Sonne und Mond
Die Kraft des einen ist die unbegrenzte Ausstrahlung. Und die Kraft des anderen ist die punktuelle Konzentrierung auf die ihm entgegengebrachten Ausstrahlungen.
Der Rabbi und sein treuer Schüler
In der Geschichte der Führungspersönlichkeiten der vorhergehenden Generationen bestimmt bis heute eine doppelte Gestalt das Bild, die Hand in Hand alle Lebenswege meistert. Der eine gibt und teilt aus. Und der andere sammelt und fügt alles zusammen. Die Kraft des einen konzentriert sich hauptsächlich auf die unbegrenzte Ausstrahlung des ihm innewohnenden Lichts. Und die Kraft des anderen dagegen beschränkt sich auf die punktuelle Konzentrierung der ihm entgegengebrachten Ausstrahlungen.
Der eine nimmt die Kraft für seine Ausstrahlungen aus seiner sprudelnden Energie die in ihm steckt, so wie es heißt: „Der sprudelnde Bach und die Wurzel der Weisheit.“ Und der andere konzentriert sich völlig auf seinem Mentor, so wie es heißt: „Er an sich, besitzt nichts.“ Das Bild dieser beiden Gestalten beginnt mit Moses und seinem treuen Schüler Josua an, so wie es heißt: „Das Gesicht von Moses gleicht dem Gesicht der Sonne! Das Gesicht Josuas gleicht dem Gesicht des Mondes!“ Es handelt sich hierbei um eine Bindung, wie zwischen einem Vater und seinem Sohn. Oder die Bindung zwischen „dem Rabbi und seinem treuen Schüler.“
Acht Jahre lang stand Rabbi Nathan hinter seinem Rabbi – Rabbi Nachman aus Breslev – ! In dieser Zeit überließ er nichts dem Zufall. Jedes Wort und jeder Ton den Rabbi Nachman von sich gab, verfolgte er mit ganzer Aufmerksamkeit und schrieb sie sich sowohl in sein Herz und als auch in ein Buch! Er wollte damit gewährleisten, dass das Licht in den heiligen Aussagen des Rabbis allen nachkommenden Generationen zu Teil würde.
Ohne Rabbi Nathan würde es die Richtung der Breslever Chassiden nicht geben! Bereits bei den ersten Zusammenkünften der Beiden erzählte Rabbi Nachman von der beispielhaften Bindung zwischen Moses und Josua. Dies tat er natürlich nicht ohne Grund! Im Gegenteil, er zeigte Rabbi Nathan auf diese unmissverständliche Weise , dass er sein treuer Schüler über alle Generationen hinweg sein würde und das es dadurch in seiner Hand läge , dass alle seine belebenden Aussagen sich wie Wasser rund um den Globus zu verbreiten würden.
Im Jahr 1802 zog Rabbi Nachman in die ukrainische Stadt Breslev. Dort gründete er damals mit dem Namen der Stadt Breslev seine Chassidismus-Gemeinschaft, die bis heute den Namen beibehielt. Auf der Liste seiner Schüler lassen sich etliche außergewöhnliche Persönlichkeiten finden . Einer von ihnen war z. B. Rabbi Jodel aus Daschiv. Einst ging Rabbi Nachman auf ihn zu und sagte zu ihm: „Ich sehe in der Ukraine eine Seele (einen Menschen). Eine neue und reine Seele, die noch niemals auf dieser niedrig einzustufenden Welt war . . .“ Ohne weitere Erklärungen sprach er diese Sätze aus. Doch wie sich später herausstellte, sprach Rabbi Nachman damals über die reine, neue und außergewöhnliche Seele des Rabbi Nathan aus Nemirov.
Rabbi Nathan erblickte im Jahr 1780 in der ukrainischen Stadt Nemirov das Licht der Welt. Sein Vater war sowohl ein wohlhabender Unternehmer als auch ein geachteter Thorgelehrter.
Bereits im kindlichen Alter suchte er energisch nach dem Sinn und Zweck des Lebens. Einst saß der junge Rabbi Nathan in einer Synagoge neben seinem berühmten Großvater, Rabbi Itzchak Danzig. Dabei fiel ihm auf, dass der alte Mann, der sonst für gewöhnlich neben seinem Großvater saß, heute nicht zum Gottesdienst erschienen war. Als er seinen Großvater daraufhin fragte, wo der alte Mann denn sei, erklärte dieser ihm, dass er in der vorherigen Nacht verstorben war. Ab diesem Zeitpunkt ließ er keinen einzigen Tag verstreichen, ohne für sein Denken, Reden und Handeln, vor Gott Rechenschaft abzulegen.
Rabbi Nathan war darüber hinaus schon in jungen Jahren bereits ein viel versprechender Thoragelehrter . Sein damaliger Klassenlehrer war fast täglich aufs Neue erstaunt darüber, dass er keinerlei Schwierigkeiten mit dem komplizierten und äußerst schwer zu verstehenden Dialogen der Gemara (dem Babylonischen Talmud) hatte. Er hatte einfach für jede Frage die richtige Antwort – bzw. den richtigen Zusammenhang – parat.
1793 heiratete er – so wie damals üblich – bereits im Alter von dreizehn Jahren die junge Esther, die Tochter des Rabbiners David Tzvi Auerbach. Sein Schwiegervater war ein bemerkenswerter Thoragelehrter und zugleich der hauptverantwortliche Rabbiner für drei ukrainische Gemeinden, Scharograd, Mochilov und Kremenetz. Sogar Rabbi Baruch aus Meschibusch (eine der führenden Persönlichkeiten des Chassidismus) schätzte seinen Schwiegervater – Rabbi David Tzvi – äußerst hoch. Und dies trotz seiner bekannten negativen Einstellung gegenüber dem Chassidismus.
Über zwei Jahre lebte das junge Paar im Haus des Rabbis David Tzvi in der ukrainischen Provinzstadt Scharograd. Rabbi Nathan hielt von seinem Schwiegervater so viel, dass er regelrecht davon überzeugt war, außer Moses höchstpersönlich gäbe es keinen anderen Menschen mehr, der über ihm stünde.
Während jener zwei Jahre wuchs der junge Rabbi Nathan zu einem vollwertigen Thoragelehrten heran. Aufgrund seiner besonderen Intelligenz wollte ihn sein Schwiegervater sogar im Alter von nur fünfzehn Jahren als Richter in seinem rabbinischen Gerichtshof positionieren.
Das hohe Niveau von Rabbi Nathans Lernergebnissen lässt sich wohl mit Worten alleine nicht beschreiben. Sein unübertroffener Fleiß und der unbedingte Wille etwas zu lernen führten dazu, dass alle Menschen um ihn herum ihn bewunderten, wie er rund um die Uhr sich den Lernstoff einverleibte und auch verstand.
Die Intelligenz Rabbi Nathans zeigte sich auch über die Thora hinaus. Durch seine weit gespannten Kenntnisse in der Mathematik war er sogar in der Lage, mit bloßem Auge die genauen Maße eines Gebäudes zu errechnen.
Aufgrund des Wunsches seiner Eltern kehrte Rabbi Nathan gemeinsam mit seiner Frau im Jahr 1795 in seine Heimatstadt Nemirov zurück. Dort führte er konsequent sein Thorastudium fort. Sein Vater, der selbst ein überzeugter Gegner des Chassidismus war, unterstützte ihn trotzdem finanziell in dieser Zeit.
Rabbi Nathan fühlte sich zum Strom des Chassidismus nicht wirklich hingezogen, da er von der andauernder Hetzpropaganda gegen diese Bewegung umgeben war. Als er eines Tages einem Chassid des Rabbi Suscha aus Anapoli begegnete und dabei beobachtete,in welcher Harmonie und mit welcher Leidenschaft dieser die Menschen um sich herum segnete, wollte er unbedingt mehr über sie wissen. Rabbi Nathan ging auf ihn zu und fragte ihn, wer er denn sei. Als dieser Chassid ihm sagte, dass er ein Schüler des Rabbi Suschas aus Anapoli sei, entschloss sich Rabbi Nathan spontan, den chassidischen Rabbi Suscha aufzusuchen. Als er das Haus Rabbi Suschas das erste Mal betrat, verflogen alle seine Vorurteile, die er – wenn überhaupt – gegen den Chassidismus hatte. Ihn bewegte sein Anblick so sehr, dass er im Laufe der nächsten fünf Jahre ein regelmäßiger Gast im Haus dieser Rabbis wurde. Unter ihnen war z.B. Rabbi Zuschia, Rabbi Levi Itzchak aus Berditschov, Rabbi Baruch aus Meschibusch, Rabbi Gedalia Linitz und Rabbi Schalom aus Probischt.
Rabbi Nathan musste für diese Reisen stets gewaltigen Mut aufbringen, da sein gesamter Umkreis gegen die Bewegung des Chassidismus war. Rabbi Nathan war zum damaligen Zeitpunkt gerademal zwanzig Jahre alt. Außerdem war er ein äußerst gelehrter und aufrichtiger Mann, der von allen sehr gemocht wurde. Seine Familie war in Nemirov angesehen und wohlhabend zugleich, und deshalb gefährdete er sich nicht nur selbst sondern auch den guten Ruf seiner Familie, die ja als überzeugte Gegner des Chassidismus galten. Kurz gesagt hatte seine Familie bereits einen genauen Zukunftsplan für ihn in der Schublade liegen, und darin passte alles, nur nicht der Chassidismus.
Trotz all dieser Hindernisse konnte er seine Begeisterung für den Chassidismus nicht mehr ignorieren und deshalb beschloss er seinem Leben eine absolute Kehrtwende zu geben. Ihm wurde klar, dass der Weg des Chassidismus die optimale Grundlage für ein Leben bildet, das vom Glauben an Gott geprägt ist. Durch diesen Entschluss zog er allerdings den unbeschreiblichen Zorn seiner Familie auf sich.
Sobald er die heftigen Gegenwinde seiner Familie und seines Freundeskreises wahrnahm, versuchte er sie von der unbeschreiblichen Wärme und Liebe, die dem Weg des Chassidismus innewohnt , zu überzeugen. Er sagte z.B.: „Der Unterschied zwischen einem Chassid und einem Gegner des Chassidismus gleicht dem Unterschied zwischen ein und der selben Speise die einmal warm und einmal kalt serviert wird. Die Zusammenstellung der warmen als auch der kalten Speise beinhaltet in dem Fall dieselben Zutaten. Doch trotz dieser Tatsache ist die warme Speise um einiges leckerer und geschmacksvoller als die kalte!“ Sie zeigten sich von dem Gesagten selbstverständlich nicht besonders beeindruckt , allerdings veränderte Rabbi Nathan seinen Weg nicht.
Rabbi Nathan reiste damals häufig nach Berditschov, um unter der Leitung des Rabbiners Levi Itzchak zu studieren. Bei einem seiner Besuche ging er nach Beendigung seines Studientages in die örtliche Synagoge und las die Psalmen Davids, den Tehelim. Er machten dies mit soviel Herz und Hingabe , bis er einschlief. (Zu diesem Zeitpunkt handelt es sich lediglich um eine sehr kurze Dauer, nach der Aussage Rabbi Nachmans, das er nach einer neuen und reinen Seele spähte) – Rabbi Nathan träumte einen Traum, in dem er versuchte, eine Leiter hinaufzusteigen. Doch zu seinem Pech stürzte er ein um das andere Mal von der Leiter herab . . . Dieser Traum verkörperte zugleich die erste Begegnung zwischen dem atemberaubenden Rabbi Nachman und seinem einzigartigen Schüler Rabbi Nathan. Als Rabbi Nathan aufgrund seiner ständigen Abstürze kurz vorm Verzweifeln war, offenbarte sich ihm Rabbi Nachman auf der Spitze der Leiter und sagte zu ihm: „Halte dich sehr stark fest und versuche dich langsam aber sicher hochzuziehen. Einen Schritt nach dem anderen, damit du ja nicht stürzt …!“ Diese aufmunternden und lehrreichen Worte waren die ersten, die er von seinem Mentor und Lehrer entgegennahm.
Morgendämmerung
Die erste physische Zusammenkunft zwischen Rabbi Nathan und Rabbi Nachman war an einem Sonntag in Breslev am 22. Elul (1802). Als Rabbi Nathan das Haus von Rabbi Nachman betrat, blickte Rabbi Nachman auf ihn und sagte: „Jetzt bin ich nicht mehr alleine! Wir kennen uns bereits schon ziemlich lange, doch erst jetzt gelang es uns, einen den anderen von Angesicht zu Angesicht zu sehen.“
Bevor Rabbi Nachman diesen Satz von sich gab, identifizierte Rabbi Nathan ihn als den Mann, der ihm in seinem Traum aufgemuntert hatte. Bei dieser Begegnung war Rabbi Nachman 30 Jahre alt und Rabbi Nathan gerade mal 22 Jahre. Von da an klebte Rabbi Nathan – im positiven Sinne – unzertrennlich an Rabbi Nachman. Er wusste, dass er nun schlussendlich seinen Rabbi fürs Leben gefunden hatte.
Nachdem er für kurze Zeit zu sich nach Hause gefahren war, kehrte Rabbi Nathan eine Woche später nach Breslev zurück, um dort den Rosch Haschana (das jüdische Neujahrsfest) mit dem Rabbi feierlich zu verbringen. Nach Rosch Haschana bat Rabbi Nachman Rabbi Nathan darum, seine weise gesprochenen Worte, die er am Feiertag von sich gab, schriftlich fest zu halten. Nach einiger Zeit sagte Rabbi Nachman zu Rabbi Nathan, dass jedes seiner Worte für ihn bestimmt sei, und dass er deshalb alles wie bei einem Diktat aufschreiben solle. Auf diese Weise handhabten es beide bis zum Tod Rabbi Nachmans.
Rabbi Nathan entwickelte sich mit den Jahren zum engsten Schüler und Nachfolger Rabbi Nachmans, der einst z.B. sagte, dass ohne Rabbi Nathan nicht einmal ein einziges geschriebenes Blatt von ihm, geschweige denn von seiner Chassidengemeinschaft Breslev – geblieben wäre! Denn Rabbi Nathan hielt alle Worte Rabbi Nachmans akribisch fest, und ließ sie anschließend drucken und verbreiten.
Im Laufe dieses Winters lebte Rabbi Nathan im Haus seines Vaters. Allerdings war es ihm weder möglich, über seine neuentdeckte Hingabe zu Rabbi Nachman zu sprechen, noch konnte er sich frei auf den Weg nach Breslev begeben. Sein Vater, der alles andere als naiv war, bekam davon logischerweise etwas zu Ohren und verweigerte deshalb seinem Sohn (Rabbi Nathan) weiterhin am selben Tisch mit ihm zu speisen. Rabbi Nathan war deshalb gezwungen, seine Mahlzeiten im Haus seines Großvaters einzunehmen. Seine Gattin, die sich ebenso wenig für die Chassidismusbewegung begeisterte, speiste hingegen mit dem Vater Rabbi Nathans und seiner gesamten Familie. Als er kurze Zeit später auch noch offen zugab, dass er sich für den Weg Rabbi Nachmans begeistere und ihn als seinen Rabbi fürs Leben bezeichnet, verspottete ihn seine gesamte Familie in gemeinem Ton.
Die ihren Mann treu ergeben und liebende Frau Rabbi Nathans, wollte wegen der neuen Lebensweise ihres Mannes ihn selbstverständlich nicht verlieren und deshalb sprach sie mit ihrem Vater. Rabbi David Tzvi fragte daraufhin seine Tochter, ob Rabbi Nathan trotz seiner Verwandlung zu einem Chassid, immer noch so viel Zeit in das studieren der Thora investiere . Sie antwortete ihm, dass er nicht nur sein Studium fortsetzte, sondern er studiere sogar doppelt und dreifach soviel. Ohne lange zu überlegen ermahnte Rabbi David Tzvi seine Tochter, dass sie ihren wertvollen Mann in allem und bei allem unterstützen müsse !
Der Vater Rabbi Nathans ging in der Zwischenzeit ebenso in sich. Vor allem nachdem ihm seine Freunde über seine zu harte Umgangsweise mit seinem feinen und wertvollen Sohn aufmerksam machten.
Im Laufe der nächsten sieben Jahre war Rabbi Nathan ein treu ergebener Chassid seines Rabbis: Rabbi Nachman. Wie gesagt brachte er alle Lehren des Rabbis in Buchform heraus und organisierte deren Verbreitung. Unter diesen Schriftstückjuwelen waren der 1. und 2. Band des Likutey Moharan, sowie den Kitzur des Likutey Moharan (eine Kurzfassung des Werkes). Des Weiteren begann er mit dem Verfassen seines Buches Likutey Halachot, einem aus acht Bänden bestehenden Werk, das die Reihenfolge der Thoragesetze (dem Schulchan Aruch) gemäß den Lehren Rabbi Nachmans (vor allem aus seinem Buch Likutey Moharan) kommentiert.
Die Trennung
Aufgrund eines Feuersturms in der Stadt Breslev machte sich Rabbi Nachman gemeinsam mit seinem Schüler Rabbi Nathan im Jahr 1810 auf den Weg nach Uman. Die Tuberkulose, an der Rabbi Nachman bereits vor einigen Jahren schon erkrankt war, führte ein halbes Jahr später zum Tod von Rabbi Nachman. Er wollte in Uman – in der Nähe der etwa 20.000 unschuldig ermordeten Juden die durch das Massaker der Haidemacks 1768 ermordet worden waren – begraben werden.
Rabbi Nathan wich selbstverständlich kein einziges Mal von der Seite des Rabbis. Sie verbrachten gemeinsam den letzten Rosch Haschana des Rabbis in Uman. Damals beteiligten sich über sechshundert Menschen an diesem Ereignis. Zwischen dem Jom Kippur (dem jüdischen Versöhnungstag) und dem Sukot (dem jüdischen Laubhüttenfest) vertraute Rabbi Nachman Rabbi Nathan sein persönliches Testament bzw. seinen letzten Willen an.
Rabbi Nachman verstarb am 18. Tischrey 5571 (15. Oktober 1810). Rabbi Nathan fiel diese endgültige Trennung äußerst schwer. Er verlor seinen väterlichen Mentor, und deshalb war er mit seinen Nerven einfach am Ende.
Unmittelbar nach seinem Tod, machte sich einer der Breslever Chassiden auf den Weg, die Manuskripte, die nach dem Willen Rabbi Nachmans vernichtet werden sollten, zu verbrennen. Als Rabbi Nathan sich dem Feuerball der Manuskripte seines väterlichen Mentors näherte, begann er verbittert zu weinen. Als man ihn anschließend fragte, weshalb er sich diesem Anblick ausgesetzt hatte , erklärte er, dass er wenigstens den Rauch der heiligen Lehren des Rabbis einatmen wollte.
Als Rabbi Nathan nach dem Laubhüttenfest zu seiner Familie nach Nemirov zurückkehrte, wartete auf ihn bereits die nächste Schreckensmeldung. Sein Bruder verstarb!
Rabbi Nathan wusste nicht mehr ein und aus. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und deshalb wusste er auch nicht, welche Richtung er in seinem weiteren Leben einschlagen sollte. Plötzlich erinnerte er sich an eine Geschichte, die Rabbi Nachman einem seiner Chassiden erzählt hatte. Die Moral dieser Geschichte ergab, dass ein Chassid sich stets auf dem Weg halten muss, den sein Mentor ihm vorgibt. Dies gilt selbstverständlich auch für die Zeit nach dem Tod des Mentors. Rabbi Nathan gab diese Erinnerung einen positiven Impuls. Er tankte dadurch genügend Kraft und Motivation, sein Leben wieder von der Freude und dem Glück bestimmen zulassen.
Noch im selben Moment begriff Rabbi Nathan, dass seine Lebensaufgabe darin bestünde die Mission Rabbi Nachmans zu vollenden. Er verstand, dass es in seiner Hand liegt, den Traum des Rabbis in Erfüllung gehen zu lassen, indem er seine Lehren weltweit verbreitet und somit die gesamte Menschheit an das größte Geschenk für diesen Planeten näher bringt, den Glauben an Gott und dem Wissen, dass alles nur zum Guten ist.
Im Winter 1822, fuhr Rabbi Nathan mit seinem Schüler, Rabbi Jehuda Eli´ezer, in das Heilige Land – nach Israel. Dort verbrachten sie einen Monat. Die gesamte Reisezeit belief sich damals auf zehn Monate.
Seine letzten Tage
Einige Stunden vor seinem Tod offenbarte Rabbi Nathan seinen Schülern seinen letzten Willen: „Haltet stets zusammen und liebt einander.“ Er verstarb an einem Freitag, den 10. Tewet 5645 (1884), im Alter von 65 Jahren in der ukrainischen Stadt Breslev.
Ein sehr enger Freund Rabbi Nathans – Rabbi Naftali -, der sich zum Zeitpunkt seines Todes in Uman aufhielt, zeigte sich von der Übertragung dieser Todesnachricht äußerst bestürzt. Allerdings sagte er, dass ihm bereits sein Tod bekannt war. Daraufhin fragten ihn einige Menschen woher er denn dies – bitteschön – wusste!? Er erwiderte: „An dem Tage, an dem Rabbi Nathan verstarb, hatte ich einen Traum, in dem ich sah, wie er voller Begeisterung, zielstrebig in eine bestimmte Richtung lief. Ich rief ihm deshalb fragend entgegen, wohin er den laufe!? Er antwortete mir: Ich laufe geradewegs zum Rabbi (Rabbi Nachman)! Aufgrund dessen wusste ich, dass er nicht mehr unter den Lebenden weilt.“
Rabbi Nathan wurde am Sabbatausgang, den 12. Tewet 1884, am Eingang zum Friedhof in Breslev bestattet. Trotz der Tatsache, dass sie sich mitten im Winter befanden, erhellte der Mond in einer klaren Sternennacht die Beerdigung Rabbi Nathans. Seine Anhänger waren durch diesen Anblick äußerst gerührt, da sie durch den Mond, der ja das Licht der Sonne widerspiegelt, daran erinnert wurden, dass Rabbi Nathan zum einen seinem Mentor und Lehrer sein gesamtes Leben gewidmet hatte , und zum anderen das komplette Lebenslicht Rabbi Nachmans reflektierte.
Nach seinem Tod wurden seine Bücher „Alim Litrufa“ (ein Sammelwerk aller Briefe, die er seinen Anhängern und denen von Rabbi Nachman schrieb) und „Jemey Moharnat“ (sein persönliches Tagebuch) veröffentlicht.
Rabbi Nathan hinterließ fünf Söhne, Schachna, Itzchak, David Tzvi, Nachman, Josef Jona und eine Tochter, Chana Tzirel.
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