Wissenswertes zu Pessach

Wie jedem bekannt sein dürfte, feiern wir an Pessach den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Das Fest dauert in Israel sieben und im Ausland acht Tage.

5 Min.

Miriam Woelke

gepostet auf 05.04.21

Wie jedem bekannt sein dürfte, feiern wir an Pessach den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Das Fest dauert in Israel sieben und im Ausland acht Tage. 

An den sieben / acht Tagen von Pessach ist es Juden verboten jegliche Getreideprodukte (Chametz) zu sich zu nehmen. Darunter fallen z.B. Nudeln, Bier, Gebäck usw. Auf das letztere, das Gebäck, braucht man dennoch nicht ganz zu verzichten; überall in Israel sind Kuchen oder Kekse aus Kartoffel – bzw. Mazzemehl erhältlich.

Für aschkenasische Juden gilt zusätzlich der Brauch, keine Kidniot (Hülsenfrüchte) zu essen. Demnach gibt es auch keinen Mais, Reis, keine Bohnen, Erbsen und keinen Humus. Die Ashkenazim müssen sich überwiegend mit Kartoffeln, Wurst, Salaten, Eier und Fisch begnügen. Die sephardischen Juden haben einen größeren Speiseplan und Pessach ist die Zeit, an der ich sie darum beneide. Auch essen die meisten sephardischen Juden Reis an Pessach. Für Ashkenazim vollkommen unmöglich, denn bei uns ist das Chametz. Diese Regel geht aber mehr oder weniger aus einem Brauch hervor. Die einzige Gruppe bei den Sepharadim, die keinen Reis an Pessach isst, sind die Marokkaner (soweit mir bekannt ist).

Am Abend vor Pessach (nach Einbruch der Dunkelheit) gibt es in jedem jüdischen Haushalt eine besondere Zeremonie, das sogenannte Bedikat Chametz (das Suchen nach dem Chametz). Es handelt sich dabei um ein symbolische Suchen nach Getreide, um sicherzugehen, dass sich kein verbotenes Getreide mehr im Haushalt befindet. Diese Zeremonie wird im Schulchan Aruch (Orach Chaim 431:1), der Mischna Berurah (Hilchot Pessach) und im Talmud Traktat Pesachim 7b näher erläutert. Normalerweise wird mit einer Kerze in einigen Räumen zusammen mit der ganzen Familie nach Chametz gesucht. Der Gebrauch von Kerzen ist jedoch innerhalb der vergangenen Jahre zum Problem geworden, denn es gab unzählige Wohnungsbrände und sogar ein Todesopfer. Von daher ziehen viele die Taschenlampe vor.

In der Früh gelten bestimmte Zeiten, ab denen es verboten ist, Chametz zu verzehren. Sepharadim und Ashkenazim haben hierfür unterschiedliche Zeiten, die jedes Jahr in den israelischen Tageszeitungen veröffentlicht werden. Außerdem wird morgens das restliche Chametz symbolisch verbrannt (siehe Talmud Pesachim 12b). Wer also an diesem Tag überall Rauch aufsteigen sieht, der weiß, dass dort Chametz verbrannt wird.

Und am Abend wird dann die traditionelle Pessach – Seder gefeiert. Für Juden ist das die wichtigste Familienzusammenkunft des Jahres. Gemeinsam sitzt man am Tisch und liest die Haggadah über den Auszug aus Ägypten. Die meisten Familienmitglieder sind zu dem Zeitpunkt oft schon mit den Nerven am Ende, haben sie doch wochenlang für Pessach geputzt. Laut Halacha ist das Essen der Mazza bei dem Seder das wichtigste, und der Kabbala zufolge bringt uns die Mazza auf einen höheren spirituellen Level.

Kabbalistisch gesehen, ist die Seder der eigentliche Höhepunkt von Pessach. Der Arizal (Rabbi Yitzchak Luria) und der Ramchal (Rabbi Moshe Chaim Luzzatto) schreiben, dass bei dem Seder solch eine Keduscha (Heiligkeit) vorhanden ist, dass sämtliche spirituellen Welten auf einen Schlag aufsteigen. Nicht einmal der Schabbat schafft das, denn beim Morgengebet Schacharit bewegen wir uns nur von Level zu Level.

Viele sitzen bei dem Seder und meinen, die Pessach – Haggadah sei ein kleines nettes Büchlein, in dem uns eine nette antike Geschichte unserer Vorväter erzählt wird. Der Auszug aus Ägypten ist jedoch alles andere als antik, sondern auch in unserer Zeit immer aktuell, genauso wie die Ereignisse von Purim. Die absolute Freiheit haben wir immer noch nicht erzielt und der alltägliche Antisemitismus ist überall gegenwärtig.

Jeder von uns hat seinen privaten Auszug aus Ägypten. Sei es nun, dass sich jemand in einer physischen oder einer spirituellen Gefangenschaft befindet. Pessach ist die Zeit der Freiheit und einer neuen aufkommenden Energie, die wir nutzen sollen, uns von negativen Gedanken zu befreien. In kabbalistischer Literatur steht das Chametz symbolisch für unsere Yetzer HaRah (die schlechte Seite in uns selbst). Es reicht nicht, dass wir das ganze Haus von dem Chametz befreien und ewig putzen. Auch innerlich müssen wir uns über Pessach vom Chametz (negativen Gedanken) befreien.

Im Talmud Traktat Pesachim 7b steht, dass wir am Abend vor der Seder das letzte Chametz mit Hilfe einer Kerze suchen sollen. Die Seele eines Menschen ist die Kerze Gottes. So sucht Gott die innersten Gedanken eines jeden von uns und untersucht sie (Proverbs 20:27 und Rabbeinu Yonah).

Die Diaspora in Ägypten war die erste von drei weiteren Diasporas und alle weiteren haben ihre spirituellen Wurzeln in der ersten ägyptischen Diaspora. An Pessach sollen wir vor allem Gott danken, dass er uns aus der Diaspora befreit und trinken bei dem Seder vier Gläser Wein / Weintraubensaft. Vier Gläser Wein gegen vier Diasporas (so der Bnei Yissachar). Hoffen wir, dass Gott uns demnächst auch aus unserer derzeitigen vierten und letzten Diaspora befreit.

Die Zählung des Omer ist ein biblisches Gebot aus dem Buch Leviticus (Vayikra) 23:15. Warum beginnen wir das Omer erst am zweiten Tag von Pessach zu zählen? Rabbi Moshe Chaim Luzzatto (der Ramchal) schreibt in seinem Buch Kitzur HaKavanot: Der Tikun (Seelenreparatur) für den ersten Tag ist die Seder und ab dem zweiten Tag erreichen wir in dem Moment, in dem wir das Omer zählen, den gleichen hohen Tikun wie bei der Seder. So steigern wir uns in den sieben Wochen des Zählens bis hin zu Schavuot (Wochenfest), an dem wir die Thora empfangen. In chassidischer Literatur wird das Zählen des Omer als unsere innere Reise beschrieben, die uns spirituell auf den Empfang der Thora an Schavuot vorbereitet. Aus dem gleichen Grund bekamen die Israeliten nach ihrem Auszug aus Ägypten nicht sofort die Thora, sondern erst nach sieben weiteren Wochen. Auch sie mussten sich erst spirituell von Ägypten (negativen Einflüssen) lösen, um an Schavuot von Gott die Thora zu erhalten.

Zwischen Pessach und Lag Ba'Omer – 33. Tag des Omer (einen Feiertag, auf den ich noch ausführlicher eingehen werde) gelten folgende Regeln: es finden keine Hochzeiten statt, es darf sich weder rasiert noch dürfen die Haare geschnitten werden. Diese Zeit wird zusätzlich als eine ernsthafte Zeit der Besinnung gesehen, starben doch in der Zeit 24.000 Schüler des Rabbi Akiva. Als Grund für deren Tod nennt der Talmud das Vergehen der Laschon HaRah (üble Nachrede). Die Schüler des Rabbi Akiva hätten auf einem sehr hohen relig. Level sein sollen, doch stattdessen sprachen sie schlecht übereinander.Historiker haben darüber eine ganz andere Meinung. Rabbi Akiva war ein Bewunderer Bar Kochbas und unterstützte dessen Aufstand gegen die Römer. Aufgrund dessen unterstützen auch die Schüler Bar Kochba militärisch und wurden Soldaten. 24.000 Schüler fielen im Kampf gegen die Römer.

Noch eine wahre Geschichte zu Pessach:

Einmal kam eine Frau zu einem berühmten amerikanischen Rabbiner und fragte, ob sie bei der Seder den Wein gegen Milch austauschen könne. Sie wäre so arm, dass sie sich den Wein für die Pessach – Seder nicht leisten kann. Der Rabbi überlegte, gab ihr 300 Dollar bar auf die Hand und sagte zu ihr, dass sie von dem Geld Wein kaufen solle. Überglücklich ging die Frau heim.

Die Ehefrau des Rabbis fragte ihren Mann, warum er der Frau so viel Geld gegeben habe. Weniger hätte doch vollkommen für den Weinkauf gereicht. Der Rabbi antwortete seiner Frau, dass man auch sehen muss, was hinter die Fassade der Menschen vorgeht. Natürlich hätte eine geringere Summe für den Weinkauf ausgereicht, doch die Frau wollte bei dem Seder den Wein durch Milch ersetzen. Heißt, sie hatte auch kein Fleisch zu essen (Milch und Fleisch dürfen nicht zusammen verzehrt werden), nur war sie zu beschämt auch das zu erwähnen. Von den 300 Dollar kann sie sich nun eine gesamte Seder leisten.

Viele Menschen erzählen nur einen kleinen Teil von den Problemen, die sie wirklich haben und der Zuhörer sollte imstande sein, auch hinter die Kulissen zu schauen.
 

Hier geht es zum Blogspot von Miriam Wölke.

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