Vorbild

Bestes Beispiel - Wir sollen wie Avraham sein und alle Mizwot befolgen...

4 Min.

Rabbiner David Goldberg

gepostet auf 05.04.21

Die Parascha „Lech Lecha“, beginnt mit eben diesen zwei Wörtern, die den gleichen Wortstamm haben. Nimmt man nach der Gematria die Gesamtsumme der vier hebräischen Buchstaben von den beiden Wörtern: „Lech Lecha“, erhält man die Zahl 100. Das könnte man als Beweis dafür sehen, dass Avraham, wenn er sein Land verlässt, einen großen Lohn erhält. Tatsächlich wird Avraham mit 100 Jahren Vater von Jitzchak.

 

In unserem Abschnitt unterzieht G’tt Avraham sechs Prüfungen (von insgesamt zehn). Dabei geht es darum, dem Ewigen zu zeigen, inwieweit Avraham bereit ist, Ihm zu dienen, ohne Fragen nach dem Sinn und Warum zu stellen. Wenn der Mensch durch verschiedene Prüfungen geht, nähert er sich G’tt an und geht gestärkt daraus hervor.

 

AUFFORDERUNG

 

Unser Abschnitt startet mit der Aufforderung an Avraham, sein Land, seine Heimat und sein Elternhaus zu verlassen. Der Text erläutert nicht, wer die Person Avraham ist. Umgekehrt heißt es bei Noach: »Noach war ein gerechter Mann, tadellos in seiner Zeit.« Allerdings haben wir am Ende des vergangenen Wochenabschnitts gelesen, wie Avraham geboren wurde und dass sein Vater Terach hieß. Der Abschnitt berichtet davon, dass Avrahams Bruder Haran noch vor dem Vater in Ur-Kasdim starb.

 

Raschi (1040–1105) bringt einen Midrasch, der davon erzählt, wie Terach sich bei König Nimrod darüber beschwert, dass sein Sohn Avraham alle seine Götzen zerschlagen hat. Als Strafe legt der König fest, Avraham solle verbrannt werden. Doch G’tt schützt ihn vor den Flammen. Darum nennt man den Platz Ur-Kasdim (Ur bedeutet Feuer).

 

Ramban (1194–1270), bekannt auch als Nachmanides, sagt aus diesem Grund im Kapitel 15, Vers 7: »Ich bin der Ewige, der dich aus Ur-Kasdim herausgeführt hat, um dir dieses Land zum Erbsitz zu geben.« In der Tora steht »hozeticha«; das ist das gleiche Wort, das die Tora beim Auszug aus Ägypten verwendet. Wenn die Tora nur gemeint hätte, Avraham werde aus der Stadt herausgeführt, hätte man zum Beispiel »lekachticha« verwendet.

 

PRÜFUNG

 

Warum steht in der Tora nicht eindeutig geschrieben, dass es sich bei Avrahams Verbrennung um eine Prüfung handelte? Warum ist das die einzige Prüfung, von der im Morgengebet geschrieben ist (Nechemja 9, 6-11)? Eine Antwort gibt uns Rabbiner Zwi Medinov. Er sagte, von Avrahams erster Prüfung stehe deshalb nichts in der Tora, weil wir sonst gedacht hätten: G’tt beschützt ihn ja, da wird er alle weiteren Prüfungen schon auch bestehen. Doch wir sollen verstehen, dass Avraham deshalb alle Prüfungen bestanden hat, weil er G’tt von ganzem Herzen liebte und ihm diente. Aus diesem Grund ist von dieser Prüfung nichts in der Tora zu lesen. Doch damit wir verstehen, dass es sich um eine Prüfung handelt, schreibt der Prophet Nechemja darüber.

 

Eine weitere Frage, die sich stellt, ist, ob sich Avraham überhaupt hätte verbrennen lassen müssen? Er lebte doch in der Zeit, als G’tt Mosche die Tora noch nicht gegeben hatte. Damals gab es noch kein Verbot des Götzendienstes. Avraham liebte G‘tt so sehr, dass er alle Prüfungen auf sich nahm.

 

Avraham ist das Gegenteil von uns. Wenn wir von G’tt geprüft werden – sei es durch Krankheit, finanziellen Verlust oder etwas anderes –, schimpfen wir meistens auf den Ewigen und fragen, warum Er das gerade bei uns zulässt. Wir verstehen nicht, dass G’tt uns prüft oder uns für Dinge straft, die wir falsch gemacht haben. Es ist falsch von uns, auf G’tt zu schimpfen. Wir sollten die Prüfungen und Strafen genauso in Liebe und Vertrauen in G’tt akzeptieren, wie Avraham es tat.

 

Es gibt im Babylonischen Talmud, Traktat Sanhedrin (74b) eine Diskussion, ob es die Pflicht von Avraham gewesen ist, für Kiddusch Haschem, die Heiligung des g’ttlichen Namens, zu sterben oder nicht. Der Talmud kommt zu dem Schluss, dass es nicht nötig gewesen wäre, dass Avraham sich opfert, denn es habe noch keine Tora gegeben.

 

Jede Geschichte in der Tora gibt uns die Möglichkeit, zu lernen und nicht nur die historische Geschichte zu lesen. Rabbi Dov von Mezeritsch (1704–1772) vergleicht Avraham mit einem Knecht, der immer mehr als den Willen seines Herren erfüllen will. Rabbi Mezeritsch stellt die Frage, wer besser ist: der Knecht, der das Wasser holt, weil es sein Herr befohlen hat, oder derjenige, der das Wasser holt und dann gleich weiterverwendet und mit dem Wasser arbeitet. Avraham ist wie der zweite Knecht.

 

So ist es auch bei Avrahams zehnter Prüfung. G’tt befiehlt Avraham, seinen Sohn Jitzchak zu opfern. Kurz vorher hatte G’tt ihm noch verheißen, er würde durch Jitzchak zahlreiche Nachkommen erhalten. Dies wäre ein guter Grund für Avraham gewesen, nicht nach G’ttes Befehl zu handeln. Doch Avraham überlegt anders und handelt so, wie G’tt ihm befohlen hat: Er bringt seinen Sohn als Schlachtopfer dar – und hält erst dann inne, als ein Engel ihm G’ttes Befehl überbringt, seinen einzigen Sohn nicht zu opfern.

 

HINTERGRUND

 

Wir lernen aus all diesen Geschichten, dass wir wie Avraham sein und alle Mizwot ausführen sollen – auch, wenn wir manchmal den Hintergrund nicht verstehen. Es ist gut, jede noch so kleine Tätigkeit für G’tt in Liebe und mit Kawana (Andacht) auszuführen, ganz gleich, ob es sich um eine große oder kleine Mizwa, ein Gebet oder sonstiges handelt. Wir sollen nichts tun nur um des Ausführens willens. Denn nur, wenn wir G’tt in Liebe und mit Andacht dienen, nähern wir uns Ihm an.

 

Eine weitere Besonderheit gibt es in diesem Toraabschnitt. Im Kapitel 15,17 steht geschrieben: »Esch ascher avar bin.« Wenn man die Buchstaben dieser vier Wörter anders anordnet, ergibt sich: »Esch Esch ra be’rabin«, das heißt ins Deutsche übersetzt: »Feuer, Feuer, schlecht an Rabin«. Der Wochenabschnitt wurde an jenem Schabbat im November 1995 gelesen, als ein religiöser Fanatiker Israels Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin in Tel Aviv erschoss. Der Premier wurde mit zwei Schüssen getötet: zwei Mal Esch (deutsch: Feuer). An diesem Beispiel sieht man, dass die Tora wirklich von G’tt geschrieben wurde und nur Er die Zukunft kennt.

 

Der Autor ist Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Hof (Saale) und Mitglied der ORD. Dieser Artikel erschien in: Jüdische Allgemeine Wochenzeitung

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