Unsichtbarer Moscheh

Die talmudischen Weisen lehren uns im Traktat Me'ila [Von der Veruntreuung] (S. 14a/b) in den das Heiligtum betreffenden Gesetzen: Man "baue profan und heilige nachher"...

3 Min.

Rabbiner Schlomo Aviner

gepostet auf 05.04.21

Parschat "Tezawe" (2.Buch Moscheh "Exodus", Kap.27,20 – 30,10) S.389

 

Man baute profan und heiligte es nachher

 

Die talmudischen Weisen lehren uns im Traktat Me'ila [Von der Veruntreuung] (S. 14a/b) in den das Heiligtum betreffenden Gesetzen: Man "baue profan und heilige nachher", und weiter wird im Talmud erklärt: "Folgendes ist der Grund, weshalb man profan baute: die Tora ist nicht für die Dienstengel gegeben worden". Dazu erläutert der Raschikommentar: "Als der Tempel gebaut wurde, kaufte man alle benötigten Materialien von profanem Gelde, oder auf Vertrauensbasis, und nachdem das Bauwerk fertiggestellt war, heiligte man es. Denn es war praktisch unmöglich, dass [die Bauarbeiter] nicht einmal im Schatten der Steinblöcke zum Schutze vor Hitze gesessen hätten, was eine Veruntreuung an Geheiligtem bedeutet hätte". Wären die Blöcke also schon vor Baubeginn geheiligt worden, hätten sie nicht vorbereitet, transportiert und an ihren Platz gesetzt werden können, aus Furcht vor [unrechtmäßiger] Nutznießung an Heiligem.

 

So war es beim Bau des Tempels, und so verhält es sich auch bei der Erlösung Israels und dem Aufbau des Landes – Schritt um Schritt, Stufe um Stufe. So wie die Blöcke des Tempels vom Profanen waren, vollzieht sich auch der Aufbau des Landes, nämlich auf weltliche Weise. Große Teile der Nation bauen auf weltliche Weise. Zu den Eigenschaften des großen und weitverzweigten Bauwerkes – Staat und Einsammlung der Verstreuten – gehören auch Schattenseiten. Wir bauen auf weltliche Weise, mit dem ganzen Schmerz, der damit zusammenhängt. Die Anhänger von Tora und Mitzwot, die die Rückkehr G~ttes nach Zion in ihrem endzeitlichen Glanz deutlich vor sich sehen, arbeiten unermüdlich an der Heiligung dieses Bauwerkes: durch Studium und Verbreitung der Lehre, in beispielgebendem Handel und Wandel, in der Liebe zu den Geschöpfen und in der Liebe zu Israel. Und nach der Beseitigung aller Hindernisse, zur Zeit der vollständigen Erlösung, wird das ganze Werk geheiligt. Man baut profan und heiligt es nachher.

 

Unsichtbarer Moscheh

 

Der Tatsache, dass der Name unseres Lehrers Moscheh im Wochenabschnitt Tezawe nicht erwähnt wird, dürfte hinlänglich bekannt sein. Man könnte sagen, dass dies überhaupt kein Mangel sei und es auf seine spirituelle Größe zurückführen, weil seine Existenz von solcher Allgemeinheit ist, dass sie über der Spezifizierung durch namentliche Erwähnung steht. Auch in der Pessachhaggada wird Moscheh, der göttliche Gesandte zur Erlösung des Volkes, nicht ein einziges Mal namentlich erwähnt, trotz seiner zentralen Rolle bei der Erlösung, und gerade wegenseiner zentralen Stellung und seiner allumfassenden Allgemeinheit.

 

Man kann seine "Unsichtbarkeit" in diesem Wochenabschnitt auch als Notwendigkeit zum Nutzen des Volkes auffassen. Auf diese Deutung weist eine Änderung im Stil der vorigen Parscha (Truma): "Sprich zu den Kindern Israels, sie sollen mir eine Spende bringen" (Ex. 25,2) gegenüber Parschat Wajakhel: "Und Moscheh sprach zu der ganzen Gemeinde der Kinder Israels: Dies ist es, was der Ewige befohlen hat: Nehmet von dem Eurigen eine Spende für den Ewigen!" (Ex. 35, 4-5). In "Wajakhel" sehen wir uns mit einem direkten Befehl konfrontiert: Nehmet! In "Truma" ist der Stil komplizierter: "Sprich zu den Kindern Israels, sie sollen mir eine Spende bringen". Sage ihnen nicht: Gebet eine Spende, oder nehmet eine Spende, sondern sage ihnen Dinge, dass sie von selbst eine Spende geben, rede zu ihnen in einer Weise, die in ihnen die Gebefreudigkeit erweckt: "…von jeglichem, den sein Herz dazu treibt, nehmet die Spende für mich" (Ex. 25,2). Im Gegensatz dazu erfolgt nach dem spirituellen Niedergang durch die Sünde um das Goldene Kalb ein direkter Befehl.

 

Im Idealfall braucht der Erzieher nicht zu befehlen und zu zwingen, sondern erweckt durch seine Rede die Lust, das Gute zu tun. Der Erzieher muss gleichzeitig anwesend und abwesend sein, auf Tuchfühlung und Distanz, sichtbar und unsichtbar, verschwunden und doch anwesend. Er muss sich im Hintergrund halten, damit sich der Mensch aus eigener, innerer Kraft in geistige Höhen erheben kann. Daher ist unser Lehrer Moscheh in Parschat Tezawe unsichtbar – sozusagen unsichtbar vor der Wirklichkeit des "Gebiete!" [tezawe].      

 

Oberrabbiner von Bet El und Leiter der Jeschiwa "Ateret Kohanim/Jeruschalajim"  in der Altstadt von Jerusalem – übersetzt von R. Plaut Chefredakteur von KimiZion.

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