagewesen und Hagar hatte sie übersehen. Dies zeigt uns den tieferen in Situationen, wo wir meinen, es gebe keine Lösung für uns. Wir suchen und suchen und sehen vor lauter Bäumen den Wald nicht. Hätten wir dagegen genau hingeschaut, dann hätten wir die perfekte Lösung sofort erkannt. Eine Lösung, welche gleich neben uns steht, wir sie aber nicht sehen.
Der Maftir am Ende der Thoralesung erfolgt aus Sefer BaMidbar (Numeri) 29:1, in welcher uns Gott aufträgt, einen Day of Sounding (Yom Teruah) zu einzulegen.
Die anschließende Haftarah (Lesung aus den Propheten) erzählt und von Channah, der Mutter des Propheten Samuel (Shmuel).
In der Synagoge, in die ich gehe, wird nach der Haftarah jedesmal an dieser Stelle ein Kiddusch (Segnung des Weines) gemacht und es gibt ein paar Kuchenstücke (Mesonot) zu essen. Im Anschluß darauf folgt das Blasen des Schofars. Im darauffolgenden Mussaf wird das Schofar nochmals geblasen.
Am zweiten Tag verläuft der Morgen Gottes fast gleich. Allerdings lesen wir aus der Thora die "Akeidat Yitzchak", die Opferung des Yitzchak. Der Maftir ist der gleich wie am Vortag.
Die Haftarah (Lesung aus den Prophetenerfolgt aus Yirmeyahu (Jesaja) 31:1 – 19. Hier verspricht Gott den Juden, ewig an sie zu denken und sie zurückzuführen in das Land ihrer Vorfahren.
Die wichtigste Mitzwah am Rosh HaShana ist, dass ein jeder das Schofar hört. Des weiteren gibt es noch einige Minhagim (Bräuche) wovon der bekannteste wohl ist, dass man am Rosh HaShana sich nachmittags nicht hinlegt und schläft. Außer des nachts soll jeglicher Schlaf vermieden werden, denn Gott richtet über uns und da macht ein Mittagsschlaf keinen guten Eindruck. Außerdem essen wir keine Nüsse, denn das hebräische Wort für Nuss "Egoz" hat die gleich Gematria (Zahlenwerte hebräische Buchstaben) wie das Wort Vergehen (Chet).
Am ersten Feiertag ist es üblich (Minhag) nach dem Nachmittagsgebet Mincha zu einem Fluß oder Meer zu gehen und das Taschlich – Gebet zu sprechen. Der Brauch des Taschlich begann im Mittelalter und steht symbolisch für Gottes Vergebung unserer Vergehen am Judgment Day (Gerichtstag). Wer Taschlich verpaßt, was mir oft passiert, der kann dies noch während der zehn Tage bis Yom Kippur nachholen und bei vielen Chassidim sogar noch bis Hoshana Rabbah. Wer keinen Fluß in der Nähe hat, der kann sich an einen Brunnen oder einen Wasserhahn stellen (nicht im Badezimmer !!!) und und spricht bei laufendem Wasser das Gebet (siehe Machzor).
Sollte der erste Rosh HaShana-Feiertag auf einen Schabbat fallen, so findet das Taschlich am zweiten Tag statt. Aber in diesem Jahr sind wir von der Regel befreit und Taschlich findet ganz normal am ersten Tage statt.
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