Streng oder Nachsichtig? Beides!

Wir denken viel über HaShems Strenge und Erbarmen nach - wie ist das unseren Kindern gegenüber?

3 Min.
Kindererziehung

Sharon Roter

gepostet auf 06.02.22

Gnade und Strenge, Strenge und Gnade – wie leicht kann man die beiden durcheinander bringen. Letztendlich sind beide miteinander verknüpft. Wir wissen, dass die Strenge des Heiligen, gepriesen sei Er, in ihrer Identität Gnade und Erbarmen ist. Vielleicht ist auch die Gnade letztendlich strenges Gericht?

Als Mutter fühle ich, dass meine default-Reaktion meinen Kindern gegenüber Gnade ist. An der Wurzel des Mutterseins liegen Barmherzigkeit, und der Wille, immer mehr Liebe und Güte zu zeigen, das Verlangen, dass die Kinder zufrieden und glücklich sind. Aber… wenn ich mich ihnen gegenüber so voller Gnade verhalte und immer die Hand öffne, dann beschweren sie sich eigentlich nur, sind überhaupt nicht zufrieden und verlangen einfach immer mehr. Ich bin also gezwungen, entgegen meiner natürlichen Neigung, ihnen gegenüber streng zu sein, und ihnen nicht zu geben, was ich ihnen eigentlich geben wollte, jedenfalls nicht sofort, damit sie Wertschätzung lernen, und Dankbarkeit, damit ich nicht irgendwann keine Lust mehr habe, Ihnen Gutes zu tun.

Dem Kind fällt es schwer, zu verstehen, dass auch wenn ich ihm etwas vorenthalte, ich das aus Liebe und Sorge tue. Beispiel? Bitte sehr:

Meine Erstgeborene ist schon zehn und hat ein oder zwei Dinge im Leben verstanden. Wenn sie etwas von mir will, wendet sie sich trickreich an mich. “Mama, hast du mich lieb?”, fragt sie. “Bin ich dir wichtig?”, macht sie weiter mit süßer Stimme, und ich weiß, dass sie etwas will. “Du würdest alles für mich tun, stimmt’s?” geht sie eine Stufe weiter und gräbt mir eine sehr tiefe Grube. “Ich erlaube es nur, wenn es wirklich gut für dich ist”, versuche ich, meine Haut zu retten. ” “Dann bin ich dir also in Wahrheit nicht wichtig!”, ihr Ton wird wütend. “Du bist mir das Allerwichtigste! Genau deswegen erlaube ich nicht alles!”, entgegne ich entschieden.

Die Kombination dieser Kräfte, Gnade und Strenge, und das Dilemma, das in der Kombination steckt, gibt es nicht nur im Detail, sondern auch im Allgemeinen. Auch als Volk bringen wir oft Egoismus und private Interessen auf der einen Seite und Rücksichtnahme und gegenseitige Verantwortung auf der anderen Seite durcheinander. Wenn der Träger eines öffentlichen Amtes sich hinstellt und auf eine bestimmte Gruppe zeigt und sagt, dass es im Moment noch die Möglichkeit gibt, etwas zu retten, dann ist diese Gruppe verletzt und fühlt sich herabgesetzt und zieht in den Kampf. Dass es etwas zu retten gibt zu korrigieren, heißt in der Tat, dass etwas nicht in Ordnung ist. Aber diese Aussage ist nicht zwingend hochnäsig.

In uns allen gibt es noch ewas zu retten, etwas zu verbessern. Es ist natürlich für mein Gegenüber einfacher zu hören, wie ich über mich selbst sage, dass ich etwas zu korrigieren habe (und jeder sollte sich selbst kontrollieren und Probleme identifizieren). Aber das heißt nicht, dass es mir verboten ist, Menschen, die mir wichtig sind, zu sagen, was bei ihnen nicht in Ordnung ist, und dass sie es korrigieren können.

Ich will jetzt nicht über Fehler und Korrektur reden, sondern darüber, wann uns jemand wichtig ist. Auch der Heilige, gepriesen sei er, liebt uns ohne Ende. Und trotzdem schickt Er uns Prüfungen, damit wir wachsen und korrigieren. Genauso verlange ich auch von meinen Kindern, dass sie an sich arbeiten und lernen, ihren Charakter zu verbessern. Und ich sage meinen Freundinnen, was mir auffällt, wie sie sich gegenüber ihren Männern anders verhalten sollten, oder gegenüber ihren Kindern, oder gegenüber ihrem Arbeitgeber. Und auch meinem Volk, Am Israel, das ich in all seinen Facetten so sehr liebe, sage ich, was nicht gut ist. Weil diese Menschen mir wichtig sind, weil ich sie liebe. Nicht, weil ich besser bin, oder mich über jemanden erheben will, sondern weil der andere mir wichtig ist!

Und wieder sind Gande und Strenge verknüpft und es ist nicht mehr klar, was was ist. Denn vielleicht bekämpfen sie sich nicht, sondern ergänzen sich wie Yin und Yang, und man kann sie eigentlich gar nicht trennen.

In der Kindererziehung ist das eines der größten Dilemmas, mit denen Eltern sich auseinandersetzen müssen. Auch wenn wir die beiden Seiten nicht trennen oder nicht entscheiden können, welche besser ist, dann müssen wir doch zumindest den richtigen Ausgleich zwischen ihnen finden, damit das Elternsein erfolgreich und angenehm sein wird.

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