Die Wandlung Mosches – Schmot
Wie wurde Mosche von einem „ägyptischen Mann“ zu einem „Mann Gottes“?
Wie wurde Mosche von einem „ägyptischen Mann“ zu einem „Mann Gottes“?
Von unserem Wochenabschnitt an bis ans Ende der Tora begegnen wir unserem Lehrer Mosche.
Mosche – der demütigste aller Menschen, der Überbringer der Tora, der größte Prophet aller Zeiten, der das ganze Volk Israel aufwog.
Doch gleich zu Anbeginn tituliert ihn die Tora: „ägyptischer Mann“, wie es heißt: „ … und sie sprachen: Ein ägyptischer Mann hat uns aus der Hand der Hirten gerettet“ (Ex. 2,19).
Wie kann das angehen? Mosche ein „ägyptischer Mann“?! Heißt es doch am Ende der Tora, als er Israel vor seinem Tode segnete: „Und dies ist der Segen, mit welchem gesegnet hat Mosche, der Mann Gottes, die Kinder Israel“ (Dt. 33,1).
Darüber hinaus bemerkten die talmudischen Weisen im Midrasch: „Sagte Rabbi Berechja: Mosche ist bevorzugter als Noach. Noach hieß [anfangs] 'ein gerechter Mann', und [am Ende] 'Mann des Erdbodens'. Mosche aber [anfangs] 'ägyptischer Mann', und [am Ende] 'Mann Gottes'“.
Den wesentlichen Unterschied zwischen dem Abstieg Noachs und dem Aufstieg Mosches, erklärt der Kommentar Meschech Chochma (zu Gen. 9,20): „Es gibt zwei Wege des Dienstes an Gott. Der eine, wer sich dem Dienst an Gott weiht und ein isoliertes Dasein wählt, und der andere, wer sich um die Bedürfnisse der Allgemeinheit kümmert und sein Eigeninteresse dem Interesse der Allgemeinheit hintan stellt und sich für sie mit ganzer Seele einsetzt. Es hätte also nach dieser Beschreibung so kommen müssen, dass der Einzelgänger immer neue geistige Höhen erreicht, und der andere von seinem Rang herunter kommt; trotzdem finden wir, dass Noach, der sich absonderte und seine Zeitgenossen nicht ermahnte, auch der Vernichtung würdig erachtet wurde… und eben nachdem er ein Gerechter genannt worden war, stieg er von diesem Rang ab und wurde ein Mann des Bodens genannt, und Mosche wurde ägyptischer Mann genannt und ins Exil gezwungen, was auf einen Makel der Seele hinweist, weil er aber bei der Tötung des Ägypters sein Leben für die Israeliten riskierte, hieß er Mann Gottes, der das Höchstmaß der menschenmöglichen Vollkommenheit erreichte.“
Daraus lernen wir ein wichtiges Prinzip, nämlich auch wenn in unserer Vorstellung ein Mensch, der sich spirituell entwickeln und geistige Höhen erklimmen will, sich besser in sich zurück ziehen und von der Beschäftigung mit den Angelegenheiten der Massen fernhalten sollte, damit sie sein Fortkommen nicht störten, so ist genau das Gegenteil wahr. Gerade die Beschäftigung des Menschen mit sich selbst, mit seiner inneren, geistigen Weltanschauung kann ihn manchmal geistig verarmen und herab ziehen, die Beschäftigung mit den Bedürfnissen der Allgemeinheit und anderen öffentlichen Angelegenheiten hingegen nützt nicht nur dieser Öffentlichkeit, sondern erhebt diesen Menschen Stufe um Stufe. Doch wie ist das möglich, gegen alle Logik?
Dazu gibt es viele Antworten, und wir wollen uns auf zwei davon beschränken.
1.
Der Mensch kommt aus einer höheren Gemeinschaftlichkeit. Er ist ein Detail dieser Allgemeinheit, und wenn er sich also mit den Angelegenheiten der Allgemeinheit beschäftigt, befindet er sich nicht nur am Fundament und der Wurzel von Allem, sondern identifiziert auch seinen eigenen besonderen Platz im allgemeinen "Puzzle", was ihm ermöglicht, sich selbst effektiver zu verwirklichen. – Wie Rabbiner A.J. Kuk schrieb: „Der Mensch muss sich immer aus seinem privaten Rahmen lösen, die sein ganzes Wesen erfüllen, bis dass sich alle seine Gedanken immer nur um sein eigenes Schicksal drehen, denn das senkt den Menschen in die Tiefe der Kleinheit, und endlos die materiellen und geistigen Leiden, die sich daraus ergeben. Vielmehr müssen sich seine Gedanken und sein Willen… dem Ganzen widmen. Das Ganze überhaupt, das Ganze der Welt, des Menschen, der Ganzheit Israels… und darauf wird auch seine Individualität in würdiger Weise aufbauen“ (Orot hakodesch III, S.147).
2.
Das Ziel der Schöpfung ist die Vervollkommnung des Ganzen und nicht nur des Einzelnen, denn was nützt es, wenn sich der Eine oder Andere wie es sich gehört verwirklicht, während die Allgemeinheit bis hin zu Zerstörung und Anarchie verdorben ist? So erklärte der Chatam Sofer, warum Gott Awraham erwählte: „…da dieser in seiner Weisheit erkannte, dass Gott nicht daran interessiert ist, wenn der Mensch nur seine eigene Seele vervollkommnet und seine Zeitgenossen den Gepflogenheiten der Sünder überlässt, die Gott erzürnen, so wie es in der Generation von Chanoch und zur Zeit der Sintflut geschah. Diese Prüfung lehrte ihn (Awraham), dass es dem Menschen gut anstehe, weniger für die Vervollkommnung seiner eigenen Seele und mehr zugunsten der Ehre Gottes zu tun – dessen Widersacher zu mindern und dessen Diener und Erkenner zu mehren, denn was bringt es dem Menschen, wenn er einen Engel [d.h. sich selber] zu den Myriaden Engeln der Höhe hinzu fügt, wo Gott doch solche und andere jederzeit neu schafft? Und wenn sich die Einzelnen, die wenigen Begnadeten jeder Generation so verhielten, so entwickelt sich vielleicht einer von tausend als Gott Geweihter, während die Mehrheit des Volkes verdirbt und das Land von der Bosheit der Bewohner verödet, und das Ziel der Schöpfung verbleibt in den Höhen.“
Was soll demnach aus der spirituellen Entwicklung dieses Menschen werden? Ergänzt der Chatam Sofer: „Und wenn der Diener Gottes sagen sollte, es gelüste seine Seele nach Gott und er will sich ihm nähern, und wie stelle er das an, wenn er sein Lernen mindere und die Vervollkommnung seiner Seele aufgebe zugunsten der Seele seines Nächsten? Die Antwort geben die talmudischen Weisen – 'viel lernte ich von meinen Lehrern, mehr von meinen Genossen, und von meinen Schülern mehr als von allen' – ist es denn für Gott zu schwer, deine Seele zu vervollkommnen, wo du seinen Namen zu ehren gewählt hattest, du tust, was er dir befohlen hat, nämlich das Volk Wissen zu lehren, und Gott wird das Seine tun, tue seinen Willen wie deinen, und er wird deinen Willen zu seinem machen, deine Seele zu vervollkommnen mit dem Wissen der Vollkommenheit, und es wird dir wenig Zeit reichen, viele erhabene Weisheiten zu erlangen, noch über der Fähigkeit deines Verstandes hinaus.“
Natürlich dürfen wir dabei nicht vergessen, dass man, bevor man Andere lehrt, erstmal selber lernen muss, denn "von nichts kommt nichts"…
Zum Schluss ein Zitat über Rabbiner Chajim aus Woloschin, das dieses Thema erhellt: „[Rabbi Chajim] pflegte mich zu ermahnen, wie er sah, dass ich mich nicht am Leide anderer beteiligte, und so sagte er mir immer, der Mensch wurde nicht für sich selbst geschaffen, sondern um anderen nützlich zu sein, alles, was in seinen Kräften steht zu tun'.“
Der Autor ist Rabbiner im MACHON MEIR und ist mitglied bei KIMIZION.
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