Werbung für Gott

Wir erfahren, wie diese Werbung betrieben werden soll, nämlich durch vorbildliches Verhalten im zwischenmenschlichen Bereich.

3 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 15.03.21

Wir erfahren, wie diese Werbung betrieben werden soll, nämlich durch vorbildliches Verhalten im zwischenmenschlichen Bereich.

 

Im Schma-Gebet („Höre Israel“), das Juden sowohl morgens als auch abends rezitieren, erinnern sich Beter an das Gebot der Liebe zu Gott: „Und du sollst lieben den Ewigen, deinen Gott, mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Vermögen“ (5. Buch Mose 6,5). Was bedeutet es, Gott zu lieben? Die geläufige Antwort lautet: Man soll die Tora sorgfältig studieren und ihre Mitzwot stets mit Liebe erfüllen. Weniger bekannt ist eine andere Antwort, die wir in einer Barajta (Joma 86 a) finden.

 

Die alternative Erklärung lautet: „Es wurde gelehrt: Und du sollst lieben den Ewigen, deinen Gott – der Name des Himmels soll durch dich beliebt werden. Wenn jemand die Schrift liest, das Gesetz studiert und Umgang mit Gelehrten pflegt und im Verkehr mit Menschen höflich ist, was sprechen die Leute über ihn? Wohl ihm, der die Tora gelernt hat, wohl seinem Vater, der ihn die Tora lehrte, wohl seinem Lehrer, der ihn die Tora lehrte. Dieser Mann hat Tora gelernt: Seht doch, wie schön sein Wandel, wie rechtschaffen sein Verhalten! Über ihn sagt die Schrift: Und Er (Gott) sprach zu mir: Mein Diener bist du, Israel, auf den ich stolz bin (Jesaja 49,3)“. Die Barajta lehrt, dass das Gebot der Gottesliebe auch die Werbung für Gott und die Tora beinhaltet. Wir erfahren, wie diese Werbung betrieben werden soll, nämlich durch vorbildliches Verhalten im zwischenmenschlichen Bereich.

 

Um ihre Pointe zu verdeutlichen, zeichnet die Barajta auch ein Gegenbild: „Wenn jemand aber die Schrift liest, das Gesetz studiert und Umgang mit Gelehrten pflegt, im Handel jedoch nicht gewissenhaft ist und im Umgang mit Menschen nicht höflich ist, was sprechen die Leute über ihn? Wehe diesem, der Tora gelernt hat, wehe seinem Vater, der ihn Tora lehrte, wehe seinem Lehrer, der ihn Tora lehrte. Dieser Mann hat  Tora gelernt: Seht doch, wie verderbt ist sein Verhalten, wie hässlich sein Wandel! Über ihn sagt die Schrift: Und unter den Völkern, wohin sie kamen, entweihten sie meinen heiligen Namen, indem man von ihnen sprach: Das ist das Volk des Ewigen, und doch musste es aus seinem Lande fort (Hesekiel 36,20)“. Gewarnt wird hier vor einem Verhalten, das zu einer Entweihung des göttlichen Namens (hebr.: Chillul HaSchem) führt.

 

Im Midrasch „Sifrej“ (zu 5. Buch Mose 6,5) wird das Gebot der Gottesliebe ebenfalls so gedeutet, dass man Gott bei allen Menschen beliebt machen soll – so wie Stammvater Abraham Zeitgenossen zum Glauben bekehrt habe (1. Buch Mose 12,5 und Raschi zur Stelle). In seinem „Buch der Mitzwot“ (Gebot Nr. 3) erklärt Maimonides, dass das Gebot der Gottesliebe zwei Dimensionen aufweist, die miteinander verbunden sind. Wer Gott wirklich innig liebe (so wie Abraham), der werde sich stets bemühen, andere Menschen von der Richtigkeit seines Glaubens zu überzeugen und sie vom modischen Götzendienst abzubringen.

 

Jeder jüdische Mensch ist also verpflichtet, durch seine Lebensführung für Gott und die Tora einzustehen. Wer aus Liebe zu  Gott irgendeine Sünde nicht begeht (wie z.B. Joseph in Ägypten) oder irgendeine der vielen Mitzwot ausübt, der erfüllt durch sein Tun und Lassen das Gebot der Heiligung des göttlichen Namens (Maimonides, Hilchot Jessode HaTora 5,10). Die Gebote der Gottesliebe und der Heiligung des göttlichen Namens (hebr.: Kiddusch HaSchem) ergänzen einander.

 

Die Werbung für Gott hat, wie das erwähnte Beispiel von Abraham zeigt, alle Menschen im Blick. Weil die Eigenart von Israels Mission nicht immer richtig verstanden wird, sei hier die Erklärung des angesehenen Dezisors Rabbiner Jakob Jechiel Weinberg (aus seinem Buch „Das Volk der Religion“) zitiert: „Die Geschichte Israels bestätigt, dass wir nie auf Proselytenmacherei ausgegangen sind und nie den Wunsch hegten, andere Völker zu unserer Religion zu bekehren oder ihnen unsere Religion aufzuzwingen. Dem Judentum lag nie daran, Nichtjuden zu Juden zu machen. Religiöse Menschenfängerei ist vom talmudischen Gesetz verpönt. Unserer Art als Volk der Religion entsprechend lag uns lediglich daran, dass unsere Gedanken über Gott, Welt und Mensch von der übrigen Menschheit verstanden werden. Die Verbreitung von Ideen der Moral und Sittlichkeit, der Wahrheit den Weg zu bahnen, war und bleibt das Ziel unserer nationalen Ambitionen“.

 

 

Der Autor ist Psychologe und hat an der Universität Köln gelehrt.

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