Parashat Shoftim – richte dich selbst!

Was uns die Parashat Shoftim gerade in der ersten Woche des Monats Elul zu sagen hat

2 Min.

Prof. Dr. Yizhak Ahren

gepostet auf 15.03.21

Die Parasha der Woche eröffnet mit dem Vers: "Richter und Ausführungsbeamte bestellst du dir (lecha) in all deinen Toren, die Haschem, dein G-tt, dir für deine Stämme gibt, dass sie das Volk nach Rechtsspruch des Rechts richten.“ (Devarim 16:18)

Die einfache Bedeutung dieses Verses ist, dass das jüdische Volk nach Einzug in Eretz Jisrael Gerichte in jeder Stadt einsetzen sollen. Dort sollen nicht nur Richter über Gerichtsfälle entscheiden, sondern es sollen auch Beamte eingesetzt werden, die die Fähigkeit und die Befugnis besitzen, die Urteile auszuführen.

 

Das Wort lecha – für dich – eröffnet uns noch eine andere Ebene. Jedes Wort in der Tora hat eine tiefe Bedeutung, auch wenn es uns auf Anhieb überflüssig erscheint. Ohr HaChaim (Rav Chaim ibn Attar, 1696-1743) erklärt, dass dieses Wort eine Warnung an diejenigen enthält, die meinen, sie stünden über dem Gesetz, weil sie in der Position sind, Richter und Ausführungsbeamte zu ernennen. Wir müssen uns alle gleichermaßen dem Gesetz der Tora unterwerfen und damit sagt uns der Vers, dass wir Richter und Beamte sogar über uns selbst bestimmen müssen.

Wir finden noch eine weitere Bedeutung des Wortes lecha an anderen Stellen in der Tora, wo es „zu deinem eigenen Nutzen“ bedeuten kann. Die Bestellung von Richtern und Ausführungsbeamten ist eine große Gabe sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft. Das Individuum wird in einem korrekten Lebenswandel geleitet, sei es in halachischen Fragen oder in anständigem Verhalten. Für eine funktionierende Gesellschaft ist es unabdinglich, dass ihre Mitglieder die Regeln beachten und so ein Ganzes entsteht. In Vers 3:2 in Pirkej Awot (Sprüche der Väter) heißt es daher: "bete für das Wohl der Regierung; denn wäre nicht Furcht vor ihr, sie würde einer den anderen lebend verschlingen." Eine intakte und integre Gerichtsbarkeit gehört zu den Grundlagen einer gerechten Gesellschaft und ihre Abwesenheit würde zu Anarchie führen.

 

Des Weiteren kann man das Wort lecha als Aufforderung sehen, über sich selbst zu richten. Rav Mosche Feinstein (1895-1986) erklärt in diesem Sinne, dass dies zusätzlich zur Einrichtung eines jüdischen Gerichtssystems auch meint, jeder Jude solle ständig sein eigener Richter sein und sich fragen, ob er richtig handelt. Aber nicht nur Richter, sondern auch sein eigener Ausführungsbeamter soll er sein und sicherstellen, dass er selbst richtig handelt. Warum befiehlt uns die Tora, Richter über uns selbst zu sein? Passt man nicht sowieso auf, immer das Richtige zu tun?

Wenn man wirklich ehrlich sich selbst gegenüber ist, sieht man, dass man meistens eine Entschuldigung oder Erklärung parat hat, um ein gewisses Benehmen für sich selbst zu entschuldigen. Man legt andere Kriterien an sich als an andere an, weil man sich selbst besser kennt und seine eigenen Beweggründe, Gedanken, Wünsche und Wertvorstellungen in sein Urteil einfließen lässt. Aber so wie ein Richter im öffentlichen Gericht unabhängig und unbeeinflussbar sein muss, muss man versuchen, sich selbst gegenüber ehrlich und unbeeinflusst zu sein und Ausreden nicht zuzulassen. Wir sollen uns von reinen Motiven leiten lassen.

 

In diesen ersten Tagen des Monats Elul sind diese Mussar-Gedanken von besonderer Bedeutung. In Vorbereitung auf Rosch Haschana bemühen wir uns darum, Teschuwa zu tun. Viele Aspekte gehören zu dem Prozess von Teschuwa, aber Ehrlichkeit sich selbst gegenüber ist dabei unabdingbar.

 

Mit freundlicher Genehmigung der ORD

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