Wellenreiten auf hoher See

Rabbi Nachman fuhr mit seinem Schüler Rabbi Nathan nach Uman. Unterwegs offenbarte der Rabbi seinem Schüler unglaubliche Geheimnisse ...

3 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 17.03.21

FRAGE: Abraham war bereit, seinen Sohn aufgrund Gottes vermeintlichen Befehls zu opfern. Ist es tatsächlich ein Zeichen guter Gesinnung, Gott gegenüber absolut gehorsam zu sein? Es gibt ja dafür weitere Beispiele wahrer Begebenheiten. Der Gehorsam kann hin und wieder mit dem Gewissen kollidieren.

 

Antwort: Auf Gott zu hören, ist immer ein Zeichen guter Besinnung! So lernen wir aus der Passage im 2. Buch Moses 6, Vers 2: „Und Elo-kim redete mit Moses und sprach zu Ihm: Ich bin HaShem.“, dass selbst der Name Gottes „Elo-kim“ die Midat HaDin (Stärke des Gesetzes) in Wahrheit auch ein unbeschreiblicher Name für Güte ist, da der Ewige am Ende sprach: „Ich bin HaShem.“ (Ich bin vollkommen gütige Barmherzigkeit.)

 

Nicht immer verstehen wir unseren Schöpfer, das ist einleuchtend. Aber wir müssen dennoch immer daran glauben, dass alles, was Er uns durchleben lässt, große Liebe ist, weil Er ja immer Seine gütige Barmherzigkeit über uns walten lässt.

Die Weisen Israels bezeichnen Abraham als „Rosch HaMa´aminim“ – der Kopf aller Gläubigen. Deshalb waren alle Prüfungen, die Abraham in seinem Leben erfuhr, reine Kopfsache – um es mit den Worten des Zohars zu sagen: „BeMachschava Itberiru Kola“. Im Klartext bedeutet dies, dass er ständig mit Gedanken zu kämpfen hatte, welche die Gottesführung infrage stellen.

 

Dazu erklärt der Pri HaArez, Rabbi Menachem Mendel aus Vitebsk, dass die Prüfung des Abraham nicht die Akeda war – also nicht der Akt selbst, seinen Sohn zu opfern, sondern: „Denn nach Isaak sollen deine Nachkommen benannt werden.“ (1. Buch Moses 21, Vers 12)

Darin bestand die wirkliche Herausforderung, denn ohne Isaak gibt es keine Nachkommen!

 

Pri HaArez bezieht sich auf den Ari HaKadosch, der erklärt, dass HaShem Seine Welt in zwei Varianten lenkt.

 

Die erste Gottesführung ist „Bechinat Rachel – Olam Deitgalja“, also im Sinne von Rahel – die offenliegende Welt. Hier weiß ein Mensch durch klare Anweisungen aus der Heiligen Schrift, was Gott von ihm verlangt. Deshalb ist es die Aufgabe eines Jeden, mit Hingabe den Wunsch Gottes zu erfüllen. 

 

Die zweite Variante der Gottesführung ist „Bechinat Lea – Olam Deitkasja“, also im Sinne von Lea – die verborgene Welt. Hier wird ein Mensch tatsächlich geprüft, denn wir sprechen hier von einem unangenehmen Ereignis, das einen Menschen extrem erwischt, und es deswegen nicht wirklich den Anschein hat, dass sich die Gewitterwolken wieder lösen. Hier fällt es uns schwer, daran zu glauben, dass alles zum Besten dient, wie Rabbi Akiva sagte: „Kol Ma DaAvied Rachamana LeTav Avied.“

Deshalb müssen wir – sobald eine hohe Welle im Begriff ist, uns schwer zu treffen – einfach in Deckung gehen, einwenig abtauchen, nicht versuchen gegen die Wellen des Lebens anzukämpfen, sondern mit Emuna – der Kraft des Glaubens – innere Ruhe finden.

Genauso tat es Rabbi Meir: Sein Schiff ging unter und er war allein und verlassen auf hoher stürmischer See. Er versuchte nie, sich gegen die Wellen zu stellen und gegen sie anzukämpfen. Stattdessen lernte er auf jeder Welle zu reiten. So erreichte er am Ende doch noch den Strand. (Jewamot 121a)

 

Wenn also unerwünschte Fragen auftauchen, gilt es, davon überzeugt zu sein, dass alles, was mir im Leben passiert, immer nur zu meinem Besten dient. Deshalb nehme ich es auch gern in Liebe an. Darüber hinaus ist es wundervoll, dass ich meinen Schöpfer nicht immer verstehe. Wie sagte doch der große Rebbe aus Kozk? „Ich würde nie an einen Gtt glauben wollen, denn ich verstehen kann, denn was für ein Gtt ist das, denn ich verstehen kann!“ Da steckt sehr viel Weisheit drin.

 

Eines Tages fuhr Rabbi Nachman aus Breslev allein mit seinem Schüler Rabbi Nathan nach Uman. Unterwegs offenbarte der Rabbi seinem Schüler unglaubliche Geheimnisse aus der Tora. Und einer der verborgenen Schätze, die Rabbi Nachman uns offenbarte, ist: „Tachlit HaJedia, scheLo Neda“ – der Sinn und Zweck allen Wissens (über die Gottesführung) ist es, nicht zu verstehen.“

Die Korrektur unserer Welt hängt also davon ab, zu begreifen, dass wir unseren Schöpfer nicht wirklich verstehen können und dies so bescheiden annehmen müssen, schließlich sagt der Ewige: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und Meine Wege sind nicht eure Wege.“

 

Bei Abraham erkennen wir, was die zwei Varianten der Gottesführung angeht, dass er tatsächlich die zwei bereits erwähnten Varianten der Gottesführung durchlebt hatte.

Im 1. Buch Moses 12, Vers 7-8 heißt es: „Dort baute er dem Herrn, der ihm erschienen war, einen Altar.“

Und später baut Abraham dem Ewigen noch einen Altar, so wie es heißt: „Dort baute er dem Herrn einen Altar und rief den Namen des Herrn an.“

Beim ersten Altar erschien der Schöpfer dem Abraham. Hier ist die Rede von der ersten Gottesführung „Bechinat Rachel – Olam Deitgalja“, also im Sinne von Rahel –

die offenliegende Welt.

Bei dem zweiten Altar war vom Schöpfer aber nichts zu sehen. Hier ist deshalb auch die Rede von der zweiten Gottesführung „Bechinat Lea – Olam Deitkasja“, also im Sinne von Lea – die verborgene Welt.

 

Alles in einem: Alles, was Gott tut, tut Er zum Besten!

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