Israel für mich Lebensnotwendig?

Die Manifestation unserer Erlösung - Das Gebot der Besiedlung des Landes -Israel, unsere natürliche Umgebung - Die heilende Luft Israels - Das Land unseres Lebens ...

15 Min.

Rabbiner Schlomo Aviner

gepostet auf 05.04.21

Die Nummern in Klammern verweisen zu den Fußnoten am Ende des Artikels. 
   

"Über die Lebensnotwendigkeit unserer 
Verbindung zum Lande Israel"

 

1. Die Manifestation unserer Erlösung

 

Die Erlösung (Ge'ulah) ist das genaue Gegenteil der Verbannung 
(Galut), sie steht zu ihr in direkter Opposition. Und was ist nun 
"Verbannung"? Ein unnormaler Zustand. In unserem Normalzustand 
müssen wir uns hier befinden, das ganze Volk Israel im Lande Israel; 
und nicht nur das: das ganze Land muss in unserer Hand sein. 
G~ttseidank bringt uns das himmlische Wohlwollen langsam Stufe um 
Stufe voran, verglichen z.B. mit der vorherigen Periode, vor der 
Staatsgründung. Damals herrschte noch die Galut – wir waren 
"draußen" und die Nichtjuden "drinnen", und die Möglichkeit der 
Einwanderung vom guten Willen der Nichtjuden abhängig. In dieser 
Hinsicht sind wir etwas vorangekommen und zum Normalzustand 
zurückgekehrt: Israel ist in unserer Hand, ebenso Jerusalem; wir sind 
selbständig.

 

Diese Entwicklung offenbart sich in kleinen Schritten (1). Denn 
ebenso, wie G~tt uns anhand von Wundern erlösen kann, kann er es 
auch ohne Wunder tun, auf dem Wege natürlicher Entwicklung, auf 
dem Wege der Besiedlung und der Einnahme.

 

2. Das Gebot der Besiedlung des Landes

 

Besiedlung und Einnahme des Landes sind ein Gebot der Tora: Das 
Land zu besiedeln, damit es nicht veröde. Es ist eine allgemein 
akzeptierte Tatsache im Judentum, das in der Rangordnung der 
Geistesgrößen Nachmanides gleich auf Maimonides folgt, welcher 
sozusagen die Fortsetzung der Gemara darstellt; sie lebten etwa zur 
gleichen Zeit. Nachmanides war einer der größten Weisen und 
Kabbalisten – Eigenschaften, die zusammengehen. Er konstatierte, dass 
das Gebot der Besiedlung des Landes zu den positiven der Liste der 
613 Gebote gehöre, auf der Basis des Verses: "Und ihr sollt austreiben 
[die Bewohner] des Landes und sollt darin wohnen; denn euch habe ich 
das Land gegeben, es zu besitzen" (Num.33,53)(2). Dies ist 
Befehlssprache und enthält demnach ein positives Gebot. Es sind uns 
also folgende zwei Dinge geboten: 1. das Land durch Eroberung 
einzunehmen und 2. es zu besiedeln.

 

Nachmanides legt unmissverständlich fest, dass dieses Land, das G~tt 
unseren Vätern versprochen hat, in unseren Händen sein muss und nicht 
im Besitz irgendeiner anderen Nation (3). Dass es sich in unserer Hand 
befinde, im nationalen Sinne. Ein Land, Geographie, ein Stück Erde in 
der Hand eines Volkes – jeder begreift, dass es hier um Souveränität 
und Staatswesen geht. Es ist ein fundamentales Gebot der Tora, dass 
wir über dieses Land herrschen. Gleichfalls ist das Land nicht 
brachliegen zu lassen, will sagen: Herrschaft durch Besiedlung.

 

Dies alles fällt unter das Thema Erlösung, die sich stufenweise entfaltet 
und nicht etwa plötzlich, in ihrem Kontrast zur Galut. So kommen wir 
langsam aber sicher voran. Ständig werden neue Siedlungen, Kibuzim 
und Städte gebaut. Welches Glück, dieser Verwirklichung von G~ttes 
Wort teilhaftig zu werden. Dies ist ein wichtiger Aspekt der Erlösung, 
den man als Teil der g~ttlichen Vorsehung erkennen muss. Die Welt ist 
nicht sich selbst überlassen; G~tt hat die Welt nicht verlassen. Am 
Ende der Tage werde sich ein Zustand der Rückkehr zum Land 
offenbaren. Genau dies findet jetzt unter uns, durch uns statt! Diese 
Entwicklungsstufe beinhaltet das Ende der Galut, es erscheint der 
"Beginn der Erlösung" (Megilla 17b). Und doch, in Erkenntnis des 
Normalzustandes, dass wir uns hier im Lande befinden, müssen wir zu 
unserer Schande eingestehen, und wir müssen uns dessen schämen, dass 
andererseits immer noch der Galut-Zustand vorherrscht, da sich immer 
noch Millionen Juden "draußen" aufhalten. Wir müssen zu unserem 
natürlichen und normalen Zustand zurückkehren, dass nämlich unsere 
Millionen "drinnen" sind.

 

Frage: Ist es uns in Anbetracht der Bedeutung des Landes Israels 
erlaubt, kurzfristig ins Ausland zurückzukehren, um dort 
Aufklärungsarbeit zu leisten?

 

3. Israel – unsere natürliche Umgebung

 

Antwort: Ja, wenn es sich wirklich nur um einen begrenzten Zeitraum 
handelt. Jeder Jude muss fühlen, dass Israel seine natürliche Umgebung 
darstellt und nicht Straßburg, Johannesburg oder Williamsburg. Und 
wir befinden uns zu Recht in Israel, weil wir es uns verdient haben und 
weil es uns rechtmäßig zusteht: Hier gehören wir hin, diesen Ort hat 
G~tt unseren Vorvätern versprochen, und dieses Versprechen hat 
durch alle Generationen Bestand bis hin zur vollständigen Erlösung, die 
schon unterwegs ist. Alles, was uns am Lande Israel noch fehlt, fehlt 
uns auch an unserer vollständigen Normalität. Israel ist für uns 
gemacht, sowohl im allgemeinen, gesellschaftlichen Sinne als auch im 
Sinne jeder individuellen jüdischen Seele. Hier sind wir zu Hause, hier 
sind wir in der Familie. Israel bedeutet gesunde Atmosphäre und 
gesundes Klima – sogar für den Körper, wie es einer unserer 
Vorfahren, Rabbi Jehuda Halevi, in einer seiner Kompositionen 
ausdrückte: "Leben der Seelen die Luft deines Landes" (4), "die Luft 
des Landes Israels macht weise" (Baba Batra 158b), sie gibt Weisheit 
und Verstand. Ein Kernstück des Verstandes ist die Erkenntnis, dass 
unter den Nichtjuden zu leben überhaupt nicht angenehm ist. Man darf 
nicht vergessen, daß die Nichtjuden uns eine große Gnade erweisen, 
indem sie uns in ihren Ländern Aufenthalt gewähren – bis sie uns 
vertreiben. Amerika oder Brasilien tun uns einen Gefallen, erlauben 
uns, bei ihnen zu sein; das ist ihrerseits sehr großzügig. Wer jedoch mit 
offenen Augen durch die Welt geht, erkennt, dass wir uns dort auf 
fremder Erde befinden. Dort – das ist nicht unsere Gesellschaft, nicht 
unsere Regierung, gar nichts ist unser. Hier, an unserem Platze, sind 
wir zu Hause, in der Familie, in jeder Hinsicht. Sowohl in Hinblick auf 
Heiligkeit als auch von Seiten der Gesundheit und der Psychologie, ja 
der Psychophysiologie. Es kann nicht oft genug betont werden: Wir 
müssen wieder gesunden und dürfen uns daher nicht an einem Ort 
aufhalten, wo wir nicht gesund, sondern verwirrt werden. Manche sind 
so verwirrt, dass sie vergessen und glauben, es sei normal, unter den 
Nichtjuden zu leben. Dieser schwerwiegende Irrtum legt uns ständig 
Steine in den Weg. Wir brauchen den Zustand der Juden, die in 
nichtjüdischer Gesellschaft leben, nicht besonders zu schildern, jeder 
kennt die Fakten. Israel verkörpert das Land unseres Lebens in jeder 
Hinsicht – national, historisch, gesellschaftlich und individuell. Und 
sogar gesundheitlich.

 

4. Die heilende Luft Israels

 

In der vorigen Generation war Rabbi Schmuel Salant der Oberrabbiner 
von Jerusalem, ein weltberühmtes Genie. Anfangs wohnte er in 
Litauen, in der Stadt Salant. Schon in jungen Jahren erkrankte er an 
der Schwindsucht, und selbst die größten Ärzte hatten schon fast jede 
Hoffnung um ihn aufgegeben. Sie schlugen ihm schließlich vor, an 
einen bestimmten Kurort im damaligen Grenzgebiet zwischen Ägypten 
und Äthiopien zu gehen – vielleicht könnte er dort ja noch viele Jahre 
leben. Darauf sagte ihnen Rabbi Schmuel Salant: Nun, das ist ja gar 
nicht so weit von Israel entfernt! Fahre ich doch lieber gleich dahin! 
Und so geschah es auch. Er fuhr nach Jerusalem und erreichte dort das 
gesegnete Alter von 93 Jahren, davon 60 Jahre (!) als Oberrabbiner der 
Stadt. Es gibt noch viele solcher Beispiele von Leuten, die die Luft des 
Landes Israels geheilt hat, in psychologischer und auch 
physiopsychologischer Hinsicht.

 

Vor einiger Zeit lebte ein für seine Forschungen weltberühmter Arzt, 
der weder religiös noch zionistisch eingestellt war, der in 
entsprechender Weise feststellte, dass es "jüdischere" Krankheiten als 
andere gäbe. Er erklärte: "Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die 
Ursache darin zu suchen ist, dass wir Asiaten sind." Wir gehören zu 
Israel, und im Exil findet sich kein für uns normales Klima, dies, in 
Verbindung mit irgendeiner körperlichen Schwäche, rächt sich sogleich 
an uns.

 

5. Das Land unseres Lebens

 

Unser Wesen ist nicht der Luft des Auslands angepasst. Die Luft Israels 
ist unsere Luft; die Berge unsere Berge, die Hügel unsere Hügel, die 
Täler unsere Täler – in seelischer und sogar in physischer Hinsicht. Und 
wenn wir dies durch Gewöhnung in Vergessenheit geraten lassen, 
kommt es zur Katastrophe. Mit der Galut zu liebäugeln ist eine 
schwere Verirrung. Im Wochenabschnitt Mischpatim (=Rechte) lernen 
wir, dass ein Knecht nach spätestens sechs Dienstjahren freigelassen 
werden muss. Wenn er aber sagt: "Ich liebe meinen Herrn…ich mag 
nicht frei ausgehen" (Ex.21,5), so ist dies sehr bitter. Ebenso ist der 
Zustand des in-die-Verbannung-Verliebtseins des "Ich liebe meinen 
Herrn den Nichtjuden" ein sehr bitterer.

 

Das Bewusstsein und das Wissen um Israel als dem Lande unseres 
Lebens muss gesteigert werden. Dies ist unser natürlicher 
Aufenthaltsort, sowohl in religiöser als auch in nationaler Hinsicht. 
Und wenn wir nicht hier sind, so sind wir weder gesund noch normal. 
Und ab und zu erinnern uns die Nichtjuden daran, daß wir uns bei 
ihnen auf fremder Erde befinden.

 

Über Eines muss sich jeder von vornherein klarsein: Jeder Jude, wo 
immer er sich auch aufhalten möge, gehört nach Israel als seinem 
angestammten Ort. Im Ausland haben wir nur den Rang von Gästen. 
Zur Ausführung eines Gebotes darf man sich kurzfristig ins Ausland 
begeben, zwei, drei Jahre, aber die Zielrichtung unseres Lebens ist es, 
hier zu sein.

 

6. Das Land Israel wiegt alle Gebote auf

 

Über die Bedeutung dieses Gebietes in Hinblick auf Tora und Gebote 
haben sich unsere Weisen mit unmissverständlicher Klarheit 
ausgedrückt – dass nämlich das Bewohnen des Landes Israels sämtliche 
Gebote der Tora aufwiege (Sifri Ekew Kap.11). Ist das nicht 
ungeheuerlich!? Natürlich ist dieser Ausspruch nicht als Annullierung 
der Gebote zu verstehen. Jedes Gebot ist als Detail aller 613 Gebote 
aufzufassen. Dagegen stellt das Gebot, das Land zu bewohnen, kein 
Detail dar, es ist vielmehr das allumfassende Gebot der Anwesenheit 
des ganzen jüdischen Volkes im Lande Israel. Die wahre Erfüllung der 
Tora kann nur in Israel stattfinden. Anderenorts dienen die Gebote nur 
als Gedächtnisstützen, damit wir nach unserer Rückkehr ins Land 
wissen, wie wir sie zu erfüllen haben (5).

 

7. Kurzfristiger Auslandsaufenthalt

 

Daher ist das Land Israel zu besiedeln und darf nicht verlassen werden; 
man darf sich ihm nicht entfremden, möge G~tt uns davor bewahren. 
Ein kurzfristiger Aufenthalt im Ausland kann aber durchaus möglich 
sein. Und auch dies bedarf näherer Erläuterung. Der göttliche Geist 
ruht nämlich vor allem in Israel, entsprechend den Worten des 
"Kusari": "im [Lande] oder zu seinen Gunsten" (6), in oder für Israel. 
Dies trifft für die gesamte Tora zu: Entweder in Israel, oder im 
Zustand des Sehnens nach Israel; in Verbindung zu Israel und 
Empfangen von Israel. Wie es in der Gemara heißt: "…man hofft es 
[d.h. Israel] zu sehen" (7) – in Sehnsucht, dem Lande Israel zugehörig 
zu sein.

 

So ist natürlich gar nicht an ein permanentes Verlassen des Landes zu 
denken. Für kurze Zeit jedoch, zum Beispiel als Abgesandter, ist dies 
ebenso wichtig wie richtig. Es ist in diesem Sinne zu 
Erziehungszwecken erlaubt, das Land temporär, auf ein, zwei Jahre zu 
verlassen, um auf eine Verwurzelung der Verbindung zu Israel im 
jüdischen Volk hinzuwirken.

 

In der Gemara finden wir diese Dinge genau spezifiziert. Im 
allgemeinen ist das Verlassen verboten, aber unter zwei Bedingungen 
ist der zeitlich begrenzte Auslandsaufenthalt erlaubt: 
1. Zum Torastudium, wenn die Situation im Lande dies nicht zulässt. 
Als das Land öde und verwüstet war, hatte man keine andere Wahl als 
seinen Wissensdrang im Ausland zu befriedigen. G~ttseidank ist die 
Lage heute anders! (8) 

2. Zur Regelung des Familienlebens – um einen Ehepartner zu finden, 
wenn sich herausstellt, dass es im ganzen Land absolut keine passenden 
und akzeptablen Jungen oder Mädchen gibt (8). Nun – man darf wohl 
annehmen, dass heutzutage jeder hier seinen "Schidduch" finden kann!

 

8. Überwindung der Verständnislosigkeit

 

Frage: Im Ausland bemühen wir uns auf Einwanderung nach Israel 
hinzuwirken; manchmal ist es nur schwer, den richtigen Weg der 
Erläuterung für dem Judentum entfremdete Menschen zu finden. Wie 
kann man mit ihnen über den Wert Israels ohne Erwähnung der 
religiösen Aspekte reden, sozusagen "außerhalb der Religion"?

 

Antwort: Dieses Thema ist vorhin schon angeklungen. Obwohl es hier 
um nicht-religiöse Juden geht, so gibt es doch auch bei ihnen noch den 
Willen, ihr Judentum weiterzuführen. Anderenfalls wäre ihr Zustand 
wirklich gefährlich. Auch die, die ihr Judentum bewahren wollen, sind 
dennoch den starken Strömungen der Assimilation und den 
Anfeindungen der Nichtjuden ausgesetzt. Jedermann kann leicht 
verstehen, dass diese Situation wohl nicht so ganz zu ihm passt. Vor 
dem Hintergrund dieses Gefahrenzustands muss das Fortbestehen des 
Judentums gesichert werden. Sehen sie die Situation jüdischer 
Jugendlicher an den Universitäten als gesichert an ?

 

Frage: Jene Leute sind sich dieser Dinge nicht unbedingt bewusst…

 

Antwort: Die Nichtjuden werden ihnen dies zu gegebener Zeit bewusst 
machen, auf die eine oder andere Weise – sie müssen sich über ihre 
Lage klarwerden, bevor die Nichtjuden kommen und es Schläge setzt. 
So oder ähnlich kann man das Problem durchaus verdeutlichen.

 

Frage: Aber das ist doch ein negativer Grund für die Einwanderung ?!

 

Antwort: Sehr richtig. Das war eine sehr treffende Bemerkung. Dieser 
negative Grund zur Einwanderung, die Leiden des Exils, erscheint 
schon in den ersten Schriften Theodor Herzls: Man kann unmöglich 
länger unter den Nichtjuden ausharren, wir müssen nach Hause kehren. 
Selbstverständlich ist es wichtiger, die positive Seite des 
Lebensgefühls, der Lebenserkenntnis und der Gesundheit des Landes 
Israels in uns zu entwickeln – das ist es, was uns anziehen muss. So 
sollte es jedenfalls sein; wenn sich dies aber verzögert, bleibt nur der 
negative Weg.

 

Halten wir also folgende zwei Dinge fest: Auf der einen Seite steht das 
wahrhaftige Bedürfnis, aus dem Lande des Lebens zu schöpfen, dem 
Lande unserer Väter. Dies ist die hauptsächliche, positive Seite. Die 
andere, negative und nicht geringer an Bedeutung, ist die Erkenntnis 
der Unmöglichkeit des Aufenthaltes auf in jeder Hinsicht fremder Erde. 
Manchmal verschwindet die positive Seite unter dem betäubenden 
Druck des Lebens in fremdem Land. Jerusalem gerät in Vergessenheit – 
"Sollt' ich dich vergessen, Jeruschalajim, so versage meine Rechte" 
(Ps.137,5) – wir vergessen unsere Identität. Dann ordnet der Herr der 
Welt die Dinge so, daß die negativen Gründe zur Wirkung kommen, 
damit wir uns unserer Exilsituation bewusst werden.

 

9. Jeder Jude kommt aus Israel

 

Der Rabbi von Ostrowsze pflegte zu sagen, dass, wenn man einen 
Juden frage, woher er sei, die Antwort zu lauten habe: "aus Israel" – als 
Vorbereitung darauf, in Zukunft wirklich in und aus Israel zu sein. 
Diese Erklärung erschließt Gefühl und Bewusstsein, wie auch ein 
Midrasch unserer Weisen verdeutlicht (9). Dort kritisierten sie unseren 
Lehrer Moscheh ein wenig. Gegenüber Josef, der zu seiner Herkunft 
stand, der anerkannte, dass er zum Lande Israel gehöre, stand Moscheh 
nicht so ganz zu seinem Land. Josef erzählte [dem Mundschenk 
Pharaos]: "Aus dem Lande der Hebräer bin ich gestohlen worden" 
(Gen.40,15), stand also zu seinem Lande. Demgegenüber erzählten die 
Töchter Jitros ihrem Vater: "Ein ägyptischer Mann hat uns gerettet" 
(Ex.2,19). Woher wußten sie denn, dass er aus Ägypten war? 
Anscheinend hatte er es ihnen gesagt! Dazu fragt der Rabbi von 
Ostrowsze: Was wollen unsere Weisen von Moscheh Rabenu 
(=unserem Lehrer)? Josef hat zwar die Wahrheit gesagt, dass er im 
Lande Israel geboren wurde; Moscheh Rabenu aber wurde in Ägypten 
geboren, wuchs dort auf, wurde dort erzogen – wie sollte da die Lüge 
über seine Lippen kommen, er sei aus Israel?! Die Antwort aber lautet: 
Moscheh ist ein direkter Nachfahre unseres Vaters Awraham, daher ist 
er verpflichtet zu sagen, daß er diesem Lande zugehörig sei. 
Automatisch gehört er dazu. Daher haben auch wir, die Enkel unseres 
Vorvaters Awraham, unsere Zugehörigkeit zu diesem Land zu 
bekennen.

 

10. Unser Vater Awraham durchwandert das Land

 

Im Wochenabschnitt "Lech lecha" wird Awraham befohlen: "Auf, 
wandle durch das Land nach seiner Länge und nach seiner Breite" 
(Gen.13,17) – er soll einen "Ausflug" durch das ganze Land Israel 
unternehmen. "..denn dir werd' ich es geben" (ebda.), so lautet G~ttes 
Wort, der hier der Hausherr ist – des ganzen Nahen Ostens!

 

Unsere talmudischen Weisen erläutern uns die gesetzlich korrekte 
Durchführung des Bodenerwerbs (10) : Nach Einigung der 
Vertragspartner kann die Eigentumsübertragung auf drei Weisen 
erfolgen: 1. durch Zahlung des Kaufpreises 2. durch Übergabe der 
Kaufurkunde oder 3. durch Inbesitznahme. "Inbesitznahme" nennt man 
das Ausführen einer Tätigkeit, die erkennen lässt, dass der sie 
Ausführende rechtmäßiger Eigentümer des Grundstückes ist, wie z. B. 
Umzäunen, eine Bresche schlagen oder abschließen. Nun stellt sich die 
Frage, ob das Durchwandern des Landes eine derartige 
eigentumsbegründende Tätigkeit darstellt. Darüber gibt es bei unseren 
Weisen verschiedene Ansichten. Eine Antwort führt den oben 
erwähnten Vers "denn dir werd' ich es geben" an, d.h. aufgrund der 
Durchwanderung. Eine andere Ansicht hält diese Begründung für nicht 
stichhaltig genug, und bringt stattdessen diese wunderbare Erklärung: 
Awrahams Durchwanderung des Landes hat ihre besondere 
Bedeutung: "zur Erleichterung der Eroberung durch seine 
Nachkommen"! Diese Wanderung, dieser "Ausflug" unseres Vaters 
Awraham in seiner spirituellen und historischen Größe hat den 
Stellenwert einer Eroberung, er hinterlässt Eindrücke und hat zur 
Folge, daß die Landnahme der Nachfahren leichter vonstatten geht. 
Und genau dies zeigt sich hier und heute, nach mehreren tausend 
Jahren. Diese Wanderung hat göttlichen, historischen Wert als 
Wegbereitung für die Eroberung in unseren Kriegen.

 

11. Das Ende des Exils

 

Wir finden bei unseren Weisen eine ganz besonders deutliche 
Definition für das Ende unseres Exils (Sanhedrin 98a). Nach einer 
ganzen Seite voller Berechnungen und nebulösen, mystischen 
Erklärungen erscheint schließlich eine Definition, die an Klarheit nicht 
zu übertreffen ist: "Du hast kein deutlicheres [Kennzeichen für das] 
Ende als das folgende", und nennt einen Vers aus dem Prophetenbuche 
Jecheskel (36,8): "Und ihr, Berge Israels, werdet Eure Zweige treiben 
und eure Frucht tragen meinem Volke Israel, denn sie kommen bald". 
Dieser Vers besteht aus zwei Teilen: Zunächst der göttliche Befehl an 
das Land, das so lange Jahre brach lag, wieder Früchte 
hervorzubringen, und nicht etwa den Nichtjuden, sondern dem Volk 
Israel. Und in direkter Beziehung dazu steht die Rückführung der 
Verbannten – "denn sie kommen bald"; dies ist der zweite Teil.

 

Beide Aspekte dieser göttlich-historischen Wirklichkeit erfahren ihre 
Erneuerung in und durch uns. Raschi erklärt (Sanh.98a): Wenn Israel 
seine Früchte in vollen Zügen hervorbringt, so ist dies das Kennzeichen 
für das Ende. G~tt hat sich mit dem brachliegenden Lande ausgesöhnt. 
Es gab Zeiten, da G~tt auf uns "böse" war, und uns aus dem Lande 
hinauswarf. Und auch auf das Land war er "böse", was dort anhaltende 
Trostlosigkeit zur Folge hatte. Das Klima war so schlecht, die Luft so 
verpestet und voller Krankheiten, dass jeder Aufenthalt mit größter 
Gefahr für das Leben verbunden war. G~ttseidank ist diese Gefahr 
gebannt. Dies ist das Land unseres Lebens und unserer Gesundheit.

 

Es ist offensichtlich, dass G~tt sich mit uns aussöhnt. Er söhnt sich aus 
mit dem Volk durch Einsammlung der Verbannten aus Amerika, aus 
Russland und vielen anderen Ländern – und wenn hier erstmal zehn 
Millionen Juden leben, wird es auch dem Letzten klar sein, dass sich 
G~ttes Zorn gelegt hat. Das gleiche gilt für das Land, das so lange 
trostlos zur Unfruchtbarkeit verdammt war; heute ist es gesegnet und 
gibt uns seine Früchte tagtäglich in großer Reichhaltigkeit. Hier 
wachsen wunderbare Bananen und dort gedeihen die schönsten 
Weintrauben… kaum zu beschreibende Fülle des Segens und des 
Erfolges. Der Herr der Welt sammelt die Zerstreuten Israels ein, und 
auch die zerstreute Erde fügt er wieder zusammen.

 

Es gab hier im Lande zum Beispiel die "deutschen Siedlungen", 
gegründet von deutschen Nichtjuden, die sich in der Umgebung von 
Tel-Aviv, Jerusalem, Haifa und anderen Orten niederließen. Es gelang 
ihnen jedoch nicht, längere Zeit zu bestehen, und schon in der zweiten 
Generation verschwanden sie bis auf einen kleinen Rest. 
Demgegenüber entwickeln sich unsere Kibuzim ständig weiter, unsere 
Jungens dort gleichen den "Zedern des Libanon", liebenswert, robust, 
heroisch und bedeutsam – eine Freude, sie anzusehen. Uns ist dies 
nämlich der normale und natürliche Aufenthaltsort, und jenen ist hier 
nichts normal und natürlich. Und wenn das Land seine Früchte in 
reichem Maße hervorbringt, so ist dies kein Zufall.

 

12. Kein Zufall

 

Unsere Weltanschauung ist nicht die der Zufälligkeit, G~tt behüte. Nur 
Leute, die nicht aufmerksam beobachten, glauben fahrlässigerweise, 
dass alle diese Dinge sich von alleine so entwickelt haben. Das aber ist 
ein Irrtum. Wenn sich die Dinge so entwickeln, kann man davon 
ausgehen, dass es gemäß der göttlichen Vorsehung so zu sein hat.

 

Vor einiger Zeit begegnete ich einem wichtigen Mann aus Ungarn, 
Philosoph und Wissenschaftler, vollkommen assimilierter Jude von 
radikal materialistischer Weltanschauung. Seine Vertrauten deuteten 
an, dass sich bei ihm in letzter Zeit ein Wandel vollzogen habe. 
Während unseres Gespräches hielt er kurz inne und sagte mir nach 
einigen Augenblicken der Überlegung: "Das, was wir heute Zufall 
nennen, ist in Wirklichkeit G~tt inkognito". Dies ist ein wunderbarer 
Ausdruck des Glaubens, des Vertrauens in die göttliche Vorsehung, ein 
klares und deutliches Wort. Es gibt keinen Zufall, alles kommt vom 
Urheber allen Seins, wenn auch manchmal "ohne Namensnennung" – 
"G~tt inkognito". 
 

 

Zusammenfassung:

 

1. Gegenüber dem unnormalen Zustand der Verbannung, in dem die 
Nichtjuden im Lande wohnen und die Juden im Ausland, erscheint 
unsere Erlösung in Gestalt der Rückgewinnung unserer 
Selbständigkeit, in natürlicher Fortentwicklung, durch Besiedlung und 
Beherrschung des Landes.

 

2. Nachmanides erläutert das "Gebot der Besiedlung des Landes" als 
die Pflicht zur Besiedlung und Einnahme des Landes im nationalen 
Sinne durch Staatsgründung und israelische Souveränität. Auf diese 
Weise offenbart sich der Beginn unserer Erlösung, die sich im 
Folgenden durch Einsammlung der Verbannten beschleunigt.

 

3. Das Land Israel gehört uns aufgrund G~ttes Wort und ist unser 
natürlicher Aufenthaltsort, passend zur Normalität unseres allgemein- 
israelischen und auch unseres individuellen Lebens. Demgegenüber ist 
uns der Aufenthalt im Ausland in jeder Hinsicht unzuträglich.

 

4. Aus diesem Grund gesundete Rabbi Schmuel Salant in der 
besonderen Atmosphäre Israels, entsprechend den Worten eines 
großen Arztes, daß die Lungenschwäche bei Juden auf den Aufenthalt 
in der ihnen nicht natürlichen Umgebung zurückzuführen sei.

 

5. Anstelle des bitteren Zustands des "Verliebtseins-in-das-Exil" hat die 
Einsicht zu treten, dass Israel das Land unseres Lebens ist.

 

6. Das Land Israel wiegt alle Gebote auf, da es selbst ein 
allumfassendes Gebot darstellt, nämlich die Anwesenheit des Volkes 
Israel im Lande Israel, was die wahre Erfüllung aller Gebote der Tora 
überhaupt erst ermöglicht, da diese im Ausland nur den Wert von 
Gedächtnisstützen haben.

 

7. So kann es kein Verlassen des Landes geben, es sei denn auf kurze 
Zeit, um im Ausland Tora zu lernen oder zu heiraten – Gründe, die 
heute wahrlich keinen Auslandsaufenthalt mehr rechtfertigen. Nur die 
Ausreise zur Erziehung zur Einwanderung ins Land ist erlaubt, oder, 
mit den Worten des "Kusari": "im [Lande] oder zu seinen Gunsten".

 

8. Der Hauptgrund in der Erläuterung der Notwendigkeit der 
Einwanderung nach Israel muss das Verständnis des großen Wertes der 
Verbundenheit mit dem Lande des Lebens sein, aber jenen, denen die 
Lebensnotwendigkeit der Einwanderung ein fremder Gedanke ist, muss 
klar gemacht werden, dass das jüdische Volk im Ausland keine 
Existenzgrundlage hat und ständig den Gefahren der Assimilation und 
Verfolgungen ausgesetzt ist.

 

9. Im Gegensatz zu Josef, der zu seinem Herkunftsland stand, wurde 
Moscheh bestraft, weil er es nicht nannte, und das, obwohl er nicht 
einmal dort geboren war – denn jeder Jude ist wegen seiner nationalen 
Zugehörigkeit zur Nachkommenschaft Awrahams verpflichtet zu 
sagen, er sei aus Israel.

 

10. Das Durchwandern des Landes durch Awraham in seiner 
spirituellen Größe bereitete die Grundlage für die Landnahme seiner 
Nachfahren.

 

11. Es erscheint das "offensichtliche Kennzeichen des Endes" in Gestalt 
von Einsammlung der Zerstreuten und reichhaltiger Hergabe der 
Früchte durch das Land gerade an uns und nicht etwa an die 
Nichtjuden, obwohl jene versuchten, hier zu siedeln. Dieser 
Sachverhalt offenbart uns das Ende des göttlichen Zornes auf Volk und 
Land.

 

12. Dies alles ist kein Zufall, sondern göttliche Ordnung. Überhaupt 
gibt es keine Zufälle; oder, wie jener Philosoph sich ausdrückte, dass 
der Zufall nichts anderes sei als G~tt inkognito, dem letztendlichen 
Urheber geschichtlicher Abläufe. 

 

F U S S N O T E N:

 

(1) "Es ist dies keine Schwächlichkeit, dass die Errettung Israels 
langsam – langsam vonstatten geht, sondern Ausdruck höchster Kraft" 
Briefe Rav A.J.Kuk 3,20 
(2) "Nach meiner Ansicht ist dies ein positives Gebot (Mizwa). Er 
gebot ihnen, das Land zu bewohnen, es einzunehmen, denn ihnen gab 
er es, und das Erbteil G~ttes sei nicht verächtlich in ihren Augen… 
dieser Vers konstituiert ein positives Gebot" – aus dem Kommentar des 
Nachmanides zu Num.33,53 
(3) "…dass uns geboten wurde, das Land, das der Herr, gelobt sei er, 
unseren Vätern Awraham, Jizchak und Jakov gegeben hatte, 
einzunehmen, und es keinesfalls anderen Völkern oder der Verödung 
anheimfallen zu lassen, wie er ihnen sagte (Num.33,53): Und ihr sollt 
austreiben (die Bewohner) des Landes und sollt darin wohnen; denn 
euch habe ich das Land gegeben, es zu besitzen. …daraus entnehmen 
wir das in allen Generationen gültige Gebot, das Land einzunehmen." – 
aus den Anmerkungen des Nachmanides zum Buch der Gebote des 
Maimonides, positives Gebot Nr.4 
(4) Lieder 
(5) "Obwohl ich euch aus dem Lande in die Verbannung schicke, 
zeichnet euch durch die Gebote aus, damit sie euch nicht neu seien, 
wenn ihr zurückkehrt. Ein Gleichnis: Einst zürnte der König seiner 
Frau, und sie begab sich in das Haus ihres Vaters. Da sagte er zu ihr: 
Behalte deinen Schmuck an, damit er dir nicht ungewohnt sei, wenn du 
zurückkehrst. Ebenso sprach der Heilige, gelobt sei er, zu Israel: Meine 
Kinder, zeichnet euch durch die Gebote aus, damit sie euch nicht neu 
seien, wenn ihr zurückkehrt; so sagte auch der Prophet Jirmijahu 
(31,20): Stelle dir Zeichen auf – dies sind die Gebote, durch die Israel 
sich auszeichnet". Midrasch Sifri, Ekew 11,18, ebenso Raschi und 
Nachmanides zu Deut.11,18 
(6) "Jedwede Prophezeiung fand entweder im oder für das Land statt" 
Kusari II,14 
(7) "Aber von Zion wird gesagt: ein Mann und noch ein Mann ist darin 
geboren (Ps.87,5) – einerlei, ob man darin geboren ist, oder man es zu 
sehen hofft." Ketubot 75a 
(8) Awoda Sara 13a, Toßafot "Lilmod"; Mischpat Kohen 147,2 
(9) Midrasch Dewarim Raba 2,8: "[Moscheh] sprach vor ihm: Herr der 
Welt, Josef's Gebeine läßt du ins Land gelangen, und mich nicht? 
Darauf antwortete ihm G~tt: Wer zu seinem Heimatland steht, wird in 
seinem Heimatland bestattet, wer nicht zu seinem Heimatland steht, 
wird nicht in seinem Heimatland bestattet. Woher entnehmen wir, daß 
Josef zu seinem Heimatland stand? Daraus, dass seine Herrin [Frau 
Potifar] sagte: Seht, man brachte uns einen hebräischen Mann. Dem 
widersprach er nicht, sondern sagte: Denn gestohlen bin ich worden 
aus dem Lande der Hebräer…Darum wurde er in seinem Heimatland 
bestattet… Da du nicht zu deinem Heimatlande standest, wirst du nicht 
in ihm bestattet. Woher dies? Jitros Töchter sprachen: Ein ägyptischer 
Mann hat uns gerettet aus der Hand der Hirten… Und er [Moscheh] 
hörte es und schwieg dazu. Daher wurde er nicht in seinem 
Heimatlande bestattet". -zitiert vom Rabbi von Ostrowsze, siehe 
Artikelsammlung "Chassidut und Zion": Verhältnis der chassidischen 
Häupter Polens zur Rückkehr nach Zion 
(10) Baba Batra 100a: "Ist er durch dieses [das gekaufte Feld] in der 
Länge und der Breite gegangen, so hat er die Stelle geeignet, wo er 
gegangen ist – so Rabbi Elieser; die Weisen sagen, das Gehen nütze 
nichts, sondern nur dann, wenn er es [durch irgendeine Betätigung am 
Felde] in Besitz genommen hat… Was ist der Grund Rabbi Eliesers? Es 
heißt (Gen.13,17): Auf, durchziehe das Land etc. Und die Rabbanan!? 
…zur Erleichterung der Eroberung durch seine Nachkommen". Siehe 
auch Raschi zu Gen.12,6.

 

Aus der Schriftenreihe "Gespräche HaRav Zwi Jehuda" (Sichot HaRav Zwi Jehuda) Nr. 1 herausgegeben von Rabbiner Schlomo Aviner – Übersetzung: R. Plaut Chefredakteur von KimiZion.

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