Um zu hören und zu lernen
Zeit unserer Freude - Sukkot, das achttägige Laubhüttenfest, ist wie Pessach und Schawuot eines der drei in der Tora genannten Wallfahrtsfeste.
Zeit unserer Freude
Sukkot, das achttägige Laubhüttenfest, ist wie Pessach und Schawuot eines der drei in der Tora genannten Wallfahrtsfeste. Als «chag ha'asif» war Sukkot zunächst ein Erntedankfest, das nach dem babylonischen Exil zusätzliche Bedeutung erhalten hat: die Laubhütten («sukkot »), in der die Bauern und Winzer einst während der Erntezeit unterkamen, symbolisieren auch die provisorischen Wohnstätten während der 40 Jahre dauernden Wüstenwanderung des Volkes Israel auf seinem Weg von Ägypten ins Gelobte Land (Dtn 16: 13-17).
Der siebte Tag wird als Hoschana Rabba, «das große Hoschana» herausgehoben; das Ende des Laubhüttenfests wird durch gleich zwei Feiertage bezeichnet: Schemini Azeret, das Schlussfest am achten Tag (Lev 23:36) und Simchat Tora, das Fest der «Freude an der Tora», das in nachbiblischer Zeit entstand. In der Diaspora wird Simchat Tora heute in orthodoxen Gemeinden am Tag nach Schemini Azeret begangen; in Israel und in liberalen Gemeinden fallen beide Feste auf einen Tag. Die vier Mittelfeiertage werden analog zu Pessach als «chol hamo'ed» bezeichnet. Nach Dtn 16:14 wird das Laubhüttenfest auch «sman simchateinu »genannt, »Zeit unserer Freude«.
«Jedoch am fünfzehnten Tag des siebenten Monats, da ihr einsammelt den Ertrag des Landes, sollt ihr festlich begehen das Fest des Ewigen sieben Tage, am ersten Tag ist eine Feier und am achten Tage eine Feier. Und nehmet euch am ersten Tage eine Frucht vom Baume Hadar, Palmzweige und Zweige vom Baume Abot und Bachweiden, und freuet euch vor dem Ewigen, euerm Gott, sieben Tage. Und begehet es festlich als Fest des Ewigen sieben Tage im Jahre, eine ewige Satzung bei eurern Geschlechtern, im siebenten Monat sollt ihr es festlich begehen. In Hütten sollt ihr wohnen sieben Tage; alle Eingeborene in Israel sollen wohnen in Hütten. Damit es eure Geschlechter erfahren, dass ich in Hütten habe wohnen lassen die Kinder Israel, da ich sie hinausgeführt aus dem Lande Mitzrajim: Ich bin der Ewige, euer Gott. Und Moses sagte die Feste des Ewigen den Kindern Israel.» (Lev 23:39-44)
In der Hebräischen Bibel findet sich eine ganze Reihe von Verweisen auf Sukkot: So fand nach 1Könige und Chroniken die Einweihung des Salomonischen Tempels zu Sukkot statt, wodurch das Laubhüttenfest zum ersten der drei Wallfahrtsfeste wurde. In 1Kön wird auch beschrieben, wie sich Jeroboam gegen Salomos Nachfolger Rehoboam erhob und das Datum für Sukkot eigenmächtig veränderte. In den Büchern Esra und Nehemia wird von der Wiederaufnahme von Sukkotfeiern nach dem babylonischen Exil berichtet. Der Prophet Sacharia sprach von einer Zeit, in der alle Völker einen Gott anbeten und gemeinsam Sukkot feiern. Diese Vision einer universalen Verbundenheit wurde von den Rabbinen im Midrasch Tanhuma bekräftigt: «Zu Sukkot opferten die Israeliten siebzig Ochsen für die siebzig Nationen der Erde.»
«Das Lernen der Tora wiegt alle Gebote auf»
Wesentliches Kennzeichen von Sukkot ist der Bau einer Laubhütte im Hof, im Garten oder auf dem Balkon, um darin während der acht Tage zu essen und der Tradition nach auch zu nächtigen. Chassidim beginnen unmittelbar nach Jom Kippur mit der Errichtung der Laubhütten, um so von einer Mizwa zur nächsten überzugehen. Die Sukka soll unter freiem Himmel stehen, aus pflanzlichem Material errichtet werden und so abgedeckt werden, dass mehr Schatten als Licht im Raum ist, nachts aber noch die Sterne zu sehen sind. Die Sukkot werden gerne mit Girlanden, Bildern und Früchten aus dem Land Israel dekoriert. Der Zanzer Rebbe sagte dazu: «Wir müssen die Sukka verehren und schmücken. Welchen schöneren Schmuck kann es geben, als jenen, die keine Mittel haben, sich an der Jahreszeit der Freude zu beteiligen, Wohltaten zu erweisen? »
Ein zweites Symbol ist der Lulaw, der Feststrauß, der aus den in Lev 23:40 genannten »vier Arten« gebunden wird, den «arba minim». Genau genommen ist der Lulaw der Palmwedel, der hier als Symbol steht. Die eigentliche Bezeichnung für den Feststrauß lautet «aguda». Im hebräischen Bibeltext ist nur von »schönen Bäumen« («etze hadar») und «Zweigen von Laubbäumen» («anaf etze awot») die Rede. Die Weisen haben dies als die Zitrusfrucht Etrog und als Myrte interpretiert. Zusammen mit zwei Bachweidenzweigen und dem besagten Palmwedel soll jeder Jude zu Sukkot drei Myrtenzweige in der rechten Hand halten und segnen lassen. Der Etrog als die wichtigste der «vier Arten» wird dabei in der linken Hand gehalten und ans Herz gedrückt. Beim Hallel-Gebet schwingt man den Lulaw in alle Richtungen: jeweils dreimal nach Osten, Norden, Westen und Süden, dann zum Himmel und zur Erde. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Bauern einst im Herbst Gott, der überall ist, um Regen anflehten.
Beim Sukkot-Gottesdienst findet eine Art Umzug in der Synagoge statt, eine Erinnerung an die Prozession im Tempel, bei der die Ernteopfer dargebracht, Etrog und Palmwedel um den damaligen Altar getragen wurden und man Ps 118:25 sang: «O Herr, hilf! O Herr, lass wohl gelingen!». Heute geht man um die Bima, auf der dann eine Torarolle liegt, die quasi den Tempelaltar ersetzt. Für die Zeit des Tempeldienstes ist auch ein Wasserschöpf-Fest belegt, bei dem Wasser aus der Shilo-Quelle als Opfer dargebracht wurde: «Wer die Freude beim Wasserziehen nicht erlebt hat, hat sein ganzes Leben lang keine wirkliche Freude gesehen.» (Sukka 53b). Eine weitere Prozession findet am siebten und letzten Tag von Sukkot zu Hoschana Rabba statt, der den Beginn der Regenzeit markiert und deshalb auch «Tag des Gerichts für den Regen» genannt wird. Die Propheten Haggai, Sacharia und Maleachi haben ihm besondere Bedeutung zugewiesen. So wie einst im Tempel der Altar, so wird heute in der Synagoge siebenmal die Bima mit der Tora umkreist und «Hoschana» gesagt, «O, hilf uns». Dabei wird immer wieder der Lulaw geschüttelt und mit zusätzlichen Weidenzweigen auf den Boden geschlagen, um so die Bitte des Volkes um Regen zu bekräftigen. Zu Sukkot, wenn in den Laubhütten gemeinsam gegessen wird, lädt man sich auch himmlische Gäste dazu ein. Diese «uschpisin» (aram.: «Gäste») sind traditionell Abraham, Isaak, Jakob, Josef, Mosche, Aaron und David. In liberalen Gemeinden und Haushalten kommen heute Sara, Riwka, Rachel, Lea, Miriam, Abigail und Esther dazu. Man kann auch weitere symbolische Gäste einladen, indem man an sie erinnert und von ihnen erzählt. Der Brauch bezieht sich auf einen Vers im Buch Zohar: «Wenn jemand in der Sukka sitzt, dann sind Abraham und sechs ausgezeichnete Besucher seine Gesellschaft.»
Im jüdischen Volksglauben ist die Nacht von Hoschana Rabba der Höhepunkt des göttlichen Gerichts, an dem das Urteil vollstreckt wird, das zu Rosch Haschana gesprochen und zu Jom Kippur besiegelt worden ist. Zur Zeit des Tempels wurde das Volk alle sieben Jahre zu Sukkot zusammengerufen, um «zu hören und zu lernen». Dabei wurde das Buch Deuteronomium in öffentlicher Lesung vorgetragen. Nach der Zerstörung des Tempels und mit dem Exil fiel diese Zeremonie weg. Sie wurde im Staat Israel aber wieder eingeführt und fand erstmals 1952 vor der Westmauer in Jerusalem statt.
Der Feststrauß: Einheit in der Vielfalt
Wie eine Zitrusfrucht sowohl Geschmack hat als auch einen lieblichen Geruch, so gibt es in Israel Menschen, die sowohl gelehrt sind als auch ihren Glauben leben.
Wie die Früchte eines Palmzweigs zwar Geschmack haben, aber geruchlos sind, so gibt es in Israel Menschen, die zwar gelehrt sind, aber ihren Glauben nicht leben.
Wie Myrtenzweige zwar einen lieblichen Geruch haben, aber ungenießbar sind, so gibt es Menschen, dir gute Werke tun, aber keinerlei Gelehrsamkeit besitzen.
Wie Weidenzweige weder essbar sind noch einen angenehmen Geruch verbreiten, so gibt es Menschen, die weder gelehrt sind noch gute Werke tun. Gott, die Heiligkeit Gottes sei gepriesen, sagt: Damit Israel nicht untergeht, lasst sie alle zusammengebunden sein, wie die Pflanzen zu einem Bund zusammengebunden sind, so dass die Gerechten unter ihnen für die anderen Sühne bewirken. (Midrasch Pesikta Rabbati 51:2)
Schemini Azeret, das Schlussfest des achten Tags ist inhaltlich ursprünglich nicht direkt mit Sukkot verbunden. Es heißt: «Am achten Tag sollt ihr wieder eine heilige Versammlung halten … Keine Arbeit sollt ihr tun.» (Lev 12:36). Die Tradition lehrt, dass Sukkot die materielle Erhaltung des Volkes Israel erst während der Wüstenwanderung und dann über die Jahrhunderte hinweg in der Diaspora symbolisiert, während Schemini Azeret zusammen mit Simchat Tora die geistig-moralische Erhaltung bezeichnet. Nach Meinung der Rabbinen hätte Schemini Azeret analog zu Pessach und Schwauot (Symbole der physischen Befreiung und der geistigen Erschaffung des Volkes Israel) auf den 49. Tag nach Sukkot fallen müssen, doch Wallfahrten während der Regenzeit galten im damaligen Palästina als zu gefährlich.
Zu Simchat Tora, dem Tag der Tora-Freude, endet und beginnt der jährliche Zyklus der Toralesung. Die Hebräische Bibel kennt kein Tora-Freudenfest. Vermutlich hat Schemini Azeret im 3./4. Jahrhundert n.u.Z. diese Bedeutung erhalten. Im Talmud ist vom «zweiten Tag von Schemini Azeret» die Rede (Megilla 31a). Feiern zu Ehren der Tora waren seinerzeit jedenfalls schon bekannt. «Rabbi Eleazar sagte: Daher leiten wir ab, eine Feier zu veranstalten, um den Abschluss der Tora zu kennzeichnen, denn Gott sagte zu Salomon: ‚Ich gab dir ein weises und verständiges Herz wie niemandem vor oder nach dir.‘ Er gab sofort ein Fest für alle seine Diener, um dieses Ereignis zu feiern. So ist es nur passend, zu feiern, wenn die Toralesungen abgeschlossen werden.» Simchat Tora wird nur in traditionellen Kreisen in der Diaspora als gesondertes Fest gefeiert; in Israel und in liberalen Gemeinden weltweit fällt es mit Schemini Azeret zusammen. Es ist üblich, beim Gottesdienst alle mündigen Männer – in nicht-orthodoxen Gemeinden selbstverständlich auch Frauen – zur Toralesung aufzurufen, wobei der letzte Abschnitt der Tora (Dtn 33- 34) immer wieder wiederholt wird.
Derjenige, der zuletzt aufgerufen wird, heißt «chatan tora», Bräutigam der Tora, derjenige, der das Buch Genesis zu lesen beginnt, ist der «chatan bereschit», der Bräutigam des Buches Bereschit, Genesis. Der Brauch, unmittelbar auf den Abschluss des Torazyklus' von Neuem zu beginnen, wurde erst im 12. Jahrhundert fixiert. Aus dem 16. Jahrhundert entstand in Safed der Brauch, zu Schemini Azeret beziehungsweise Simchat Tora Hakkafot zu unternehmen, rituelle Prozessionen. Dazu werden alle Torarollen aus dem Schrein genommen und in sieben Umkreisungen um die Bima getragen. Dies findet erstmals während des Abendgottesdienstes und dann vor der Toralesung am Morgen statt. Hakkafot sind auch bei traditionellen Hochzeitsfeiern üblich, wenn die Braut sieben Mal den Bräutigam umkreist. Zu Simchat Tora wird mit den Torarollen getanzt, Kinder tragen Wimpel oder Fähnchen, die beispielsweise mit Äpfeln dekoriert wurden. Um die Kinder in das Geschehen einzubinden, werden traditionsgemäß «kol ha'nearim», «alle Kinder» gemeinschaftlich zu Tora aufgerufen und gesegnet. Die ganze Gemeinde spricht den Segen Jakobs für Ephraim und Menasse (Gen 48:16). In Jerusalem werden zu Simchat Tora Torarollen unter einem Baldachin (entsprechend der Chuppa bei einer Hochzeit) unter Beteiligung der Oberrabbiner und von Regierungsvertretern Israels singend und tanzend zur Westmauer begleitet.
Quelle: Jüdische Zeitung
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