Ace Ige

In Israel sieht man z.Zt., sehr viele Juden mit Holz unter dem Arm herumlaufen … Nur weshalb? Droht uns etwa eine Winterzeit ala „Ace Ige“?

3 Min.

Dr. William Stern

gepostet auf 05.04.21

In Israel sieht man z.Zt., sehr viele Juden mit Holz unter dem Arm herumlaufen … Nur weshalb? Droht uns etwa eine Winterzeit ala „Ace Ige“? Das Gegenteil ist wohl der Fall!

In Israel beginnt bzw. ist bereits Sommer und das gesammelte Holz dient daher keineswegs der Wärmeerbringung. Alle sammeln ganz fleißig, da es für den anstehenden Feiertag Lag BaOmer benötigt wird. Was genau dieser außergewöhnliche Feiertag an sich hat, werden wir nun mit Gottes Hilfe durch den Artikel von Dr. William Stern versuchen zu erläutern: 
 

Die Botschaft Lag BaOmers
 
In mehreren Quellen finden sich Hinweise auf Lag BaOmer, den 33. Tag im Omer und Erklärungen seiner Bedeutung. In Bezug auf die Pluralität der Erläuterungen gilt hier, wie anderswo, das Diktum unserer Weisen:„Diese wie jene sind die Worte des Lebenden Gottes“. Diese Regel kommt sogar dort zur Anwendung, wo eine klar erkennbare Unterschiedlichkeit oder Gegensätzlichkeit in den Erklärungen feststellbar ist. Oft aber lässt sich sehr wohl die Ansicht vertreten: „Der eine Meister hat eine Sache gesagt und ein anderer eine andere, und doch widersprechen sie sich nicht.“

Was Lag BaOmer betrifft, so nennt der Schulchan Aruch – unser halachischer Kodex für die tägliche Praxis – für das Begehen dieses Tages den bekannten Grund, dass bei einer schlimmen Epidemie, die unter den Schülern Rabbi Akiwas wütete, das Massensterben an diesem Tage aufhörte. Dies ist eher ein passiver Grund, und zwar deshalb, weil nichts wirklich getan wurde, keine menschliche Aktion erfolgte, es war lediglich das Ende einer Katastrophe.

Auf der anderen Seite aber wird uns bedeutet, dass Lag BaOmer ein großer Freudentag für den Tannaiten Rabbi Schimon bar Jochai (Raschbi) war. An ihm starb er, und er schwang sich himmelwärts, wie er es ausdrückte: „Dies ist ein Tag von Erfüllung … Meine Seele ist mit ihm vereint, entfacht durch Ihn, vertieft in Ihn …“. „Diese Freude war so groß, dass daraus ein Freudentag für alle Juden wurde; für alle wurde es eine Mizwa, sich in Raschbis Freude mitzufreuen.“

Trotz der scheinbaren äußerlichen Unterschiedlichkeit besteht eine unverkennbare Verbindung und Wechselbeziehung zwischen diesen beiden Aspekten von Lag BaOmer. Denn nach der Epidemie unter den Schülern Rabbi Akiwas war gerade Raschbi einer der wenigen, die verschont blieben, um eine verwüstete Welt (spirituell) wiederherzustellen. In der Tat war er einmalig und ausgezeichnet unter den Schülern, wie Rabbi Akiwa selbst bezeugte, als er zu ihm sagte: „Sei beruhigt – ich sowohl wie Dein Schöpfer sind uns Deines Wertes bewusst.“

Bekanntlich war jene Epidemie ausgebrochen (wie der Talmud betont), weil die vielen Schüler es versäumt und vernachlässigt hatten, sich gegenseitig mit gebührender Rücksicht und Achtung zu begegnen. Unter solchen Auspizien nun konnte Raschbi diese Aussage machen: „Ich bin gewillt und in der Lage, die Welt von der Verurteilung freisprechen zu lassen, von dem Tage an, da ich geschaffen worden bin, bis zu diesem Augenblick – im Gegensatz zu dem, und in Wiedergutmachung dessen, was die anderen Schüler mit ihrer Vernachlässigung der gegenseitigen Achtung versäumt haben.“

Wie bei allen anderen Gedenktagen unseres Kalenders muss man sich der Bedeutung und „Botschaft“ von Lag BaOmer so bewusst sein, dass aus diesem „Lernen“ dann das entsprechende „Tun“ folgt: Raschbi ist bezeichnend (neben anderen Eigenschaften) für eine Person, die (1.) das Studium der Tora als ihren „Beruf“ ansieht und (2.) eine solche „Ahawat Israel“ (Liebe zum Nebenmenschen) fühlt und zeigt, dass sie „die ganze Welt“ umfasst, jeden einzelnen, sogar denjenigen, auf den Gottes Urteil harrt und für den daher ein Freispruch dringend wichtig ist.

Was das notwendige praktische Verhalten betrifft, so ergibt sich diese Frage: Wer kann heutzutage für sich beanspruchen, er könne das Niveau von Raschbi und seiner Kollegen erreichen, Männern, für die das Tora-Studium ihr „Beruf“ (gleich „Berufung“) war? – Dennoch ist es jedem einzelnen möglich, feste Termine für das Lernen von Tora zu bestimmen, damit wenigstens zu solchen Zeitpunkten das Lernen eine Norm erreicht, wo es für ihn zum „Beruf“ wird – das heißt, dass dann alle anderen Tätigkeiten ruhen.

So ist zu hoffen und zu wünschen, dass dieser Tag von Lag BaOmer, wie er unter so günstigen Vorzeichen steht, jeden Juden anfeuern und ihm die Kraft geben wird, für das Lernen der Tora regelmäßige Termine festzulegen, so dass dann die Tora sein „Beruf“ ist. Jemand, der diese schon immer einhält, soll seinen Einsatz vergrößern und verdoppeln, dem Ausspruch unserer Weisen gemäß: „Jemand, der einhundert hat, wünscht für sich zweihundert“ – und alles im Geiste von „Ahawat Israel“.

Dr. Stern arbeitete als Lehrer in Manchester, später in London. Er verstarb am ersten Tag von Chanukka im Jahre 5756 (1995). Der Rebbe (Rabbi Menachem Mendel Schneerson) persönlich beauftragte Dr. Stern Anfang der 1970-iger Jahre mit der Übersetzung der "Thought for the Week" von Rabbi Yitzhak Meir Kagan. Dr. Stern lehnte zunächst mit der Bemerkung ab, dass „Deutschland eine spirituelle Wüste sei.“ Rabbi Menachem Mendel Schneerson antwortete ihm: „Aber die Tora wurde in der Wüste gegeben!“

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Der Autor ist Mitglied der Chabad-Bewegung, mehr dazu finden Sie 
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