Wa’etchanan-Psalm 90

Studiert jemand den Wochenabschnitt Wa'etchanan und dann Psalm 90, um einen Berührungspunkt zu finden, dann springt ein gemeinsames Thema gleich ins Auge.

2 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 05.04.21

Wa'etchanan-Psalm 90

Selbsterkenntnis und Gebet

 

 

Studiert jemand den Wochenabschnitt Wa'etchanan und dann Psalm 90, um einen Berührungspunkt zu finden, dann springt ein gemeinsames Thema gleich ins Auge. Der Wochenabschnitt beginnt mit einem Gebet von Mosche Rabbenu: „In jener Zeit flehte ich den Ewigen an und sprach. Herr, Ewiger, du hast angefangen deinem Knechte deine Größe und deine starke Hand zu zeigen. Ja, wo gäbe es einen Gott im Himmel und auf Erden, der es dir in deinen Werken und in deinen Machttaten gleichtun könnte. So lass mich doch hinüberziehen und das schöne Land sehen, dieses schöne Bergland und den Libanon“ (Dewarim 3, 23 bis 25). Und der erste Vers von Psalm 90 lautet: „Gebet (hebr.: Tefilla) von Mosche, dem Manne Gottes. Herr, Zuflucht bist du uns gewesen in allen Geschlechtern.“
 
Wie Raschi in seinem Kommentar zum zitierten Tora-Vers bemerkt, gibt es in der hebräischen Sprache zehn Ausdrücke für das Gebet. „Wa'etchanan“ verweist auf einen Gnadenakt: Mosche Rabbenu hat sich nicht auf seine Verdienste berufen, sondern um ein Gnadengeschenk gefleht. Rabbi Jochanan zog aus dieser Stelle den Schluss, dass ein Geschöpf keine Forderungen an den Ewigen stellen kann (Midrasch Dewarim Rabba 2,1).
 
Eine andere Seite des Gebets wird in Psalm 90 durch den Begriff „Tefilla“ zum Ausdruck gebracht. Wie Rabbiner  Hirsch wiederholt bemerkt hat (Chorew, § 618; Kommentar zu Psalm 17, 1), bedeutet Tefilla nicht: Bitte, sondern vielmehr: „Selbstbeurteilung, das Streben nach Gewinnung einer richtigen Erkenntnis vor Gott.“ Dass es bei der Tefilla um Selbsterkenntnis geht, kann man sich am Beispiel von Psalm 90 deutlich machen. Der Psalmist betont die Ewigkeit Gottes: „Von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du Gott“ (Vers 2) und  unterstreicht die Vergänglichkeit des Menschen. „Unsere Lebenszeit währt 70 Jahre, und wenn es hoch geht 80 Jahre, und darin drängt sich Elend und Unheil, denn schnell enteilt es und wir müssen davon“ (Vers 10). Wer sich der Begrenztheit seiner Tage bewusst ist, der bittet den Ewigen mit dem Psalmisten: „Lehre uns unsere Tage zählen, damit wir weisen Herzens seien!“ (Vers 12).

 

 

Der Autor ist Psychologe und hat an der Universität Köln gelehrt.

Sagen Sie uns Ihre Meinung!

Danke fuer Ihre Antwort!

Ihr Kommentar wird nach der Genehmigung veroeffentlicht.

Fuegen Sie einen Kommentar hinzu.