Brief für Dich

Einer der größten jüdischen Schriftgelehrten war Rabbi Moses Ben Nachman. Des Weiteren war er auch ein überragender Arzt, Philosoph und Dichter.

3 Min.

Rabbiner David Kraus

gepostet auf 05.04.21

Einer der größten jüdischen Schriftgelehrten war Rabbi Moses Ben Nachman (vor allem bekannt durch das Akronym RaMBaN [hebr. רמב"ן]). Des Weiteren war er auch ein überragender Arzt, Philosoph und Dichter.

Das herausragende seiner Persönlichkeit war die große Liebe, die er zu allen Kindern der Welt empfand. Das war auch der Grund, weshalb er sich eines Tages entschloss, seinem Sohn einen Brief zu schreiben, der allerdings in Wahrheit an jeden von uns adressiert ist.

In dem Brief hob er eine Botschaft sehr stark hervor: Mein Sohn, lese diesen Brief einmal wöchentlich!

Dieser Brief über Bescheidenheit schickte Rabbi Moses Ben Nachman, der RaMBaN von Acco, zu seinem Sohn nach Katalonien und befahl ihm – wie bereits gesagt – diesen immer wieder einmal in der Woche zu lesen. Auch andere sollten mit ihm lernen, damit sie ihn bald auswendig können und sich schon in der Jugend an Gottesehrfurcht gewöhnen. Er verhieß ihm, dass sein Gebet jedes Mal wenn er diesen Brief liest im Himmel erhört werde. Folglich heißt das, dass jeder, der diesen Brief regelmäßig liest, gewiss vor jedem Leid bewahrt und der ewigen Seligkeit teilhaftig sein wird.

Doch nun zum Brief:

 

 

Der Zorn öffnet die Tora der Hölle

Höre, mein Sohn, auf das Wort deines Vaters, und verlasse nicht die Lehre deiner Mutter! Gewöhne dich daran, zu jedem und immer sanft zu sprechen. Dadurch wirst du vor Zorn bewahrt. Der Zorn ist eine böse Eigenschaft, die den Menschen zur Sünde veranlasst. So sagten unsere Weisen s. A.: Wer in Zorn gerät, über den haben alle Mächte der Hölle Gewalt, so wie es in der Schrift heißt: Halte den Zorn deinem Herzen fern, so hältst du das Unglück fern von dir selbst!

 

 

Verachtung ist Empörung gegen Gott

Erfülle dein Herz mit der Tugend der Demut. Sie ist die vorzüglichste aller Eigenschaften. Denn es heißt: Die Folge der Demut ist Gottesehrfurcht.

Erfülle dein Herz auch mit den Gedanken, woher du kommst, wohin du gehst, und vor wem du einst Rechenschaft ablegen musst. Dann wirst du dich vor der Sünde hüten und mit dem dir von Gott beschiedenen Teil zufrieden sein.

Wenn du dich an die Demut gewöhnst, auch vor anderen Scheu hast und dich vor der Sünde hütest, so wird der Geist Gottes auf dir ruhen, der Abglanz seiner Majestät, und das Leben der künftigen Welt wird dir zuteil. Mein Sohn! Denke darüber nach: Wer sich im Herzen über die anderen erhebt, der empört sich gegen die Herrschaft Gottes.

Worauf soll denn das Menschenherz stolz sein? Auf Reichtum? Gott macht reich und arm. Auf Ehre? Nur Gott gebührt Ehre, so wie es heißt: „Reichtum und Ehre sind von Dir“. Auf seine Weisheit? Gott kann die Weisheit den Bewährten und die Redegabe den Ausgezeichneten nehmen. Du siehst, vor Gott ist alles gleich: wenn Er zürnt, stürzt Er die Stolzen; wenn Er begnadigt, erhebt Er die Niedrigen. Darum erniedrige dich, so wird Gott dich erhöhen.

 

Wiege die Worte ehe du sprichst

 

Und nun will ich dir erklären, wie du dich an Demut gewöhnen und ihr treu bleiben kannst. All dein Sprechen sei in Milde, dein Haupt gebeugt, dein Blick gesenkt, dein Herz aber nach oben gerichtet!

Missachte den Menschen nicht, jeder sei in deinen Augen mehr als du! Ob er weise ist oder reich, ehre ihn! Ist er arm und du bist reicher oder klüger, so denke: Vielleicht ist er sündenloser und reiner als du. Er sündigt vielleicht nur aus Versehen, du aber absichtlich.

Bei all deinen Worten, Gedanken und Handlungen stelle dir vor, du würdest vor Gott stehen. Seine Majestät erfüllt ja die Welt. Dein Sprechen sei in Ehrfurcht und Zagen. Achte stets darauf, in der Thora zu forschen! Dann wirst du sie auch recht erfüllen können. Stehst du von einem Buch auf, so frage dich, ob in dem Gelernten etwas enthalten ist, das du erfüllen kannst. Morgens und am Abend prüfe dein Tun, dann werden deine Tage eine Rückkehr zu Gott sein. Entferne beim Gebet die Dinge dieser Welt aus deinem Sinn. Rüste dein Herz dem Allgegenwärtigen – gelobt sei Er – entgegen, reinige deine Gedanken und überlege die Worte, ehe du sie aussprichst.

Wenn du Zeit deines Lebens so verfährst, dann wirst du nicht sündigen, deine Worte, Handlungen und Gedanken werden gerade sein, dein Gebet rein und lauter und andächtig, es wird von Gott – gelobt sei Er – wohlgefällig aufgenommen werden!

Lese diesen Brief einmal wöchentlich. Versäume nicht, auf ihn zu achten und durch ihn stets in Gottes Wegen zu wandeln. So wirst du glücklich sein auf allen deinen Wegen und die Seligkeit des Jenseits genießen, die den Frommen bestimmt ist. So oft du ihn liest, wird im Himmel die Sehnsucht deines Herzens erhört werden. Amen!

 

 

David Kraus (M.A in Psychologie und Integrativer Psychotherapie | Dipl. Paar- und Familientherapeut | Dipl. Pädagogischer Elternberater) ist Oberrabbiner der Jüdisch-Chassidischen Kultusgemeinde Breslev Deutschland / Israel mit Sitz in Hanau. David Kraus finden Sie bei Facebook.

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