Seele trifft himmlische Welten
Bei der Klartraum-Therapie gibt es relativ viele Kritik und Bedenken. Zwei davon sind die Flucht vor der Realität und die Unterdrückung wichtiger Verarbeitung.
FRAGE: Ich habe neulich von einer Technik erfahren, mit der man seine Träume kontrollieren kann. Das nennt sich „Klartraum“ oder „luzider Traum“. Diese Technik wird auch in der Psychotherapie angewandt, um Erlebnisse (Ängste, Traume, negative Gefühle), die sich ins Unterbewusstsein eingeprägt haben, sichtbar zu machen und Blockaden zu lösen.
Wäre so etwas aus jüdischer Sicht vertretbar? Ich meine, hier gibt es ja die Vorstellung davon, dass die Seele in der Nacht während des Schlafes zu Hashem kehrt, erneuert wird. Dürfte man da mit einer solchen Methode in vorhandene psychische Blockaden eingreifen?
ANTWORT: Bei meiner psychotherapeutischen Arbeit suchten mich bereits etliche Menschen auf, denen eine Klartraum-Therapie nicht wirklich weitergeholfen hat. Bei der Klartraum-Therapie gibt es relativ viele Kritik und Bedenken. Zwei davon sind die Flucht vor der Realität und die Unterdrückung wichtiger Verarbeitung.
Aus jüdischer Sicht bilden diese zwei Prozesse aber sehr kritische Punkte, da ja eine echte Beziehung mit dem Schöpfer des Lebens ein reales Bewusstsein darüber voraussetzt. Da ich über Thema „Klartraum“ eher kritisch denke, wurde ich von meinem Professor Ami Shaked aufgefordert, eine anwendbare Alternative zu zeigen, die aber nicht zu sehr religiös eingefärbt ist. Bei meiner Forschungsarbeit für die privaten Lehranstalten YNR, Israeli Association for Marriage & Family Guide habe ich dazu interessante Entdeckungen gemacht.
In mehreren Studien wurde der signifikante Zusammenhang zwischen dem regelmäßigen Praktizieren von Meditationsformen und der Häufigkeit von Klarträumen festgestellt. Gewisse Meditationszustände teilen Gemeinsamkeiten mit luziden Träumen. So fand beispielsweise eine Studie von Stumbrys et al. (2015) einen Zusammenhang zwischen der Praxis der Achtsamkeits-Meditation im Wachzustand und der Häufung von Klarträumen. Im westlichen Kulturkreis ist das Üben von Achtsamkeit insbesondere durch den Einsatz im Rahmen verschiedener Methoden in der Psychotherapie bekannt geworden und ist daher nicht religiös eingefärbt, wie beispielsweise das Traumyoga. Das Üben von Achtsamkeit kann als Form der Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit einem besonderen Wahrnehmungs- und Bewusstseinszustand verstanden werden, als spezielle Persönlichkeitseigenschaft sowie als Methode zur Verminderung von Leiden (im weitesten Sinne).
Das Üben von Achtsamkeit ist also durchaus mit dem jüdischen Denken vertretbar. Bei meiner therapeutischen Arbeit kombiniere ich das Üben von Achtsamkeit mit der Hidbodedut-Lehre des Rabbi Nachman. So setze ich den therapeutischen Verlauf auf die Stufe einer echten Hilfe. Interessant ist, was Rabbi Nachman dazu lehrt: „Der Geist und die Emuna (die Kraft des Glaubens) sind ein und dasselbe.“
Er erklärt, dass jedes psychische Leiden automatisch ein Hinweis auf einen mangelnden Glauben ist. Wer also seinen Glauben stärkt, erfährt automatisch ein Gefühl der Erleuchtung in seinem Gemüt. In diesem Zusammenhang empfiehlt Rabbi Nachman übrigens auch den Tikkun Haklali, also die allumfassende Korrektur der Gedanken, der Rede und aller Handlungen – und zwar durch drei spezifische Aktionen, was bedeutet, bevor man einschläft, muss man das Kirjat Shma Gebet lesen. So schläft man „auf der sicheren Seite“, da ja die Seele in der Nacht wandert. „Oben“ kann sie praktisch überall hin – also auch Orte besuchen, wo wir in Wahrheit nicht sein wollen. Deshalb muss man das Kirjat Shma mit dem Herzen beten. Dieses Gebet und die daraus entstehenden Gedanken, mit denen man dann einschläft, führen uns zu einem „sicheren“ nächtlichen Spaziergang in den himmlischen Welten.
Beim Aufstehen gilt es dann zu trainieren, dass der erste Gedanke, den man sich beim Erwachen ins Gedächtnis ruft, die kommende Welt (Alma DeAte) ist, also dass es hier bei uns in der realen Welt einen Schöpfer gibt, der alles lenkt sowie leitet und von dem alles ausgeht. So erfährt man also den Tikkun Haklali der Gedanken.
Anschließend muss das Erste, was man spricht, ein „bewusster“ Dank sein, das „Mode Ani“ zum Schöpfer. Auf diese Weise erfährt man den Tikkun Haklali der Rede. Und wenn man dann aufsteht, sollte die erste Handlung nach der Netillat Jadaim das Zedaka sein, indem man eben ein paar Cents oder Euros in eine Charity Box legt. So erfährt man den Tikkun Haklali der Handlungen.
Fazit ist: Anstatt sich dem enormen Aufwand einer Klartraum Therapie auszusetzen, kann man ein erfolgreiches Ergebnis durch eine tägliche einstündige „Mediation“ in Form des persönlichen Gespräches mit dem Schöpfer in der Abgeschiedenheit erreichen – vor allem in Kombination der drei praktischen Aktionen zur allumfassenden Korrektur der Gedanken, der Rede und aller Handlungen.
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