Ohne dich

Die wahrhaftige Liebe zwischen Mann und Frau gleicht - im übertragenen Sinne - einem Ring!

5 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 06.04.21

Die wahrhaftige Liebe zwischen Mann und Frau gleicht – im übertragenen Sinne – einem Ring! Denn wenn man einen Ring genau betrachtet, fällt eine Tatsache dabei unmissverständlich auf:

Er hat weder einen Anfang noch ein Ende!
 
Und genau so ist es auch mit der wahren Liebe!
 
Die wahre Liebe hat keinen Anfang! Wenn ein Mensch seine Liebe findet verspürt ab dem Moment des Kennenlernens ein unbeschreiblich wohltuendes Gefühl, das von uns heute als Liebe bezeichnet wird! Diese Liebe entstand nicht einfach so! Nein, sie war schon immer da! Gott hat sie jeden von uns mit seiner Geburt ins Herz gelegt! Und eben deswegen entfaltet sich im Herzen eines Menschen das unaufhaltsame Gefühl der Liebe nach seinem für ihn vorgesehenen Herzblatt.
 
Infolgedessen gibt es für solch eine Liebe auch niemals ein Ende! Da es sich dabei zweifellos um die wahre Liebe handelt, so wie es heißt:
 
„Oh lege mich doch bitte wie einen Siegelring auf dein Herz, wie einen Siegelring an deinen Arm … denn geballte Mengen an Wasser sind nicht im Stande, das Feuer unserer Liebe zu löschen und unbeschreibliche Ströme vermögen es nicht, unsere Liebe zu überfluten …!“ (Das Hohelied von König Salomon, Kapitel 8, Vers 6+7)
 
Wenn sich solch eine Liebe entfaltet, spielt es keine Rolle mehr, was der eine zum anderen sagt oder auf andere Weise zu verstehen gibt! Im Gegenteil! Alles, was der eine dem anderen sagt, versteht der Liebende als Hilferuf seines Geliebten!
 

Eines Tages erzählte mir dazu mein spiritueller Vater und Mentor Rabbi Shalom Arush folgende Geschichte aus dem Talmud:
 
Es war einmal ein Mann, der aufgrund der Tatsache, dass er nach einer zehnjähriger Ehe immer noch keine Kinder hatte, sich von seiner Frau scheiden lassen wollte!
 
Er war davon überzeugt, seine Frau sei zeugungsunfähig und deshalb wollte er unbedingt in einer zweiten Ehe versuchen, seinen Kinderwunsch in Erfüllung gehen zu lassen …
 
Er offenbarte diese Gedanken dann auch seiner Frau, die darüber – gelinde gesagt – schockiert war!
 
Sie sagte:
 
„Ich glaube, es ist jetzt das Beste für uns, wenn wir zum Rabbi gehen und du ihm deine – wie soll ich sagen – Wünsche offenbarst …“
 
Wie gesagt – so getan.
 
Sie gingen also gemeinsam zu Rabbi Shimon bar Jochai. Der Ehemann erzählte diesem daraufhin sein Anliegen und der Rabbi erwiderte empört:
 
„Was! Du willst dich scheiden lassen! Und noch wegen solch einer Sache! Ich kann das nur genehmigen, wenn du dich in der gleichen Form scheiden lässt wie du geheiratet hast!“
 
Der Rabbi forderte ihn also auf, seine Scheidung so zu organisieren, wie er vor zehn Jahren seine Hochzeit auf die Beine stellte!
 
So gesagt, organisierte er ungeniert ein riesiges Festessen mit Musik und allem drum und dran, also eben alles, was man normalerweise bei einer Hochzeit alles macht!
 
Doch bei diesem etwas außergewöhnlichen Spektakel gab er allen bekannt, dass er sich morgen Früh in einem Gerichtsverfahren von seiner Frau scheiden lassen werde.
 
Die arme Frau spielte sein – zugegeben dummes Spiel – mit, ohne zu klagen oder zu murren …
 
Im Gegenteil, sie gab ihm reichlich Wein zu trinken, sodass er am Ende völlig betrunken zu seiner Frau sprach:
 
„Ach mein Schatz! Bitte geh jetzt nach Hause und nimm dir alles, was dein Herz begehrt. Alles, was du möchtest ,soll dein sein und deshalb kannst du es frühmorgens in das Haus deiner Eltern bringen lassen.“
 
Nach dieser etwas anderen Scheidungszeremonie wachte der Mann aus seinem Suff neben seiner Frau liegend im Gästezimmer seines – jetzt für ihn – ehemaligen Schwiegervaters auf!
 
Schockiert und verwirrt fragte er seine Frau:
 
„Was mache ich hier!“
 
Darauf erwiderte seine Frau:
 
„Bevor du mich gestern wegschickt hattest, sagtest du zu mir, ich könne jetzt nach Hause gehen und mir alles nehmen, was mein Herz begehrt! Alles, was ich möchte, sollte mein sein, so sagtest du! Des Weiteren hast du gesagt, dass ich alles in das Haus meiner Eltern bringen sollte, da es ja jetzt schließlich mir gehört …! Als ich dann zu später Stunde unser Haus betrat, bat ich einige Männer, dich in das Haus meiner Eltern zu tragen, denn ohne dich wäre ich diese Nacht nicht eingeschlafen! Ohne dich wäre ich alleine nirgendwo hingegangen! Ohne dich wäre ich einfach nie wieder zur Ruhe gekommen, denn alles, was ich will, bist du! Alles, was mein Herz begehrt, bist du!“
 
Mehr lässt sich zu dieser Geschichte nicht hinzufügen …
 

Zwischen diesem Paar herrschte eine unbeschreiblich große Liebe! Die Frau verstand, dass es sich bei den völlig idiotischen Scheidungsabsichten ihres Mannes lediglich um unbeschreiblich starke und ausgewöhnlich laute Hilfsschreie handelte, die unmissverständlich zum Ausdruck brachten:
 
„Ich weiß nicht, wie ich mit meinem Schmerz umgehen soll! Den Schmerz, dass wir keine Kinder haben! Bitte verzeih mir alles, was ich jetzt in dieser Situation sage und mache! Lass mich bitte nicht im Stich, denn ohne dich bleibt mein Herz stehen …!“
 
Wie gesagt handelte es sich bei diesem Paar um eine Art Musterbeispiel in Sachen wahre Liebe! Das Herz der Frau trug – wie ein unentbehrlicher Siegelring – den Namen ihres geliebten Mannes, und deshalb geschah was letzten Endes geschah!!! Die Liebe ging als klarer Sieger hervor! Die wahre Liebe war schon immer da, und deshalb wird sie auch niemals ihr Ende finden …
 
Wenn es sich bei diesem Paar nicht um die wahre Liebe – die also einem Ring gleicht – gehandelt hätte, dann hätte ihm die Frau, noch bevor sie zum Rabbi gegangen wären, dafür die rote Karte vor das Gesicht gehoben …
 
Solch ein Verhalten ist mit Sicherheit alles andere, nur eben nicht von der Liebe geprägt, denn wenn das Liebe wäre, was bitteschön ist denn dann Hass?!
 
Doch zum besseren Verständnis der Geschichte muss man hervorheben, dass es im Schulchan Aruch (dem Gesetzbuch der Thora) heißt, man darf sich auf keinen Fall scheiden lassen! Es sei denn es wurde Ehebruch begangen. Des Weiteren überlässt der Schulchan Aruch einem Mann die Entscheidung, ob er sich von seiner Frau nach 10-jähriger Ehe, in der ihm seine Frau noch keine Kinder auf die Welt brachte, scheiden lässt oder eben nicht. Im Nachhinein ist diese Entscheidungsfreiheit ein Witz, denn schließlich offenbarte uns der Talmud (Traktat Ta´anit, Seite 2a), dass Gott einzig und alleine entscheidet, wann ein Mann mit seiner Frau Kinder haben wird, so wie es heißt:
 
„… Gott erhörte ihr Flehen (das Flehen Rachels) und öffnete ihre Gebärmutter … und sie wurde schwanger …“ (1. Buch Moses, Kapitel 30, Satz 22 – 23)
 
Die Erklärung dafür ist bahnbrechend! Wie in jedem Gesetzbuch bleibt einem Menschen nicht viel Spielraum. Denn entweder heißt dort, du musst dieses und jenes tun … oder eben du darfst dieses und jenen nicht tun …! Doch bei dieser Scheidungssache heißt es dann plötzlich: du kannst, wenn du willst …!
 
Jeder Mann der an Gott glaubt, würde sich deshalb auch niemals von seiner Frau scheiden lassen! Da er ja schließlich weiß, dass alles von Gottes Hand herbeigeführt wird und erst recht die Sache mit den Kindern.
 
Mit anderen Worten erhält jeder Mensch, der sich in solch einer Situation befindet, eine Urkunde ausgehändigt, in der steht, dass er den vollkommenen Glauben an Gott hat! Im Gegensatz dazu erhält ein Mann, der sich aufgrund der Tatsache, dass seine Frau ihm nach 10-jähriger Ehe immer noch keine Kinder schenkte, von ihr scheiden lässt, eine Urkunde, die ihm dann den Eintritt in die Hölle bescheren wird, da er ja schließlich alles, nur eben nicht den Glauben an Gott hat …       
 
Und da dieses Paar vollends auf ihre Liebe setzte, wurden sie ein Jahr nach diesem Ereignis Vater und Mutter …

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1. Batsheva

5/09/2011

ein sehr lesenswerter Artikel. Danke! ..und so verstehe ich diesen Artikel: Frau bestimmt den Weg. Mann bestimmt die Kreuzungen, an denen angehalten wird.

2. Batsheva

5/09/2011

..und so verstehe ich diesen Artikel: Frau bestimmt den Weg. Mann bestimmt die Kreuzungen, an denen angehalten wird.

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