Omer-Zählen
Wenn man die Zeit des Omer-Zählens erklärt, liegt es nahe, die bekannten Interpretationen zu bemühen und die Verbindung von Pessach und Schawuot zu beschreiben...
Von Pessach bis Schawout: 50 Tage
Wenn man die Zeit des Omer-Zählens erklärt, liegt es nahe, die bekannten Interpretationen zu bemühen und die Verbindung von Pessach und Schawuot zu beschreiben, etwa die Verbindung zwischen Freiheit und Gesetz.
Es liegt auch nahe, von den Bräuchen dieser Zeit zu berichten, die viele Aspekte des Trauerns umfassen, oder von den Unglücken, die während der Omer-Zeit über das jüdische Volk kamen: seien es die toten Schüler von Rabbi Akiwa, die Ausschreitungen während der Zeit der Kreuzzüge (1096–1099), der Aufstand im Warschauer Ghetto und dessen Niederschlagung. Im Laufe der Zeit sind Bedeutungsebenen hinzugekommen, aber die Omer-Zeit hat ihren Ursprung in der Tora.
Alle Feiertage und Festzeiten begegnen uns in der Tora zweimal (etwa im 3. Buch Mose 23 und im 4. Buch 28–29). Doch die Omer-Zeit wird nur einmal genannt. Im 3. Buch Mose 23, 11–16 wird geboten, das »Omer vor Haschem zu schwingen«. Es heißt: »Und ihr sollt zählen vom Tage nach der Feier (gemeint ist Pessach) an, von dem Tage, da ihr dargebracht habt die Omer-Schwingung (Speiseopfer) sieben volle Wochen. Bis zum anderen Tag nach der siebenten Woche sollt ihr 50 Tage zählen, dann sollt ihr Haschem ein neues Speiseopfer darbringen.«
HOHLMASS
Im Tempel brachte man folgerichtig am 16. Nissan ein Omer Gerste – »Omer« steht hier für ein Hohlmaß und entspricht etwa 3,6 Liter – als Opfer dar, zählte die vorgeschriebenen Tage ab und brachte dann zu Schawuot ein weiteres Opfer. Man zählt also eigentlich die Tage vom Omer an ab. Heute, da der Tempel längst zerstört ist, kann man dieses Opfer natürlich nicht mehr bringen, und dennoch wird an der Zählung festgehalten.
Maimonides, der Rambam (1135–1204), schreibt in seinen Hilchot Tamidin uMussafin (7,22), man könne davon ausgehen, dass die Mizwa, Omer zu zählen, direkt aus der Tora stamme. Der Autor des Schulchan Aruch, Rabbiner Josef Karo (1488–1575) hingegen hält das Omer-Zählen nur dann für eine Mizwa aus der Tora (Orach Chajim 489), wenn man auch das Omer-Opfer bringen kann. Heute sei die Omer-Zählung eine rabbinische Verordnung, die weiterhin an das vorgeschriebene Opfer im Tempel erinnert.
So ist es nun üblich, nach dem Ma’ariw, dem Abendgebet, Omer zu zählen. Nach einem Segensspruch, einer Bracha, spricht man den Satz: »Heute ist der soundsovielte Tag seit dem Omer«. Ab dem siebenten Tag wird auch die Zahl der Woche hinzugefügt, etwa: »Heute sind es sieben Tage, welche eine Woche sind, seit dem Omer.«
Hier wird es noch einmal interessant. Weil der jüdische Tag am Abend beginnt, liegt es nahe, sofort, wenn er gerade begonnen hat, mit der Zählung des neuen Tages zu starten. Aber man könnte wohl auch zu jeder anderen Tageszeit zählen. Doch nein! Der Talmud (Menachot 66a) weist darauf hin, dass es im Text der Tora ausdrücklich heißt, es müssten »volle« Wochen gezählt werden, und das könnte nur dann erreicht werden, wenn man »volle« Tage zähle.
Um dies zu erreichen, muss man also direkt am Abend beginnen, damit die Tage tatsächlich »vollständig« sind – volle Tage, deren viele Bedeutungsebenen erst später hinzukamen und weiter hinzukommen werden.
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