Egoismus
Selbstlos glücklich - Warum es sich lohnt, stärker auf die Bedürfnisse anderer zu schauen ...
Selbstlos glücklich – Warum es sich lohnt, stärker auf die Bedürfnisse anderer zu schauen
Es ist besser, einfaches Kraut in Liebe zu essen, als eine Mahlzeit mit einem gemästeten Ochs in Hass serviert zu bekommen (Sprüche 15,17). Wir Menschen sehnen uns nach Liebe, nach Menschen, die uns schätzen. Das ist uns oft wichtiger als materieller Reichtum und Wohlstand. Aber wie erreichen wir es, geliebt zu werden?
Im Wochenabschnitt Kedoschim heißt es: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst« (3. Buch Moses 19,18). Oft haben wir dieses Gebot gehört und darüber nachgedacht. Heute möchte ich einen Ratschlag geben, wie wir unsere zwischenmenschlichen Beziehungen verbessern können. Der Talmud sagt: »Jeder, der der Ehre nachläuft, von dem läuft die Ehre weg. Und jeder, der vor der Ehre flieht, dem läuft sie hinterher« (Eruvin 13b).
CHARAKTER
Dieser Ausspruch der Weisen erfordert eine Erklärung. Wir lernen aus ihm, dass ein Mensch umso mehr anerkannt wird, je mehr er menschliche Charaktereigenschaften hat. Wir respektieren unsere Nächsten nicht wegen der Eigenschaften, die sie mit Tieren teilen. So wertschätzen wir niemanden dafür, dass er zum Beispiel ein ganzes Lamm verschlingen kann oder 24 Stunden durchschläft. Vielmehr respektieren wir Menschen, weil sie noble Charaktereigenschaften haben, viel gelernt haben, weise sind. Alle diese Eigenschaften sind rein menschlicher Art. So können wir es verstehen, dass selbstlose Menschen allgemein in unserer Gesellschaft sehr anerkannt sind.
Unsere Weisen sagen: Jeder, der sich nicht um der Ehre willen mit der Tora beschäftigt, dessen Weisheit wird am Ende öffentlich bekannt. Er wird respektiert, denn man erkennt, dass er sich geistig weiterentwickeln will, um seine menschlichen Qualitäten zu verbessern. So etwas verdient Anerkennung. Im Gegensatz dazu fällt es uns schwer, jemanden zu wertschätzen, der nur an sich selbst und an seinen eigenen Vorteil denkt. Diese Einstellung nähert den Menschen seiner tierischen Seite. Deshalb sind Egoisten oftmals nicht beliebt.
Es ist harte Arbeit, selbstloser zu werden. Aber es ist möglich. Wir können die Beziehung mit unseren Mitmenschen verändern. Warum gehen heute so viele Ehen in die Brüche? Die Antwort ist, dass Menschen mit der Einstellung in die Ehe gehen: Was bringt mir das? Welchen Nutzen kann ich daraus ziehen? Mit dieser Einstellung ist fast jede Beziehung zum Scheitern verurteilt. Wenn wir am Morgen aufwachen und uns fragen, was wir für unseren Partner, für die Menschen in unserer Umgebung tun können, um sie glücklich zu machen, dann können wir unsere Ehe und unsere Beziehungen zu Freunden verbessern.
Es gibt keine Grenze, wie viel wir für unseren Partner tun können. Lerne, glücklich zu werden, indem du gibst, nicht, indem du nimmst! Sei selbstlos, und du wirst in deinem Leben Glück erfahren. Das ist bestimm nicht einfach. Es ist ein Kampf gegen den eigenen Egoismus. Aber es lohnt sich sehr, ihn zu führen.
VERÄNDERN
Oftmals denken wir uns, wenn sich dieses oder jenes verändert, dann wird alles besser. Wenn dieser oder jener mir keine Probleme bereiten würde, dann wäre mein Leben schöner. Der chassidische Reb Bunim widerspricht dieser These. Er erzählte, als er jung war, habe er gedacht, er könne die Welt verändern. Er wurde älter und sah, dass er nicht die ganze Welt ändern konnte. Also wollte er seine Stadt ändern. Die Zeit verging, und er sah, dass sogar dies nicht möglich war. Doch er sagte, er wolle wenigstens seine Nachbarn ändern. Als er merkte, dass ihm auch dies nicht gelang, sagte er: »Ich werde wenigstens versuchen, meine Familie zu ändern.« Und als er sah, dass er auch darin versagt hatte, sprach er: »Ich werde versuchen, mich selbst zu ändern.«
Als er sich selber erfolgreich geändert hatte, da sah er, dass seine Familie anders geworden war und ebenso die Nachbarn und die Stadt. In einem gewissen Sinne hatte sich die ganze Welt verändert.
Verändere dich, werde selbstloser! Dann wirst du die Früchte deiner Bemühungen bald sehen können.
Der Autor ist Rabbiner und Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz (ORD). Dieser Artikel erschien in der Jüdischen Allgemeinen.
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