Den Moment leben
Was kann man tun gegen Verzweiflung und Aussichtslosigkeit? Rabbiner Arush bringt uns sehr eindringlich eine einfache Idee nahe...
Neulich kam kurz vor dem Shiur (Vortrag/Unterrichtsstunde) ein Mann zu mir und sagte: "Geehrter Rabbiner, ich bin von meinem Leben völlig enttäuscht. Mein Leben ist kein Leben, ich habe nichts, wofür ich leben kann. Ich habe schon entschieden, mein Leben zu beenden. Sie sind meine letzte Adresse. Ich spreche Sie nur an, weil ein Freund mich angefleht hat, der Sache eine letzte Chance zu geben…"
Was kann man jetzt zwei Minuten vor dem Shiur diesem Menschen sagen? Ich bat ihn eindringlich: "Mein lieber Sohn, hör zu. Ich bitte dich sehr – warte bis zum Ende des Shiur. Dan setze ich mich mit dir unter vier Augen zusammen und ich werde alle Zeit der Welt für dich haben. Bitte setze dich in der Zwischenzeit hin und höre dir den Shiur an."
Wenn jemand schon beschlossen hat, sich zu töten, dann hat er es nicht mehr eilig. Der Mann setzte sich also und wartete und hörte sich den Shiur an. Es war ein Shiur über Dank und Dankbarkeit, einfache Botschaften: "Lernt, für die Details im Leben Danke zu sagen. Seht euer Leben an und nehmt die selbstverständlichen Dinge war. Du bist gesund? Sag Danke! Du hast einen Partner? Was für ein außergewöhnliches Geschenk! Sag Danke! Du hast Kinder? Welche Freude, welches Glück!" Wirklich, ein sehr schlichter Shiur.
Danach kam der bewusste Mann zu mir und sagte: "Geehrter Rabbiner, wir müssen nicht mehr reden. Ich sehe jetzt, dass mein Leben etwas wert ist. Ich will einfach nur noch Danke sagen."
Welches Wunder! Ein paar Worte über Dankbarkeit und eine Seele wurde gerettet!
So etwas passiert mir öfter. Vor der Shiur kommen Leute zu mir mit Steinen auf dem Herzen, aber nach der Shiur, sagen sie, habe das sich erledigt.
Viele Menschen leben in dieser Welt an einem sonnigen Tag, aber ihre Augen sind zu gekniffen und sie sehen nur Dunkelheit. Dann werden sie traurig, deprimiert, und verlieren die Verbindung zum Leben, zum Judentum, zur Torah.
Die Gemara sagt, dass die Wurzel für die Zerstörung des Tempels war "dass sie nicht die Torah segneten", das heißt, für die Torah dankten. Rabbi Nathan aus Breslev führt aus, sie schätzten nicht die vielen guten kleinen Punkte und das Vorrecht, Jude zu sein, das auserwählte Volk des Schöpfers der Welt zu sein, die Torah zu haben.
Die größte Not des Menschen ist, dass er einfach nicht sieht. Er sieht die Gnades des Schöpfers nicht, all das Gute, das er im Leben hat. Er erkennt nicht, was für ein Vorrecht es ist, Jude zu sein, er schätzt nicht die unzähligen Mitzvot, die uns auferlegt sind.
Wenn ein Mensch das Licht nicht sieht, dann kann er das Leben nicht ertragen. Jede kleine Schwierigkeit schlägt ihn zu Boden, und jedes Fallen zerstört ihn.
Aber in jeder Schwierigkeit – ein Tropfen Emuna und der Mensch überwindet sie mit links. Nur, wenn er die Gande des Schöpfers nicht sieht, den Schöpfer nicht sieht, dann ist er von jeglicher Emuna komplett abgeschnitten. Aber wenn er anfängt, auch nur ein bisschen zu danken, werden ihm die Augen geöffnte und er sieht das Licht. Er sieht den Weg klar vor sich, die Emuna kehrt zurück, und er wird jede Schwierigkeit und Not überwinden, so schreibt Rabbi Nathan ausdrücklich.
Auch bei geistlicher Dunkelheit, nach einer Sünde – wer Emuna hat, tut Tshuva und geht aus dem Vorfall gestärkt hervor und kommt HaShem näher. Aber wer in Dunkelheit lebt, der denkt, dass nach einem Fall alles verloren ist ist gleitet ab.
Es gibt also nichts wichtigeres als eine positive Haltung zu bewahren, das Licht um uns herum zu sehen! Öffnet die Augen, nehmt die kleinen, selbstverständlichen Dinge wahr, die eigentlich nicht selbstverständlich sind! Und dankt von Herzen für alles! Ist das nicht ein süßes Leben? Am Anfang muss man sich ein bisschen anstrengen, diesen offenen Blick und ein dankbares Herz zu haben – aber dann spürt man, wie sich das ganze Leben aufhellt und süß und fröhlich wird.
Nur mit einem fröhlichen Herzen kann man Tshuva tun. Rabbi Nathan sagt: "So viele wollen g-ttesfürchtig sein, aber sind doch so fern davon, Tshuva zu tun. Weil sie nicht genug fröhlich sind. Traurigkeit und Bitterkeit schaden mehr als alles andere."
Die Erlösung müssen wir durch Tshuva herbei führen, und Tshuva kann man nur mit Freude tun. Und Freude erreichen wir, indem wir endlich die Realität wahrnehmen, wie sie wirklich ist: All das Gute sehen, dass HaShem uns schenkt, materiell und spirituell, und jeden kleinen guten Punkt in uns und in jedem Menschen schätzen und für ihn danken.
Möge es uns vergönnt sein, dass wir die Augen öffnen können und all das Gute sehen, und daraus Kraft schöpfen, um uns selbst und das ganze Volk Israel und die Welt zu verändern und zu verbessern.
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