Die heilige Motivationsspritze

Im Zusammenhang mit der Zerstörung des Tempels hat Gott die Propheten gefragte: „Warum ist der Tempel zerstört worden?“

5 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 15.03.21

Im Zusammenhang mit der Zerstörung des Tempels hat Gott die Propheten gefragte: „Warum ist der Tempel zerstört worden?“

 

Die Propheten haben nicht wirklich gewusst und konnten auch nicht verarbeiten, warum Gott sie mit dieser Frage konfrontiert. Es ist ja allen bekannt, warum der Tempel zerstört wurde. Der Tempel ist zerstört; der zweite Tempel liegt in der Geschichte, dass einfach keine Nächstenliebe da war. Jeder war ein Egoist. Jeder hat sich nur für sich selbst interessiert. Jeder hat den anderen grundlos gehasst. Deswegen ist der Tempel zerstört wurden.

 

Jetzt fragt Gott die Propheten: „Warum ist der Tempel zerstört worden?“ Die Propheten haben sich gegenseitig angeblickt und konnten mit der Frage nicht wirklich etwas anfangen, weil sie wussten, warum – weil jeder jeden grundlos gehasst hat. Jeder Hass ist ein grundloser Hass. Warum hasst du ihn? Weil du denkst, dass du besser bist als er! Nur deswegen hast du ihn. Und deswegen haben die Propheten diese Frage nicht verstanden. Sie verstanden nicht, was Gott von ihnen möchte.

 

Warum hast Du Tempel zerstört worden? Gott, Du musst es am besten wissen. Wegen dem grundlosen Hass, der sich unter den Menschen befand. Und dann hat Gott natürlich gesehen, dass die Propheten untereinander nicht die Antwort entdeckt haben. Sie haben nicht wirklich gewusst, warum der Tempel zerstört wurde. Und Gott gab den Propheten zur Antwort: „Ich frage euch nicht wegen der Frage warum der Tempel zerstört worden ist, sondern ich frage euch nach der Ursache. Wie kann es sein, dass der Tempel hier in Jerusalem steht – das Heiligtum aller Heiligtümer?“

 

Jeder, der ein bisschen depressiv war; jeder, der traurig war; jeder, der damals eine Motivationsspritze benötigt hatte, als dieser Tempel noch stand, ging sofort zum Tempel und hatte Wunder über Wunder gesehen, die dort tagtäglich im Tempel stattfanden. Das hatte ihnen sofort Motivation gegeben, weil sie an diesem Ort durch die vielen übernatürlichen Dinge, die dort geschehen sind, die Göttlichkeit spürten – jeden Tag 24 Stunden rund um die Uhr. Das hat jedem die Motivationsspritze gegeben. Jeder war richtig motiviert, hat sich angesprochen und happy gefühlt.

 

Und jetzt stellt Gott die Frage, was die Ursache ist, dass der Tempel zerstört wurde. Wie kann es sein, dass der Tempel steht, jeder die Wunder und Göttlichkeit sieht? Wie kann es sein, dass die Leute sich untereinander hassen? Wie kommt es zu solch einem unteren Level, wo sie gegenseitig streiten wegen einem Parkplatz? Wegen irgendeiner Lappalie? Wie kann es sein, dass Mann und Frau zu Hause nicht in Frieden ihren Alltag gestalten? Wie kann es sein, dass ein Kind frech wird gegenüber seinen Eltern? Und das in der Zeit, wo der Tempel steht?

 

Deshalb hat Gott die Propheten gefragt, warum der Tempel zerstört wurden ist. Dass sie sich gegenseitig gehasst haben, kein gegenseitiger Respekt da war und jeder auf den anderen gepfiffen hat, ist das Resultat dessen, dass sie die Tora von Beginn an nicht wirklich mit Herz akzeptiert haben. Das bedeutet, ein Mensch ist jetzt kein Zaddik und er begeht irgendeine Sünde. Er fährt an Schabbat zur Synagoge. Was denkt er sich jetzt? „Wenn ich jetzt schon den Schabbat entehre, indem ich Auto fahre, dann brauche ich erst gar nicht in die Synagoge zu gehen und dort zu beten. Da brauche ich nicht dies und jenes zu tun, da ich sowieso schon den Schabbat entehrt habe. Ich esse jetzt, ohne zu segnen. Warum soll ich jetzt koscher essen?“ Lauter solche Fragen.

Und das war der Grund, warum Gott diese Frage gestellt hat, weshalb der Tempel zerstört wurde. Das ist die Ursache dessen, dass jeder sein Selbstwertgefühl verloren hatte. Und das ist das. Was Rabbi Akiva gesagt hat: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Rabbi Nachman aus Breslev lehrt: „Wenn du nicht imstande bist, dich selbst zu lieben, wie sollst du dann anderen Liebe geben oder für ihn empfinden können?“

 

Und genau das ist es, dass du dich selbst unterbutterst, dich selbst unterdrückst dich selbst immer an den Pranger stellst, den schwarzen Peter dir selbst zuschreibst. Er fährt mit dem Auto an Schabbat zur Synagoge. Natürlich ist das nicht gut, denn es ist eine Verfehlung. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass du das, was du jetzt noch tun kannst, nichts wert ist, nur weil du einen Fehler begangen hast. Und das war das, was Gott den Propheten mitgegeben hat, deswegen steht es für uns alle geschrieben, damit jeder weiß wie wichtig es ist. Jedes Gebot, das du erfüllst, ist etwas Unendliches. Warum hat Gott jedes Tier so geschaffen, dass, sobald es auf die Welt gekommen ist, gehen kann. Es ist eigenständig und braucht keine große Hilfe.

 

Du hast jetzt ein Kind bekommen. Wie lange dauert es, bis es in Bewegung kommt. Die ersten Monate kann es sich überhaupt nicht bewegen und nicht umdrehen; liegt nur auf dem Rücken. Du bestimmst alles. Warum hat Gott es bei uns Menschen so getan? Für Gott sind wir wie diese zwei Monate alten Kinder. Alles was wir für Ihn tun, bereitet ihm Freude. Er sagt: „Mein Sohn – wie süß.“ „Schau dir Meine Tochter an – wie goldig und lieb, was sie tut.“

Du nimmst ein Glas Wasser und sprichst den Segen darüber. Du versuchst an Schabbat einen Teil von Schabbat zu halten, auch wenn es dir schwerfällt. Gehe alles langsam an. Easy Doing ist die Device im Judentum. Mit Stress, Streit und Aggressivität geht gar nichts. Alles geht nur mit Easy Doing. Mit dem Wissen, dass alles, was ich für Gott tue, sieht mich Gott an und sagt: „Wahnsinn, wie süß, wie lieb.“

 

Das ist der Grund, warum dieser Tempel damals zerstört wurde – wir haben dieses Wissen verloren, dass, wenn ich jetzt eine Verfehlung begehe und mich als Jude für etwas im Judentum nicht interessiere, es noch lange nicht bedeutet, dass etwas anderes nicht gut ist. Wenn du den Schabbat nicht so ehrst, wie es sich gehört, dann bedeutet dies noch lange nicht, dass du eine Hawdala nicht ausführen sollst. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Der Grund der Zerstörung des Tempels war gewesen, weil die Menschen es vergessen haben und dachten, das eine hätte doch etwas mit dem anderen zu tun. Sie waren der Meinung, wenn sie dies nicht tun, brauchen sie erst recht nicht das andere zu tun. Und so haben sie die Liebe zu den Mizwot und somit zu HaShem verloren. Das war der Ursprung von allem. In dem Moment, wo ein Mensch die Liebe zu Gott verliert – er einfach weiß, dass Er mit ihm sprechen kann; dass Er ihm helfen kann; dass er im Bezug mit HaShem immer weiß, dass er immer „fotografiert“ wird; dass einfach jemand da ist und über ihn steht – hat er den Bezug zu allem, was gut ist, verloren. Wenn er denkt, „Ich bin jetzt der Chef. Ich bin jetzt der große Big Ben. Ich muss angeschaut werden. Ich bin die Metropole. Ich bin der Held. Ich bin der Superstar. Ich bin alles. Ich ich, ich, ich, ich, ich …“ Entweder siehst du HaShem oder du siehst nur dich selbst.

 

Du musst verstehen, dass du süß und goldig bist in den Augen Gottes – und alles, was du tust, auch.

 

Jede Verfehlung, die du begangen hast, hast du nun mal gemacht und kann nicht rückgängig gemacht werden. Was war, das war. Man blickt nur nach vorn und beschäftigt sich nicht damit, was hinter einem los war. Vergiss, was war, wenn du dich dafür bei Gott (und ggf. bei der Person, die du verletzt hast) aufrichtigen Herzens entschuldigt hast.

Rabbiner Shalom Arush lehrt uns: „Wenn du etwas tust und du hast dich bei Gott entschuldigt, wenn es etwas Falsches war, vergiss es in dem Moment. Streiche es aus deinem Kopf, als wenn du es nicht getan hast.“

 

Und so können wir es schaffen, den Tempel wieder zu erbauen – den Tempel wieder aufs Neue zu errichten. Wir Juden beten jeden Tag zu HaShem, dass der Tempel bald in unseren Tagen wieder erbaut werden soll. Es ist unsere Hoffnung, unser Wunsch, dass Gott uns den Tempel baut. Das wollen wir und dafür beten wir jeden Tag.

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