Ort der Sehnsüchte und Wünsche

Was hat der Wunsch der baldigen Wiedererbauung des Tempels mit einer Synagoge zu tun?

2 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 14.03.21

FRAGE: Gibt es einen kurzen Satz, Zitat, Beschreibung, welcher auch für Nichtjuden begreifbar macht oder es zumindest versucht, welcher die Liebe und Nähe zu Gott in einer Synagoge beschreibt?

Also keine sachliche Erklärung, sondern eine tiefe Beschreibung zur Bedeutung einer Synagoge.

 

ANTWORT: Der besondere Wunsch eines jeden frommen Juden entspringt einer starken Sehnsucht, nämlich mit eigenen Augen zu erleben, wie HaShem in Liebe mit Seiner Barmherzigkeit nach Zion zurückkehrt. Dieser Wunsch spricht also vom Tempel in Jerusalem.

 

Aber was hat der Wunsch der baldigen Wiedererbauung des Tempels hier jetzt mit einer Synagoge zu tun?

 

Die Antwort ergeht daraus: Eine Synagoge wird auch als „Migdasch Meat“ (siehe Hesekiel 11,16) bezeichnet. Sinngemäß ist eine Synagoge also ein „Minitempel“. Aber diese „Miniversion“ des Tempels ist alles andere als klein, so heißt es im Zohar (Bechukotei), dass überall da, wo es eine Synagoge auf der Welt gibt, ein Stein des zerstörten Tempels dorthin gefallen ist.

 

Auch Rabbi Chaim Palachi schrieb in seinem Buch Birkat Moadecha Lechaim über diesen Fakt, dass jede Synagoge einen Teil des Tempels in sich verborgen trägt.

 

Vielleicht sagen deshalb unsere Weisen in Sanhedrin 17b, dass es verboten ist, in einer Stadt zu leben, in der es keine Synagoge gibt.

 

Zu Beginn des Midrasch Eicha Rabati II sehen wir einen weiteren interessanten Gedanken, vor allem für Menschen, die sich nach Liebe und Frieden sehnen: „Solange die Stimme Jakobs in Synagogen zu hören ist (Juden also in Synagogen beten), solange sind die Hände nicht die Hände Esaus (also nicht die Hände der Feinde Israels, die mit Gewalt versuchen, den Ton hier anzugeben).

 

Heute nach den schrecklichen November Pogromen von 1938 können wir die Ernsthaftigkeit dieser Worte der Weisen Israels historisch belegen.

 

Wir sehen auch, dass nach der Zerstörung des zweiten Tempels die Wichtigkeit einer jeden Synagoge sogar noch an Mehrwert dazu gewann. So heißt es in Sanhedrin 105b: „Wenn es keine Synagogen und Toraschulen gibt, strahlt HaShem Seine Schechina nicht mehr über die Welt aus.“

 

Rabbi Moshe Cordovero gelang es in Tomer Dvorah den Begriff Schechina hervorragend zu visualisieren. Man sollte sich vorzustellen, was die Sonne ohne ihre Sonnenstrahlen wäre. Man würde die Sonne zwar weit weg am Himmel hängen sehen, aber man würde sie hier nicht spüren, da ja nur die warmen Sonnenstrahlen die Welt und unsere Herzen berühren. Diese Parabel macht im übertragenden Sinne klar, wie unsere Welt aussähe, wenn HaShem Seine Schechina nicht mehr auf die Welt ausstrahlen würde.

 

Die Schechina ist die Immanenz Gottes, Seine für uns spürbaren Funken in der Welt. Diese himmlischen Funken finden wir vor allem in Synagogen. Eine Synagoge ist somit ein herzlicher Ort. Ein Ort, an dem sich wundervolle Sehnsüchte und faszinierende Wünsche sammeln. Ein Ort, an dem wir uns mit unserem Schöpfer verbinden können und uns Ihm nahe fühlen. Ein kleiner Tempel vollgefüllt mit unglaublicher Heiligkeit.

 

 

David Kraus (M.A in Psychologie und Integrativer Psychotherapie | Dipl. Paar- und Familientherapeut | Dipl. Pädagogischer Elternberater) ist Oberrabbiner der Jüdisch-Chassidischen Kultusgemeinde Breslev Deutschland / Israel mit Sitz in Hanau. David Kraus finden Sie bei Facebook.

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