Martin Luther und die Juden
Martin Luther, geboren am 10. November 1483 in Eisleben, wuchs in einer Zeit mit vielen Spannungen und Konflikten auf. Er war der Sohn eines Bergmanns namens Hans Luther aus Möhra.
"Ich bin ein Bauernsohn; der Urgroßvater, mein Großvater, der Vater sind richtige Bauern gewesen. Ich hätte eigentlich, wie jener (d.h. Philipp Melanchthon) sagte, ein Vorsteher, ein Schultheiß und was sie sonst im Dorf haben, irgendein oberster Knecht über die andern werden müssen. Danach ist mein Vater nach Mansfeld gezogen und dort ein Berghauer geworden. Dorther bin ich." (autobiographischer Bericht, der um 1535 als Tischrede aufgezeichnet worden ist).
Martin Luther, geboren am 10. November 1483 in Eisleben, wuchs in einer Zeit mit vielen Spannungen und Konflikten auf. Er war der Sohn eines Bergmanns namens Hans Luther aus Möhra. Ab 1501 besuchte er die Universität in Erfurt und trat dort 1505 aufgrund eines Gelübdes ins Augustinerkloster ein, wo er 1507 zum Priester geweiht wurde. 1508 wurde er Professor für Philosophie in Wittenberg. Seit 1512 lehrte er zudem theologisches Wissen.
1515 veröffentlichte Luther, vor allem veranlasst durch die Ablasspredigt J. Tetzels, in Wittenberg seine 95 (Disputations-) Thesen und musste sich 1518 dafür vor Kardinal T. Cajetan in Augsburg verantworten. Er unterwarf sich jedoch nicht. Im Streitgespräch 1519 mit J. Eck, der Leipziger Disputation, bestritt er das Primat des Papstes und die Unfehlbarkeit der Konzilien. Damit hatte Luther mit der katholischen Kirche gebrochen und begann nun den Versuch, die Kirche und die Theologie vollständig zu reformieren. 1520/21 veröffentlichte er die entscheidenden Reformationsschriften „An den christlichen Adel deutscher Nation", „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche„ und „Von der Freiheit eines Christenmenschen".
1520 wurde Luther gebannt, weil er die päpstliche Bannandrohungsbulle verbrannt hatte. 1521 verteidigte er sich vor dem Reichstag in Worms. Hier wurde er mit der Reichsacht belegt. Von Kurfürst Friedrich dem Weisen von Sachsen wurde Luther dann zu seinem Schutz auf die Wartburg gebracht. Hier übersetzte er das Neue Testament, welches 1522 erstmals gedruckt wurde. Im März 1522 kehrte er nach Wittenberg zurück und trat gegen die Wiedertäufer auf. 1525 heiratete Luther Katharina von Bora. Von 1526 bis 1530 half er mit bei der Einrichtung der Kursächsischen Kirchen- und Schulvisitation.
Am 18. Februar 1546 stirbt der schwer erkrankte Luther in Eisleben, nachdem er dort noch einen Streitfall der Grafen von Mansfeld geschlichtet hat. Vier Tage nach seinem Tod wurde er in der Schlosskirche zu Wittenberg beerdigt.
Mit den beiden Katechismen (1529), der Bibelübersetzung (1534 die ganze Bibel) und seinen geistlichen Liedern förderte er entscheidend die Entwicklung der deutschen Sprache.
"Es gibt kaum einen Punkt, der so symptomatisch für die Wandlung des Kirchenverständnisses, für die Absage an die in der Kirche und nicht zu ihr zu vollziehende Buße ist wie die neue Stellung Luthers zu den Juden, die er in späterer Zeit einnimmt. War ihre Existenz ursprünglich ein einziger Bußruf für die Kirche, so wird ihnen nun ihre Unbußfertigkeit zum größten Vorwurf gemacht. Luther nimmt nun die gleiche Stellung zu den Juden ein wie die gesamte mittelalterliche Kirche; die Schärfe seiner Aussagen übertrifft sogar das traditionell Übliche erheblich." – Diese Aussage von R. Müller-Streisand ist grundlegend für das richtige Verständnis von Luthers Wandlungen in der Judenfrage.
Hetzschrift – Luthers gegen die Juden
Judenmissionar
Noch in seiner ersten Psalmvorlesung hatte Luther die traditionellen Urteile über die Juden wiedergegeben. Er hielt sie hier für verworfen, weil sie Schuld an Christi Kreuzigung trügen und ihn nicht als den Messias anerkannten.
Seit ca. 1520 begann Luther auf die Bekehrung der Juden zu hoffen, weil diese von nun an den christlichen Glauben in seiner reinen Form kennenlernen könnten. Bei der Auslegung des 14. Psalms hielt er es 1520 „Für eine verdammenswerte Raserei, die Juden zu verfolgen und ihre Leiden zu verhöhnen, wo doch nur Trauer, Schmerz und inständiges Gebet für sie angebracht seien" (Gert Wendelborn „Martin Luther" S.416).
1519 erwähnte Luther in seinen beiden Sermonen vom Wucher die Juden mit keinem Wort, indes machte er auf die gute Erziehung und Arbeitsfreudigkeit derselben aufmerksam. Er bezeichnete die Juden sogar als nicht so verdorben wie die Papisten. In jener Zeit vermied Luther die üblichen antijüdischen Untertöne der Passionspredigten. Diese judenfreundliche und selbstkritische Phase erreichte mit der Spezialschrift „Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei" 1523 ihren Höhepunkt. Dies war eine Gelegenheitsarbeit, in der er sich gegen den Vorwurf verteidigte, er habe Maria die Jungfräulichkeit abgesprochen, wobei sich die eigentliche Kritik auch hier gegen die Papisten richtete.
Weiterhin kritisierte Luther die Isolierung der Juden in Ghettos und forderte die anderen Christen dazu auf, die Juden mit in die Gemeinschaft aufzunehmen und damit auch das Recht der freien Berufswahl zu gewähren. Luther sagte, dass man die Juden lediglich durch die beruflichen Beschränkungen zum Wucher getrieben habe.
Die entstandene Reformation entfachte unter den gläubigen Juden die Hoffnung, missionierend für die eigenen Rechte einzutreten. Somit muss man sich auch nicht wundern, dass sie Luthers Schrift in den eigenen Reihen verbreiteten und sogar ins Spanische übersetzten. Tatsächlich konnten die Juden so zwischen 1530 und 1540 einige Christen für das Judentum gewinnen.
Judenfeind
Dass die erhoffte „Umkehr auf den rechten Weg" bei den meisten Juden nicht funktionierte, verbitterte den alten Reformator. Mit der enttäuschten Hoffnung verlor sich der selbstkritische Zug seiner Theologie. Mitte der 30er Jahre setzte eine verstärkte Kritik an den Juden ein. Schon im 15. Jahrhundert wurden die Juden aus Wittenberg, wie auch aus vielen anderen deutschen Städten, vertrieben. 1536 wurde ihnen dann der Aufenthalt im gesamten Kurfürstentum Sachsen untersagt, ob auf Luthers Bedrängen hin, ist leider nicht bekannt.
Judensau – an der Kirche von Wittenberg
Judensau
Jedoch gab es auch keinen Protest von seiner Seite aus. Eine Bitte von Josel Rosheim, einem berühmten Rabbi im Unterelsass , lehnte Luther ab. Es ging dabei um eine Durchreiseerlaubnis der Juden durch Sachsen. Luther begründete seine Entscheidung damit, dass seine Schrift von 1523 von den Juden missbraucht worden sei. Diese Form der Antwort war jedoch noch freundlich gewählt. Auf eine Anfrage hin brach er sein öffentliches Schweigen 1538 mit dem „Brief D. Martin Luthers wider die Sabbather an einen guten Freund". Damit verfolgte er das Ziel, die Juden von der Unsinnigkeit ihrer Messiashoffnung zu überzeugen. Luthers antijüdische Polemik, die freilich niemals rassistisch begründet war, erfuhr 1543 eine schaurigen Höhepunkt in der Schrift „Von den Juden und ihren Lügen". Für Luther stellte die Absage der Juden an Christus das Hauptärgernis dar.
Luther fordert von der Obrigkeit:
- Vernichtung aller Synagogen („mit Feuer, Schwefel und Pech")
- Zerstörung aller Privathäuser der Juden
- Entwendung aller liturgischen Bücher und der Bibel
- Untersagung des Besuchs öffentlicher Gottesdienste und jeder Lehrveranstaltung der Rabbiner (ansonsten Todesstrafe)
- Verbot, Gottes Namen auszusprechen
- Juden nicht mehr als Händler wirken lassen; Verbot, sich frei auf der Straße zu bewegen
- Verbot des Wuchers; Geld und Wertsachen wegnehmen
- Zwangsarbeit für alle jungen Juden beiderlei Geschlechts
Luther erwog letztlich sogar die Deportation der Juden nach Palästina, gleichzeitig pries er die Staaten, die die Juden verjagt hatten. Auch in seiner letzten Predigt am 15.2.1546 beschäftigte er sich in Eisleben mit dem Judenproblem. Hierbei forderte er die weltlichen Herren auf, bekehrungsunwillige Juden aus dem Machtbereich zu vertreiben, während sie bei Übertritt als Brüder zu respektieren seien.
Es ist schwer, Begründungen dafür zu finden, warum sich ein solche Wandlung in Luther vollzog. Ein Aspekt ist wahrscheinlich seine noch im Mittelalter verhaftete Ausbildung. Drei weitere Gründe, die jedoch nicht bewiesen sind, könnten sein:
1. Luther hoffte, dass sich die Juden zu seinem reformierten christlichen Glauben bekennen. Diese Erwartung wurde nicht erfüllt, der gewünschte Prestigegewinn für den Protestantismus blieb aus.
2. Luther ist zunehmend der Auffassung, dass die Obrigkeit für eine Einheit zwischen Kirche und Gesellschaft sorgen muss (gg. Religionsfreiheit).
3. Luther ist in seiner letzten Lebensphase durch schwere körperliche Leiden in einer düsteren persönlichen Stimmung.
In den folgenden Jahrhunderten wurden Luthers judenfeindliche Aussagen oft von Ideologen als Begründung für ihre Thesen verwendet. Zum Beispiel nutzten NS-Ideologen Luthers Aussagen zur Unterstützung ihrer antisemitischen Theorien.
Der Reuchlinsche Streit
Zunächst möchten wir erst einmal das Leben von Johannes Reuchlin vorstellen, nach dem der Reuchlinsche Streit benannt wurde. Er wurde am 22. Februar 1455 in Pforzheim geboren. Seit 1470 studierte er in Freiburg und später auch in Basel die freien Künste und Jura. 1481 erwarb er das Lizentiat der Rechte in Poitiers. Nach einer nur kurzen Vorlesungstätigkeit an der Universität Tübingen trat Reuchlin 1482 in den Dienst des Grafen Eberhard von Württemberg und war bei ihm Orator am Hof der Medici und der Renaissancepäpste. Zusammen mit dem Grafen unternahm er zwei Italienreisen, bei denen er u. a. Marsilio Ficino und Picodella Mirandola kennenlernte, mit denen er dann freundschaftlich verbunden war.
Reuchlin wurde ein Anhänger des Platonismus und der Kabbala, der mystischen jüdischen Geheimlehre, und er wurde zu einem der wichtigsten Vertreter des italienischen Platonismus.
In Paris und Basel lernte Reuchlin byzantinische Gelehrte kennen, die ihm das Griechische näherbrachten und der Umgang mit gelehrten Juden seit 1482 in Linz erschloss ihm auch das Hebräische. Dies zeigt, dass Reuchlin humanistische und altsprachliche Interessen hatte.
In Stuttgart war er dann als Anwalt tätig und erwarb um 1485 in Tübingen den Grad des Doctor legum. Nach seiner zweiten Italienreise bekam er am kaiserlichen Hof in Linz 1492 die Adels- und Hofpfalzgrafenwürde zugesprochen. Aufgrund des Todes seines „herzoglichen Gönners" musste Reuchlin 1496 nach Heidelberg fliehen und lebte von nun an bis 1499 am Hofe des Kurfürsten Philipp von der Pfalz in Heidelberg. Dort begegnete er dem Humanisten Jakob Wimpfeling.
Ab 1500 wirkte er wieder in Stuttgart und wurde schwäbischer Bundesrichter für 11 Jahre. Reuchlin trat in gelehrten Disputationen oft für ein differenzierte Beurteilung des Judentums ein. Der tief im Mittelalter befangenen katholischen Orthodoxie begegnete er mit humanistischen Positionen. Luther hatte sich 1513 auf eine Anfrage Spalatins auf die Seite Reuchlins gestellt, ohne sich jedoch dessen Standpunkt voll zu eigen zu machen.
Reuchlin hatte 1510 in einem vertraulichen Gutachten an den Kaiser versucht, die weitgehend jüdische Mitbürgerschaft human und im Geist der kusanischen Katholizität unter Berufung auf das römische und geistliche Recht zu lösen. Johannes Pfefferkorn, welcher eine Verbrennung aller hebräischen Bücher befürwortete, griff Reuchlin im „Handspiegel" (Frühjahr 1511) an, was diesen zu einer öffentlichen Erwiderungsschrift im „Augenspiegel" (Herbst 1511) veranlasste. Dadurch geriet er nun in einen Streit mit den Kölner Dominikanern. 1513 erreichte dann der Kölner OP-Prior und Inquisitor J. v. Hoogstraeten gegen den bis dahin allgemein anerkannten Laientheologen Reuchlin den kirchlichen Prozess. Durch einen für Reuchlin günstigen Schiedsspruch in Speyer (1514) und auf Veranlassung von Leos X. (1516) kehrte zunächst Ruhe in die sogenannte „Reuchlin – Affäre" ein, bis sie kurz darauf jedoch wieder aufflackerte. Dieser Streit endete erst im Juni 1520 mit der päpstlichen Verurteilung des „Augenspiegels", was wesentlich unter dem Eindruck der Wittenberger Vorgänge stand, obwohl sich Reuchlin von der Sache Luthers distanziert hatte. Nach der „Reuchlin – Affäre" ging er 1520/21 nach Ingolstadt und 1521/22 nach Tübingen, wo er jeweils als Professor tätig war. Am 30. Juni 1522 starb Reuchlin in Stuttgart.
Reuchlin war als Philologe und Jurist ein weltmännischer Diplomat und er gilt als Anwalt des humanen „Gewissens". Sein Nachruhm beruht weniger auf seinem literarischen Werk als auf seinem tragischen Lebenskampf.
Die Autoren verfassten diesen Artikel für das Jüdische Geschichte und Kultur Projekt vom Lessing-Gymnasium Döbeln.
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